Wie Jean Francois Uwimana Jugendliche mit seiner Musik erreichen möchte

Jesus und Glaube statt Joint und Gewalt: Der Rap-Priester aus Erfurt

Veröffentlicht am 16.01.2022 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Keine goldene Halskette, keine teuren Klamotten, keine auffälligen Tattoos: Jean-Francois Uwimana sieht nicht unbedingt aus wie ein Rapper. Stattdessen trägt er Kollar-Kragen, denn der 34-Jährige ist Priester. Mit seinen Liedern möchte er Jugendliche erreichen.

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Es liegt ein Widerspruch oder zumindest ein gewisser Kontrast zwischen den beiden Welten, in denen Jean-Francois Uwimana sich bewegt und von dem man nichts mitbekommt, wenn er in Weimar oder Arnstadt in Thüringen als Priester die Messe feiert. Denn was viele nicht wissen: Der 34-Jährige ist in seiner Heimat Ruanda eine kleine Berühmtheit und hatte bereits mehrfach Auftritte und Konzerte – als rappender Priester.

Seit etwas mehr als einem Jahr lebt Uwimana jetzt im Priesterseminar in Erfurt, weil sein Bischof ihn für ein Promotionsstudium nach Deutschland geschickt hat. In seiner wissenschaftlichen Arbeit im Fach Pastoraltheologie geht es allerdings nicht um Musik, sondern um Jugendseelsorge und Digitalisierung. Und die Seelsorge für Jugendliche ist es auch, die Uwimana als noch jungen Priester zum Rappen gebracht hat.

"Wie könnt ihr das nach der Messe hören?"

In seiner ersten Pfarrei in Ruanda erlebt er mit Mitte 20, wie jugendliche Gottesdienstbesucher nach der Messe neben der Kirche Rap-Musik hören. Die Stimmung ist gut, die Musik eingängig und die Jugendlichen tanzen. Uwimana bluten angesichts der Verherrlichung von Gewalt, Sex und Drogen in den Texten allerdings die Ohren. "Wie könnt ihr das nach der Messe hören?", fragt er die jungen Menschen. Ihre Antwort ist simpel: Die Musik in der Kirche sei zum Meditieren geeignet, nach der Messe bräuchten sie aber mehr Action und tanzbare Musik. Gleichzeitig wendet sich auch sein damaliger Bischof an Uwimana mit dem Wunsch, neue und moderne Musik zu schaffen, die auch für die Jugend interessant ist. Der Priester nimmt beide Impulse zusammen und schreibt innerhalb von zwei Monaten seinen ersten Rap-Song. Als ein Bekannter und Radiomoderator ihn im Tonstudio trifft und von dem Lied erfährt, ist er sofort neugierig – und er spielt das Lied des rappenden Priesters auf seinem Sender. Der Song geht viral.

Sein musikalisches Talent ist da schon länger bekannt. Bereits in der Schule erkennt sein Musiklehrer – ebenfalls ein Priester –, dass Uwimana vom Blatt aus quasi fehlerfrei singen kann. Er ist nach eigener Aussage der begabteste Schüler und lernt bald Klavier, Orgel und Trompete zu spielen und komponiert bereits eigene Stücke. Ganz nebenbei macht der noch heute sportliche Uwimana Karate und spielt Fußball.

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Mit dem Lernen hat der Junge keine Probleme – mit der Entscheidung, was er nach der Schule machen will, allerdings schon. Soldat wie sein Vater zu werden, ist ihm zu gefährlich. Er wurde erschossen, als Uwimana gerade einmal 11 Jahre alt war. Nach seinem Schulabschluss liebäugelt Uwimana, der aus einer katholischen Familie kommt, daher neben dem Gang ins Priesterseminar auch mit dem Beruf als Arzt. Sein Plan: Wenn das Medizinstudium früher anfängt, entscheidet er sich für diesen Weg, wenn das Priesterseminar als erstes beginnt, schlägt er diesen Weg ein. Und letzteres ist der Fall. "Vielleicht hat Gott dafür gesorgt, dass ich ein ungeduldiger Mensch bin", sagt Uwimana heute im Rückblick scherzend.

Auch sein ehemaliger Musiklehrer motiviert ihn, eine geistliche Laufbahn einzuschlagen: Als Priester könne er auch seine Musik weiterentwickeln. Und das macht Uwimana auch: Neben Rap kombiniert er in seinen weiteren Songs auch Reggae und verschiedene traditionelle afrikanische Rhythmen und Stilrichtungen. Bei den Texten orientiert Uwimana sich an der Bibel und anderen christlichen Texten wie dem "Gegrüßet seist du, Maria". Eingängig und nicht zu kompliziert sollen sie sein – und trotzdem eine Botschaft vermitteln, so der Wunsch des 34-Jährigen. Die Ergebnisse stellt er dann auf seinen Kanal "Ultra JFU" bei YouTube.

"Wir waren schon ziemlich beeindruckt"

In einem seiner neuesten Lieder mit dem Titel "Love-d you" sind nicht nur professionelle afrikanische Tänzerinnen und Tänzer zu sehen. Uwimana hat auch im Erfurter Priesterseminar gedreht – und tanzt mit einigen seiner Mitbewohnerinnen. Eine von ihnen ist Julia Trahan. Die Förderpädagogik- und Anglistik-Studentin wohnt seit über einem Jahr ebenfalls im Priesterseminar.

Bei einem der Gemeinschaftsabende der Bewohner zeigt Uwimana einige seiner Musikvideos. "Wir waren schon ziemlich beeindruckt, mit welch hoher Qualität er diese Videos produziert", erzählt die 23-Jährige. Als er fragt, ob sie in seinen Videos mittanzen wollen, stimmen drei der Mitbewohner zu. Zusammen mit dem Priester üben sie die Choreografie und filmen schließlich Szenen für mehrere seiner Musikvideos. Bei der Aufnahme hätten sie zwar nicht alles perfekt getanzt, sagt Trahan. "Trotzdem hat es wirklich Spaß gemacht."

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Sie kann sich auch vorstellen, bei weiteren Videos Uwimanas mitzumachen – dann vielleicht sogar mit einem deutschen Text. "Das möchte ich unbedingt machen", sagt der Priester. Ein Video, in dem er das Gloria auf Deutsch singt, gibt es bereits auf seinem YouTube-Kanal. Ansonsten singt und rappt er meist in Englisch, Französisch, Kinyarwanda, der Landessprache Ruandas, und Kiswahili, einer weit verbreiteten afrikanischen Sprache.

Das Studium auf Deutsch bedeutet für Uwimana viel Arbeit, da er seine Texte oft erst noch von anderen korrigieren lassen muss. Wie er es neben seinem Studium und seiner Arbeit als Priester noch schafft, Lieder zu komponieren und Videos zu drehen? "Wenn man eine Leidenschaft hat, weiß man manchmal nicht, wie man die Zeit dafür findet", sagt er und lacht.

"Aber wie viele hören wohl Lieder, in denen es um Jesus oder christliche Werte geht?"

An seinem Ziel, Jugendlichen eine christliche Alternative zu herkömmlicher Rap-Musik zu bieten, arbeitet er kontinuierlich weiter. Rund 8.700 Menschen haben seinen Kanal mittlerweile abonniert. "Überall hört man Musik. Junge Menschen sind immer mit Kopfhörern unterwegs", sagt Uwimana. "Aber wie viele hören wohl Lieder, in denen es um Jesus oder christliche Werte geht? Nur sehr wenige, glaube ich."

Dass er ein katholischer Priester ist, sieht man auch in seinen Musikvideos deutlich: Immer wieder ist er mit einem Kollarkragen zu sehen – oder auch mit Sonnenbrille. In den Clips steht Uwimana im Mittelpunkt, zeigt sich lebendig und cool. Im Priesterseminar erlebt Julia Trahan ihn aber auch von einer anderen Seite. "Im Alltag wirkt er ein bisschen zurückhaltender", sagt sie. Sein musikalisches Talent lasse er bei den Musikbeiträgen beim wöchentlichen gemeinsamen Abendlob zwar durchaus erkennen. Dort geht es aber eher ruhiger zu – mit Klavier und Gesang statt Rap.

Von Christoph Brüwer