Standpunkt

Denken wir an das Früher – und wagen einen Neuanfang

Veröffentlicht am 12.11.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Burkhard Hose ruft sich die Anfänge der Kirchengeschichte in Erinnerung: Innovation und Aufbrüche. Auch heute spürt er diesen Geist, etwa beim Synodalen Weg. Er ruft die Bischöfe dazu auf, auch an früher zu denken – und einen Neustart zu wagen.

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Es hilft bisweilen, sich die Anfänge der Kirchengeschichte in Erinnerung zu rufen. Ja, es gab tatsächlich einmal eine Phase in der frühen Kirche, da stand das Christentum für gesellschaftliche Aufbrüche und Innovation. Die Jesusbewegung, die sich allmählich aus den jüdischen Synagogengemeinden herauslöste und zunehmend auch in der nichtjüdischen Umgebung Fuß fasste, war zumindest vorübergehend ein attraktiver Anziehungspunkt für Menschen, die eine andere Gesellschaftsordnung herbeisehnten. Sklaven und Freigelassene, Frauen und Menschen ohne römisches Bürgerrecht fühlten sich genauso angezogen wie die weltoffenen Kaufleute in den Hafenstädten des römischen Weltreiches. Für einige Jahrzehnte zumindest waren christliche Gemeinden der Ort, an dem Frauen in der Versammlung die gleichen Rechte hatten wie Männer und gesellschaftlich benachteiligte oder ausgegrenzte Menschen die gleiche Wertschätzung erfuhren wie erfolgreiche Geschäftsleute.

Der sogenannte Gleichheitssatz in Galater 3,27-28 atmet diesen Geist der Kirche der Anfänge: "Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus".

Derzeit erahne ich wieder etwas von diesem Geist, der in Menschen wach wird, die sich trauen, im Reformprozess des Synodalen Weges für die Rechte von Frauen und für mehr Kontrolle der Macht einzutreten. Ich erahne etwas von diesem Geist, wenn sich Menschen hartnäckig für die Aufklärung der Missbrauchsverbrechen und die unbedingte Achtung der Würde von Menschen in der Kirche starkmachen. Es gehört für mich schließlich zur unkontrollierbaren Eigendynamik des Geisteswirkens im derzeitigen Reformprozess, wenn junge Synodal:innen in Initiativen wie dem Buchprojekt "Katholisch und Queer" sichtbar werden, für mehr Gerechtigkeit eintreten und dabei nicht auf bischöfliche Zustimmung warten. Die Bischöfe sollten diese Aufbrüche am Ende nicht blockieren, sondern sich für einen Moment die Anfänge der Kirchengeschichte in Erinnerung rufen und einen echten Neuanfang wagen.  

Von Burkhard Hose

Der Autor

Burkhard Hose ist Hochschulpfarrer in Würzburg.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.