Verteidigung auch aus seinem Geburtsort Marktl

Unterstützung für Benedikt XVI. von italienischen Kardinälen

Veröffentlicht am 10.02.2022 um 15:30 Uhr – Lesedauer: 

Mailand/Turin ‐ Joseph Ratzinger sei ein Mann im Dienst der Wahrheit, und es sei absurd zu behaupten, er habe gelogen, um sich zu verteidigen: Zwei Kardinäle und ein Erzbischof aus Italien verteidigen Benedikt XVI. – Unterstützung kommt aber auch aus Marktl am Inn.

  • Teilen:

Hochrangige italienische Kirchenvertreter haben Benedikt XVI. und sein Schreiben zum Münchner Missbrauchsgutachten verteidigt. Ratzingers Brief sei ein Wendepunkt, sagte der Erzbischof von Bologna, Kardinal Matteo Zuppi, der Zeitung "La Stampa" (Donnerstag). Die Bitte um Vergebung für das Versagen, das Zeigen von Schmerz und tiefer Scham, erteile eine Lektion in Demut und Verantwortung und beweise Mut, so der 66-Jährige, der Papst Franziskus nahe steht.

Zuppi lobte die Offenheit des emeritierten Papstes und den "edlen, geistlichen und menschlichen Text". Dass der Brief einen Schatten auf Benedikt als Papst und Person werfe, glaube er nicht. Im Gegenteil sehe er mit diesem Eingeständnis dessen Autorität als Mensch, Priester, Bischof und emeritierter Papst gestärkt.

Auch Mailands früherer Erzbischof, Kardinal Angelo Scola, lobte den Brief von Benedikt XVI. in einem Interview von "La Repubblica". Dieser habe ihm wieder bestätigt, dass Ratzinger ein Mann sei, der sich im Dienst der Wahrheit sehe. Es sei absurd zu behaupten, er habe gelogen, um sich zu verteidigen. Für Scola ist der "tiefgründige Brief" mit der Übernahme der Verantwortung für jedes Mitglied der Kirche ein "überwältigendes Zeugnis in einer Zeit des Individualismus".

Dokument "eines großen Gläubigen und eines großen Humanisten"

Ähnlich positionierte sich der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia. Der Brief sei das Dokument "eines großen Gläubigen und eines großen Humanisten", sagte Paglia am Donnerstag dem italienischen Nachrichtensender Radio 24. Benedikt sei ein Beispiel für die ganze Kirche, aber auch für die ganze Gesellschaft, denn Gewalt gegen Kinder betreffe alle Institutionen der Gesellschaft.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hatte sich in einem am Dienstag veröffentlichte Brief erneut zum Münchner Missbrauchsgutachten geäußert. Darin entschuldigt er sich bei den Betroffenen und drückt seine "tiefe Scham" und seinen "großen Schmerz" aus. Zugleich wehrt sich der frühere Papst gegen den Vorwurf, als Erzbischof von München (1977-1982) Missbrauchsfälle aktiv vertuscht zu haben.

Bild: ©picture alliance/imageBROKER

Das Geburtshaus von Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. (2005-2013), im oberbayerischen Marktl am Inn.

er Theologische Leiter des Geburtshauses von Benedikt XVI. in Marktl am Inn, Franz Haringer, eine "vorurteilsfreie" Lektüre der jüngsten Stellungnahme des emeritierten Kirchenoberhaupts. "Gegenüber den oft harschen und vorschnellen Urteilen der letzten Tage, die sich auf unbewiesene Schlussfolgerungen stützten, kann Benedikt XVI. nur auf sein vor Gott geprüftes Gewissen verweisen", sagte Haringer der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag auf Anfrage. Das sei wenig in den Augen der Welt, "aber entscheidend für einen Mann des Glaubens, der sich als 'Mitarbeiter der Wahrheit' verstanden hat und weiter versteht".

Die Worte des emeritierten Papstes bezeichnete Haringer als "menschlich und geistlich tief bewegend". So spreche Benedikt davon, dass er im Angesicht Gottes sein Gewissen erforscht habe. Erneut drücke er zugleich den vom Missbrauch Geschädigten seine Nähe und sein tiefes Mitgefühl aus, "bekundet seinen Schmerz und seine Scham und bittet sie um Verzeihung, wie er das ja auch als Papst mehrmals getan hat".

"Keine Zweifel" an Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit

Haringer betonte: "An der Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit von Benedikt XVI. bestehen für mich nach wie vor keine Zweifel." Im Geburtshaus werde man deshalb weiter seinen Lebensweg "schlicht und würdig vorstellen". So sollen die Besucher auch in Zukunft mit den Fragen des Glaubens in Berührung kommen und so auch über ihre eigene Herkunft und Zukunft nachdenken können. Das von einer Stiftung erworbene Geburtshaus von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. ist seit 2007 öffentlich zugänglich.

Joseph Ratzinger kam in Marktl am Inn am 16. April 1927 als drittes Kind des Gendarmen Joseph und seiner Frau Maria zur Welt. Sein 95. Geburtstag in diesem Jahr fällt laut Haringer wie 1927 auf den Karsamstag: "Wir begehen diesen Tag wie gewohnt: 4:15 Uhr Morgenlob im Geburtszimmer, anschließend Tauferinnerung am Taufstein in der Pfarrkirche." Ratzinger war gut vier Stunden nach seiner Geburt auf den Namen Joseph Aloisius getauft worden.

Das Geburtshaus öffnet am Ostermontag (18. April) wieder seine Tore bis zum 4. Oktober. Vom 24. April bis 4. Oktober ist unter dem Titel "Von Gesicht zu Gesicht" die zweite Sonderausstellung mit Werken des Leipziger Malers und Papst-Porträtisten Michael Triegel zu sehen. (tmg/KNA)