Politiker und Pilger
Anlass der zweiten Auslandsreise des Papstes aus Argentinien war die Erinnerung an den historischen Ökumene-Gipfel von Paul VI. und Patriarch Athenagoras vor 50 Jahren. Die damalige Begegnung hatte den Dialog zwischen den seit 1054 getrennten Kirchen von Ost und West eingeleitet - der jetzt intensiv fortgesetzt werden soll. Kaum weniger spektakulär war eine politische Initiative, als Franziskus überraschend einen geistlichen Nahost-Friedensgipfel ankündigte: mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Israels Staatspräsident Schimon Peres im Vatikan.
Papst Franziskus ist im Heiligen Land der Reiseroute und den Etappen seiner Vorgänger gefolgt. Aber er hat sie mit seinem eigenen Stil erfolgreich geprägt, und er hat mit seiner Ausstrahlung und Herzlichkeit viele Menschen erreicht, wenn auch Inhalte und Aussagen meist nicht über Bisheriges hinausgingen.
Erstmals öffentlich politisches Profil gezeigt
Franziskus musste bei der Reise erstmals öffentlich politisches Profil zeigen. In der Region, die zu den schwierigsten der Welt zählt, hat er die Positionen der vatikanischen Friedenspolitik vor beiden Lagern konzentriert vorgetragen, ohne sich von einer Seite vereinnahmen zu lassen. Die Choreographie wollte es, dass er innerhalb weniger Stunden vor den Spitzen Palästinas und Israels für einen gerechten und dauerhaften Frieden im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung eintrat - mit fast identischen Formulierungen: Der Dauerkonflikt habe eine für alle Betroffenen unerträgliche Situation geschaffen. Alle müssten mit Mut nach Lösungen suchen, zu Zugeständnissen und Kompromissen bereit sein und Gewalt und Terror abschwören. Zudem müssten sie alles vermeiden, was einer Einigung und einem respektvollen Leben von Christen, Juden und Muslimen entgegenstehe.
An allen Stationen nutzte Franziskus seine politischen Treffen auch, um eine Lanze für die christliche Minderheit zu brechen. Sie seien loyale und engagierte Mitbürger, die Anspruch auf Gleichberechtigung hätten. Damit relativierte er Vorwürfe, bei der Reise seien die einheimischen Katholiken zu kurz gekommen. Gleichzeitig suchte Franziskus auch das Gespräch mit den anderen Religionen, mit Vertretern von Islam und Judentum, und warb auch dort eindringlich für Dialog und Zusammenarbeit.
Zu den deutlichen Worten kamen die Gesten. Gerade die Bilder sind es, die diese Reise prägen. Der Papst, der das orthodoxe Ehrenoberhaupt Bartholomaios I. umarmt; mit dem er sich so gut versteht, dass ihr Gespräch den strengen Zeitplan sprengte. Das Bild aus der Jerusalemer Grabeskirche, in der die getrennten Kirchenführer zum ersten Mal gemeinsam und mit dem Papst das "Vaterunser" beten.
Der Papst an der Klagemauer, der einen Zettel mit dem spanischen Vaterunser in eine Ritze der alten Tempelsteine steckt. Sein Stopp an der Sperrmauer bei Bethlehem, an der er schweigend verharrt. Der eingeschobene Besuch am Mahnmal für israelische Terroropfer. Und schließlich der Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem , wo sich Franziskus tief vor KZ-Überlebenden verneigt und ihnen die Hände küsst.
Zu wenig Zeit für die Katholiken?
Die Reise zeigte aber auch Franziskus als Pilger, der ins Gebet versunken am Jordan steht, in der Geburtsgrotte von Bethlehem betet und in der Jerusalemer Grabeskirche den Salbungsstein küsst.
Bleibt freilich die Kritik, der Papst habe im Heiligen Land und vor allem in Jerusalem zu wenig Zeit für seine Katholiken gehabt. Dieser Vorwurf könnte freilich dadurch relativiert werden, dass Franziskus wohl bereits an eine zweite Heilig-Land-Reise denkt. Vom Geburtsort Jesu, von Bethlehem aus richtete Franziskus einen Gruß an dessen Heimatort Nazareth: "wohin ich mich hoffentlich, wenn es Gott gefällt, bei einer anderen Gelegenheit begeben kann".
Von Johannes Schidelko (KNA)