ZdK wirft Emeritus "Salamitaktik" vor

Ratzinger-Schüler Beinert fordert Zeichen der Reue von Benedikt XVI.

Veröffentlicht am 25.01.2022 um 10:16 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Benedikt XVI. hat eine wesentliche Aussage zum Münchner Missbrauchsgutachten korrigiert – und die Debatte über die Stellungnahme des emeritierten Papstes geht weiter: Neben dem ehemaligen Ratzinger-Schüler Wolfgang Beinert äußerte sich auch das ZdK.

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Die Debatte über Äußerungen des emeritierten Papstes zum Münchner Missbrauchsgutachten geht weiter. Der frühere Regensburger Theologieprofessor Wolfgang Beinert (88) hält eine Entschuldigung von Benedikt XVI. bei Missbrauchsbetroffenen für "unbedingt notwendig". Dem emeritierten Papst bleibe nur übrig zu sagen: "Ja, ich habe einen Fehler begangen und bereue ihn bitterlich", sagte Beinert der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag). "Anschließend müsste er ein Zeichen setzen – so er das noch kann." Beinert war Assistent von Joseph Ratzinger in Tübingen und Regensburg. Er zählt zu dessen Schülerkreis.

Der Regensburger Theologe verwies darauf, dass Benedikt XVI. eine Aussage für das vergangene Woche veröffentlichte Münchner Missbrauchsgutachten inzwischen korrigiert habe. Es gebe aber noch weitere "erschütternde" Aussagen in seinen Einlassungen. So habe der emeritierte Papst sinngemäß bemerkt, dass damals Missbrauchsfälle nicht so ernst genommen worden seien. "Das geht nicht", kommentierte Beinert. "Denn in der Kirche waren sexuelle Vergehen immer eine schwere Sünde. Gerade Kindesmissbrauch war immer verpönt – und strafbar." Der Wissenschaftler fügte hinzu, er glaube, dass Ratzinger "die Dimension dessen, was da geschehen ist, überhaupt noch nicht begriffen" habe. Nun bestehe die Gefahr, "dass sein gesamtes Lebenswerk dadurch zerstört wird".

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) wirft Benedikt XVI. eine "Salamitaktik" bei der Korrektur seiner Aussagen zum Münchner Missbrauchsgutachten vor. "Es ist einfach nicht glücklich, dass er entgegen seiner anderslautenden schriftlichen Aussage lediglich etwas eingesteht, was nicht mehr zu verleugnen ist", sagte die Präsidentin des ZdK, Irme Stetter-Karp, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Dies sei "noch immer kein Schuldeingeständnis".

Mehrfaches Fehlverhalten

Benedikt habe sich mehrfach falsch verhalten und die Betroffenen des sexuellen Missbrauchs nicht im Blick gehabt, so Stetter-Karp. Sie habe zwar Verständnis für das hohe Alter des früheren Papstes, aber er habe anderseits eine sehr detaillierte Stellungnahme abgegeben. Der Forderung, Benedikt möge seinen päpstlichen Namen ablegen und sich wieder Ratzinger nennen, erteilte die ZdK-Präsidentin eine Absage. "Der Titel steht für mich nicht im Mittelpunkt. Mir ist es wichtiger, dass der emeritierte Papst Benedikt persönlich und moralisch Verantwortung übernimmt."

Das am Donnerstag veröffentlichte Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) wirft dem emeritierten Papst in seiner Zeit als Münchner Erzbischof (1977-1982) Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsfällen vor. Dem Gutachten ist eine 82-seitige Erklärung Benedikts beigefügt. Am Montag korrigierte der Emeritus eine wesentliche Aussage zum Gutachten. Entgegen seiner bisherigen Darstellung habe er doch an der Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 teilgenommen, bei der es auch um den Fall des Missbrauchspriesters H. ging, hieß es in einer Stellungnahme.

Unterdessen meldete sich auch die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland zum Münchner Gutachten zu Wort und forderte eine staatliche Begleitung und Kontrolle der Aufarbeitung von Missbrauch in der katholischen Kirche. Das könne etwa durch eine bei der Bundesregierung angesiedelte unabhängige Aufarbeitungskommission auf gesetzlicher Grundlage geschehen, heißt es in einer am Montag in Berlin veröffentlichten Stellungnahme. "Eine Institution ist nicht in der Lage, die eigene Gewaltgeschichte selbst aufzuarbeiten", so die Kommission. (tmg/KNA)