Das war die Herbstvollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

ZdK-Vollversammlung: Neue Ära und eine Präsidentin vor großen Aufgaben

Veröffentlicht am 21.11.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Der Synodale Weg, der Missbrauchsskandal, die Ampelkoalition: An Themen für die neue ZdK-Spitze fehlt es nicht – und dann kommt die Corona-Pandemie hinzu. Und der Beginn einer neuen Ära in Berlin.

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"Ich sehe die Kirche in einer Krise": Auf ihrer ersten Pressekonferenz als frisch gewählte Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken unternahm Irme Stetter-Karp am Freitag in Berlin gar nicht erst den Versuch, die Lage schön zu reden. Die 65-jährige Sozialwissenschaftlerin schob allerdings hinterher, sie glaube daran, dass es dennoch Möglichkeiten gebe, Vertrauen für die Kirche zurückzugewinnen, sofern die Bereitschaft zur Veränderung bei allen Beteiligten vorhanden sein. Vielleicht braucht es diese Form von Zuversicht, unter Katholiken auch als Gottvertrauen bekannt, um in turbulenten Zeiten die Leitung des höchsten repräsentativen Gremiums der katholischen Laien zu übernehmen.

Neuanfänge prägten in mehrerer Hinsicht die am Samstag zu Ende gegangene Vollversammlung des ZdK. In der rund 150-jährigen Geschichte ist Stetter-Karp nach der früheren saarländischen Ministerin Rita Waschbüsch (CDU), die das ZdK von 1988 bis 1997 repräsentierte, erst die zweite Frau an der Spitze. Die Vizepräsidentin des Deutschen Caritasverbandes und eine der Moderatorinnen des katholischen Reformprojekts Synodaler Weg, konnte 149 Stimmen auf sich vereinen. Für ihren Gegenkandidaten, den Theologen und Unternehmensberater Ulrich Hemel, votierten 41 Delegierte.

Birgit Mock (51), Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes KDFB, der Journalistin Claudia Nothelle (57), dem Theologen Thomas Söding (65) werden sich als Stellvertreter ebenfalls einarbeiten müssen. Nur der Bankkaufmann Wolfgang Klose (57) gehörte auch dem alten Präsidium an.

Lobbyarbeit in Hauptstadt dürfte nicht einfach werden

Der scheidende Präsident Thomas Sternberg, der nach sechs Jahren nicht mehr zur Wahl antrat, zog eine nachdenkliche Bilanz. Nicht zuletzt mit Blick auf die Corona-Pandemie konstatierte er einen "weitgehenden öffentlichen Ausfall der Frage nach dem Trost des Glaubens". Das bewege ihn zum Abschied noch mehr als die "recht schwache Wahrnehmung unserer politischen Positionierungen und Debattenbeiträge".

Die politische Präsenz des Katholikenkomitees zu schärfen – diese Hoffnung verbindet sich mit dem in wenigen Wochen bevorstehenden Umzug des ZdK-Generalsekretariates von Bonn nach Berlin. Ab Januar werden rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Räume der ehemaligen Katholischen Theresienschule im Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg beziehen. Der Regierungswechsel hin zur Ampelkoalition, die nur wenig katholische Anknüpfungspunkte bietet, dürfte die Lobbyarbeit in der Hauptstadt nicht einfacher machen.

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Der Berliner Erzbischof Heiner Koch jedenfalls empfing das ZdK mit offenen Armen und stimmte die Besucher des abendlichen Gottesdienstes auf das neue "Milieu" ein: "Kaum einer käme hier auf die Idee, die Kirchen als machtvolle Instanzen zu bezeichnen, zudem hat der größte Teil der Menschen hier in Berlin keine oder nur äußerst geringe konkrete Lebenskontakte mit dem christlichen Glauben und den Kirchen je gehabt."

Zahlreich sind die innerkirchlichen Baustellen. Am Samstag stellten die beiden Münsteraner Zeithistoriker Thomas Großbölting und Klaus Große Kracht erste Ergebnisse einer unabhängigen Studie zum Missbrauch in der Diözese Münster vor. Das ZdK will bei der Aufarbeitung künftig stärker mit Betroffenen zusammenarbeiten.

Stetter-Karp: Kirche müsse auch gesellschaftspolitisch präsent sein

Für Ermutigung auf dem Synodalen Weg sorgten die begeistert aufgenommenen Worte der evangelisch-lutherische Erzbischöfin von Uppsala, Antje Jackelen. "Die Zeit ökumenischer Schadenfreude ist definitiv vorbei. Wir sitzen in einem Boot", betonte sie. Dabei warnte sie vor einen "gefährlichen Cocktail" aus "Populismus, Polarisierung, Protektionismus, Postfaktizität und Patriarchat", der auch die Kirchen bedrohe. Gerade patriarchale Strukturen würden bisweilen mit dem Wesen des Glaubens verwechselt oder religiös überhöht.

Gleichwohl mahnte Stetter-Karp die Laien, sich nicht in binnenkirchlichen Debatten zu verzetteln. Die Kirche müsse auch gesellschaftspolitisch präsent sein. Das ZdK rief zu einem humaneren Umgang mit Flüchtlingen und Migranten auf und bekräftigte die Istanbul-Konvention, die Gewalt gegen Frauen bekämpft. Weitere Themen sieht die neue Präsidentin in den Debatten um die Pflegereform, der Regelung der Suizidbeihilfe oder der digitalen Transformation.

Wie schwierig die Leitung sein kann, musste Stetter-Karp bereits angesichts der Corona-Pandemie erfahren. Hier stellte sich das Laiengremium hinter den Aufruf des Papstes, der von einem Akt der Liebe gesprochen hatte, und mahnte zur Solidarität gegenüber Menschen im Gesundheitswesen. Für nicht wenige Delegierte stand dies allerdings im Widerspruch zu den dicht besetzten Reihen der Präsenzveranstaltung im Berliner Sitzungshotel. Da die Tagesordnung nicht ganz abgearbeitet werden konnte, will das ZdK nochmals am 7. Dezember zusammentreten – dann aber online.

Von Christoph Scholz und Joachim Heinz (KNA)