Wie die Loretto Gemeinschaft nach Deutschland expandiert
Bischof Stefan Oster erhofft sich von dem Projekt nichts weniger als einen kräftigen Impuls zur Erneuerung der Kirche. Dazu hat er die Loretto Gemeinschaft aus Österreich nach Passau geholt und ihr die Gelegenheit für eine erste größere Niederlassung in Deutschland gegeben. Oster ist mit der Bewegung schon länger verbunden; mehrfach fuhr er zu ihren Pfingsttreffen mit zuletzt tausenden Teilnehmern nach Salzburg. Nach dem Salzburger Vorbild entsteht nun also auch in Ostbayern eine "HOME Base". Die Großbuchstaben stehen für "House of Mission and Evangelization".
Das Gebäude gehört seit 2018 dem Bischöflichen Stuhl von Passau. Der hat die ehemalige Wirtschaftsschule für 4,8 Millionen Euro umbauen und renovieren lassen. Betrieben wird das Zentrum von einer gemeinnützigen GmbH, deren einziger Gesellschafter der Ende August in München gegründete deutsche Zweigverein der Loretto Gemeinschaft ist. Die gGmbH muss nach Auskunft der Bischöflichen Finanzkammer eine Instandhaltungsmiete aufbringen und die Betriebskosten selbst erwirtschaften. Allerdings gibt es eine Starthilfe des Bischöflichen Stuhls in Höhe von 275.000 Euro. Die Finanzierung ist vom Diözesanvermögensrat abgesegnet.
Alle Angestellten müssen Kreis von regelmäßigen Paten finden
Die beiden Geschäftsführer der gGmbH sind Angestellte des Bistums Passau: der stellvertretende Finanzdirektor Thomas Mader und Ingrid Wagner, Leiterin des Referats Neuevangelisierung im Ordinariat. In der "HOME Base" werden auch ein Gebetshaus und ein Bistro-Cafe als niederschwelliger Begegnungsraum Platz finden. Das Team dahinter besteht derzeit nach Auskunft der Geschäftsführung aus zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das kirchliche Arbeitsrecht gilt für sie nicht. Die angehenden Jüngerinnen und Jünger zahlen im Monat 700 Euro für Kost, Logis und das Schulungsprogramm, zu dem täglich viereinhalb Stunden Vorträge, Workshops und Gebetszeiten zählen, ebenso wie Sport und Kreatives.
Kreativ klingt nicht zuletzt die Finanzierung des Personals, was der Leiter der Jüngerschaftsschule, der Theologe Sebastian Raber, und Gebetshausleiterin Andrea Schwemmer in nahezu dieselben Worte fassen: "Was Gott bestellt, das bezahlt er auch." Konkret heißt das: Alle Angestellten müssen einen Kreis von regelmäßigen Paten gewinnen, die dann für ihr Gehalt an die gGmbH spenden. Bei der Akquise hilft Loretto Österreich.
Unübersehbar ist der unternehmerische Elan. Gründer Georg Mayr-Melnhof (Jahrgang 1968) entstammt einer der reichsten österreichischen Familien. Mit ihr kontrolliert er ein milliardenschweres Firmenkonsortium, darunter den weltgrößten Hersteller von Recyclingkarton. In dem umtriebigen Salzburger Hotelier und "Life-Coach" Patrick Knittelfelder (Jahrgang 1970) hat Mayr-Melnhof einen nicht minder agilen Kompagnon gefunden.
Selbst Kritiker bescheinigen Loretto hochprofessionelle Medienarbeit und die Fähigkeit zu spektakulären Inszenierungen. Die Finanzkraft der Organisation wird als beträchtlich eingeschätzt. Dazu mag auch beitragen, dass ihr Statut allen Mitgliedern der Gemeinschaft nahelegt, fünf Prozent ihres Nettoeinkommens an Loretto abzuführen.
Verbandsjugend skeptisch und neugierig
Beide Pioniere lassen keinen Zweifel daran, dass sie Großes vorhaben. An der gegenwärtigen Kirche stört sie weniger der Inhalt, aber die Verpackung sei leider oft "sehr langweilig", beklagte Mayr-Melnhof in einem Interview mit dem Portal missio.at. "Eine neue Generation an jungen Menschen für Jesus zu formen, das ist meine Mission."
Knittelfelder, der auch in der Immobilienbranche aktiv ist, sagte vor einem guten Jahr dem deutschen Ableger der US-Megachurch Willowcreek zu den weiteren Zielen: "Wir sehnen uns danach, in den nächsten Jahren Tausenden von Menschen eine Begegnung mit diesem unglaublichen Gott zu ermöglichen. Wir träumen von einem neuen, zeitgemäßen, komfortablen Kirchengebäude für mehrere Tausend Menschen."
Die katholische Verbandsjugend im Bistum Passau schaut derweil mit einer Mischung aus Skepsis und Neugier auf das Projekt. "Bei uns gibt es noch viele Fragezeichen", sagt die BDKJ-Diözesanvorsitzende Johanna Haselböck. Vor allem ist ihr noch unklar, was im HOME inhaltlich passieren wird. Eines möchte Haselböck auf keinen Fall: "Dass wir gegeneinander ausgespielt werden." Und sie fügt hinzu: "Wir haben ihnen schon die Hand gereicht und hoffen, dass sie auch mit uns zusammenarbeiten."