Emeritus müsse nach Missbrauchsgutachten sichtbare Konsequenzen ziehen

Theologe Siebenrock: Benedikt XVI. sollte Papstgewand ablegen

Veröffentlicht am 29.01.2022 um 14:59 Uhr – Lesedauer: 

Innsbruck ‐ Nach dem Münchner Missbrauchsgutachten müsse Benedikt XVI. die Tatsachen auf den Tisch legen, fordert der Theologe Roman Siebenrock. Zudem solle der emeritierte Papst sichtbare Konsequenzen ziehen und nur noch einfacher Priester sein.

  • Teilen:

Der Innsbrucker Theologe Roman Siebenrock fordert den emeritierten Papst Benedikt XVI. zu einem vollständigen Rückzug auf. Joseph Ratzinger müsse wegen seiner Rolle bei der Vertuschung von Missbrauch während seiner Zeit als Erzbischof von München-Freising sichtbare Konsequenzen ziehen, erklärte Siebenrock in der "Tiroler Tageszeitung" (Samstag). Der emeritierte Papst solle sein weißes Papstgewand ablegen, ein einfacher Priester sein und nur noch Joseph heißen. "Damit wird ein Zeichen gesetzt, wer jetzt wirklich der Papst ist. Und dass eine Bußänderung nicht nur mit Worten, sondern mit Taten geschehen muss."

Es gebe nicht nur eine Kirche der Sünder, sondern auch eine sündige Kirche, erklärte Siebenrock. "Daran kommen wir nicht mehr vorbei." Die Kirchenführung müsse daher endlich die "systemischen und strukturellen Ursachen" für den Missbrauch benennen. Das sei bisher – vor allem in der katholischen Kirche in Deutschland im Gegensatz zu Österreich – nicht erfolgt. "Sie hat zu wenig die Perspektive der Geschädigten und Betroffenen eingenommen, das war der Hauptfehler bei der bisherigen Aufarbeitung." Vielmehr sei es vielerorts darum gegangen, "ja keinen Skandal und keinen öffentlichen Aufruhr daraus zu machen".

Daher müsse sich die Kirche in Deutschland "wie seinerzeit in Österreich einer unabhängigen Kommission unterwerfen. Ohne Wenn und Aber", so der Theologe in Anspielung auf die in Österreich seit 2010 bestehende Unabhängige Opferschutzkommission. Ansonsten sei eine Korrektur nicht möglich. Die Kirche habe zu beweisen, dass sie auch tut, was sie sagt, und Strukturen ändern. Betroffene Kardinäle und Bischöfe sollten zurücktreten. "Nicht nur ihren Rücktritt anbieten, sondern gehen. Sie können nicht mehr behaupten, es gibt keine systemischen Probleme."

Zugespitzte Debatte sei selbstverständlich

Als selbstverständlich bewertet Siebenrock die zugespitzte öffentliche Debatte um Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.: "Er hat geschummelt, was seine Teilnahme an einer Ordinariatssitzung im Jahr 1980 betrifft, die er zuerst verneint hat." Er solle jetzt sein Gewissen erforschen und die Tatsachen auf den Tisch legen.

Durch sein Vorgehen schwäche Benedikt auch den amtierenden Papst Franziskus, zeigte sich der Professor für Systematische Theologie überzeugt. "Franziskus muss deshalb klar Stellung beziehen." Dabei sei klarzustellen, wer die verantwortliche Person in Rom sei, weil Benedikt sein Versprechen nicht eingehalten habe, dass er nach seinem Rückzug 2013 nur noch schweigen und beten werde.

In den vergangenen Tagen hatten Aussagen des früheren Papstes zum Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München-Freising für viel Kritik gesorgt. Das Gutachten wirft ihm in seiner Amtszeit als Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger (1977-1982) Fehlverhalten in vier Fällen vor. Benedikt XVI. bestreitet dies. Am Montag korrigierte er zudem seine Angabe, er habe als Erzbischof an einer wichtigen Sitzung nicht teilgenommen, in der es um den Einsatz eines Missbrauchspriesters aus dem Bistum Essen in Bayern ging. Mehrere deutsche Bischöfe riefen Benedikt zu einer weiteren Reaktion auf. Der emeritierte Papst hatte bereits ankündigen lassen, dass er eine ausführliche Stellungnahme angeben will. (mal/KNA)