"Windeltheologie": Hoffen und Lieben gegen alle Evidenz
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Tannenbaum, Krippe, Rotwein, Gans. Familienglück als Exklave der Jahreshektik. Inzwischen liegen die Weihnachtsfeiertage hinter uns, und allmählich richtet sich der Blick in diesen Tagen "zwischen den Jahren" auf die Zukunft. Natürlich nicht ohne die Nachwehen der letzten Tage: Wiegt doch der Braten noch im Bauch und gehen die Worte durch den Kopf, die Bundespräsident und Bischöfe für uns hatten. Vertrauen ist gefordert, doch die Aussicht auf die kommende Zeit bleibt bedrückend, wenn man den Eindruck nicht loswird, dass sich vieles nur im Kreis dreht. Corona bleibt unvermindert ein Damoklesschwert und – wie der Würzburger Bischof Franz Jung in der Weihnachtspredigt kritisierte: der Pflegenotstand unverbessert.
Noch bedrückender die Aufzählung der internationalen Krisen und Kriege in der Weihnachtsansprache des Papstes: zehn Jahre Bürgerkrieg in Syrien, Flüchtlingsströme, Afghanistan, Jemen etc. Wir müssen uns nicht nur um die ukrainisch-russische Grenze sorgen. An vielen Orten ist die Erde seit Jahren kein friedlicher Ort. Wer soll hier auf wen und worauf vertrauen? Vertrauen und Hoffnung gegen alle Evidenz. Die biblischen Erzählungen haben aus dieser Spannung nie ein Hehl gemacht.
Der heutige Tag steht zwischen dem "Fest der Familie" und dem "Kindermord von Bethlehem". Keine Zeit für Idylle. Vielleicht ist es aber gerade die besondere Botschaft, die spezifische Haltung des Christentums auch im 21. Jahrhundert: Sich für die Hoffnung entscheiden und glauben, dass Liebe Sinn macht. Eine Liebe, von deren verschiedenen Formen der Bischof Jung in seiner Windel-Predigt sprach. Demut, Empathie und Caritas. Windeldienst als Gottesdienst. Wenn aber, wie Bischof Jung sprach, der Windeldienst der erste Gottesdienst ist, sei nebenbei der Hinweis darauf erlaubt, wer diesem ersten Gottesdienst vorstand: Maria. Teil der Hoffnung gegen alle Evidenz ist der Friede in der Welt. Innerkirchlich die Hoffnung darauf, dass der Papst mit Blick auf diese Windeltheologie das ist, was er allen anderen jetzt ins Stammbuch schrieb: bereit zum Dialog.
Die Autorin
Birgit Aschmann ist Professorin für Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.