Neue Konzepte sollen Beruf zukunftsfähig machen

Pfarrhaushälterin: Aufhebung von Zölibat würde unsere Arbeit verändern

Veröffentlicht am 16.02.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Pfarrhaushälterin ist die gute Seele des Pfarrhauses. Sie führt nicht nur den Haushalt eines Geistlichen, sondern ist auch eine wichtige Kontaktperson für Gemeindemitglieder. Im katholisch.de-Interview erzählt Pfarrhaushälterin Irmgard Schwermann von den Veränderungen in ihrem Beruf.

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Viele Priester führen heutzutage ihren Haushalt selbstständig. Doch es gibt sie noch, die Pfarrhaushälterin, die sich um das Heim des Pfarrers kümmert und dabei für viele Menschen, die pastorale Angebote wahrnehmen wollen, zur ersten Ansprechperson wird. Irmgard Schwermann ist Mitglied im Vorstand des Bundesverbands der Pfarrhaushälterinnen und Teilnehmerin des Synodalen Wegs. In der Synodalversammlung und im Priester-Forum bringt Sie den Blick Ihres Berufsstandes auf die Kirche, die Seelsorge und die Arbeitsbedingungen von Priestern ein. Im Interview erzählt die in Grefrath am Niederrhein lebende Schwermann, von den Beratungen bei der dritten Synodalversammlung und wie sie sich die Zukunft ihres Berufs vorstellt.

Frage: Frau Schwermann, Sie sind Mitglied der Synodalversammlung. Wie blicken Sie auf den Synodalen Weg?

Schwermann: Ich hätte es im Vorfeld der Synodalversammlung nicht für möglich gehalten, dass viele Entscheidungen von den Teilnehmern mit derart großer Mehrheit beschlossen werden. Aber ich glaube, durch die Erschütterungen in den vergangenen Wochen durch das Münchener Missbrauchsgutachten und die Aktion "#OutInChurch" haben alle gemerkt, dass sich in unserer Kirche etwas tun muss. Kritikern des Synodalen Wegs, die mich in der Vergangenheit immer wieder gefragt haben, was der Reformprozess eigentlich soll, entgegne ich, dass es ein guter Weg ist. Sie sollen mir auch bitte einen besseren nennen. Aber natürlich ist der weltweite synodale Prozess, den Papst Franziskus angestoßen hat, ein weiterer wichtiger Schritt für unsere Kirche. Wir haben in Deutschland nun einmal eher angefangen, weil wir auch durch die Veröffentlichung der MHG-Studie über den kirchlichen Missbrauchsskandal vor vier Jahren wachgerüttelt wurden. Mir ist am wichtigsten, dass die Betroffenen gesehen und ihr Leid anerkannt wird. Ein untergeordnetes Ziel ist es, wieder Vertrauen in die Kirche herzustellen. Die hohen Austrittszahlen sprechen da leider eine sehr deutliche Sprache. Es tut mir sehr weh, wie sich die Situation entwickelt hat.

Frage: Aufgrund Ihrer Arbeit als Pfarrhaushälterin sind Sie intensiv mit Priestern in Kontakt. Ist Ihnen das Thema "Priesterliche Existenz" beim Synodalen Weg besonders wichtig?

Schwermann: Ich bin Mitglied im Forum "Priesterliche Existenz heute" und ich habe mich dafür beworben, weil mein Berufsstand am nächsten an den Priestern dran ist. Wir bekommen ihren Alltag mit und wie sie mit Freude ihren Dienst tun. Aber wir bekommen auch mit, wie diese Freude durch den Alltag ernüchtert wird, der sie teils auffrisst. Und wenn die Priester älter werden, bekommen sie wegen des Priestermangels immer mehr Aufgaben, bevor sie mit frühestens 70 Jahren in den Ruhestand gehen. Als Pfarrhaushälterinnen versuchen wir natürlich, das aufzufangen und die Geistlichen in ihrer Arbeit zu unterstützen, indem wir Ihnen hauswirtschaftliche Tätigkeiten abnehmen. So haben sie mehr Zeit für die Seelsorge. Ich wünsche mir vom Synodalen Weg sehr, dass wir den Priestern und allen pastoralen Mitarbeitenden die Wertschätzung der gesamten Kirche aussprechen und sie mehr unterstützen. Ein besonderes Augenmerk sollten wir auf pensionierte Priester legen, denn von denen höre ich oft, dass sie sich mit Eintritt in den Ruhestand nicht mehr gebraucht und manchmal auch von ihrer Diözese allein gelassen fühlen. Sie haben ihr ganzes Leben in den Dienst der Kirche gestellt und es wäre daher mehr als anständig, wenn man sich auch angemessen um sie kümmern würde. Es gibt in einigen Bistümern gute Konzepte dafür.

Frage: Wie sollte die Kirche die von Ihnen angezeigten Probleme im Zusammenhang mit dem Priesterberuf angehen?

Schwermann: Früher wurden die Priester von ihren Gemeinden getragen, was leider oftmals ein überhöhtes Priesterbild gefördert hat. Heute herrscht genau die gegenteilige Situation: Sie werden ständig kritisiert und ihre Lebensform hinterfragt. Da wünsche ich mir, dass es mehr öffentliche Anerkennung und Unterstützung für Priester gibt. Das soll nicht bedeuten, die von Priestern verübten Missbrauchstaten zu verharmlosen. Auch die Priester wissen, dass von ihren Mitbrüdern großes Leid ausging. Sie sind von ihren Mitbrüdern genauso enttäuscht – es macht sie wütend und fassungslos.

Irmgard Schwermann
Bild: ©katholisch.de

Irmgard Schwermann ist Mitglied des Vorstands des Bundesverbands der Pfarrhaushälterinnen Deutschlands. Sie wurde 1963 geboren und arbeitet in Grefrath an Niederrhein.

Frage: Priester werden inner- und außerhalb der Kirche angefragt und zudem ersticken sie aufgrund des Priestermangels oft in Arbeit. Werden die Geistlichen in dieser Gemengelage aufgerieben?

Schwermann: Mittlerweise fehlt ja oft auch die Kultur, dass man sich unter den Mitbrüdern austauschen kann. Früher wohnten drei oder vier Priester in einer Gemeinde, die zusammen ihre Mahlzeiten eingenommen haben, miteinander das Leben teilten und Konveniat hielten. Das ist einfach nicht mehr da. In vielen Bistümern sind wir auf einem guten Weg, denn Verwaltungsaufgaben werden vielen Priestern schon abgenommen. Zukünftig müssen weitere Laien die nichtpriesterlichen Leitungsaufgaben in den Pfarrgemeinden übernehmen. Aber es wäre sehr schade, wenn Priester zukünftig nur noch Sakramentenspender wären, denn die meisten wollen als Seelsorger tätig sein. Darauf muss der Fokus gelegt werden. Das habe ich auch während der Flut gemerkt, die vergangenen Sommer einige Gebiete in Deutschland heimgesucht hat. In der Hilfe und der Seelsorge für die Betroffenen der Flut hat sich Kirche so gezeigt, wie sie sein sollte und Priester traten als großartige Seelsorger in Erscheinung. Das müssen wir als Kirche auch im Alltag hinbekommen.

Frage: Einsamkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, aber betrifft besonders auch Priester im Ruhestand. Wie nehmen Sie diese Problematik wahr?

Schwermann: Das ist in der Tat ein wichtiges Thema für Priester, denn aufgrund des Zölibats haben sie keine Frau und keine Nachkommenschaft. Daher besteht im Alter die Gefahr, dass niemand da ist, der sich um sie kümmert. Natürlich ist es sinnvoll mit Blick aufs Alter Freundschaften und Kontakte zu pflegen. Doch ältere Priester berichten mir, wie problematisch es im Ruhestand ist, Freunde und Bekannte zu finden, wenn man versäumt hat, sich vorher darum zu kümmern. Zudem ist es sehr schwierig, sich in der Gemeinde einen Freundeskreis aufzubauen. Einerseits wegen der vielen Umzüge im Berufsleben eines Priesters, andererseits aufgrund der Neiddebatte unter einigen Gläubigen. Da geht es dann darum, wer den Pfarrer besser kennt oder ihm näher steht. Die Bistümer müssen sich um die alten Priester kümmern und es gibt gute Konzepte. So wurde eine ehemalige Kollegin von mir im Bistum Augsburg, deren Pfarrer in Pension gegangen war, als Sozialarbeiterin für die Ruhestandspriester eingestellt. Es müsste mehr von solchen Initiativen geben.

Frage: Beim Synodalen Weg wird auch über die Ehelosigkeit der Priester gesprochen. Wie blicken Sie als Pfarrhaushälterin auf dieses Thema?

Schwermann: Ich bin sehr froh, dass die Synodalversammlung sich mit dem Zölibat beschäftigt und auch einen Beschluss dazu in erster Lesung gefasst hat. Durch den Zölibat verschwendet die Kirche viele Priester-Talente. Ohne die verpflichtende Ehelosigkeit könnte man auch andere Männer für das Dasein als Priester begeistern. Es ist manchmal sehr tragisch und traurig, was im Leben von Männern passiert, die den Priesterberuf wegen des Zölibats aufgegeben haben. Ich habe mit meiner Arbeit das Leben eines Priesters unterstützt, der zölibatär lebt, und für den diese Lebensform in Ordnung ist. Ich finde aber auch, dass wir Priester mit Familie, wenn es sie in Zukunft geben sollte – wofür sich der Synodale Weg ausgesprochen hat – unbedingt begleiten sollten. Dazu müssen Konzepte entwickelt werden. Für Pfarrhaushälterin ist immer klar, dass der Dienst des Priesters vorgeht. Wäre ich aber Ehefrau und Mutter, hätte ich da wahrscheinlich eine andere Einstellung.

Frage: Wie würde sich die Aufhebung des Zölibats auf Ihren Beruf auswirken?

Schwermann: Natürlich würde sich da sehr viel ändern. Ich glaube aber, dass unsere Arbeit immer noch sehr gefragt wäre. Unser Verband entwickelt derzeit Zukunftsperspektiven für den Beruf der Pfarrhaushälterin. Das ist sehr wichtig, denn unser Berufsstand ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Kontaktpunkt zwischen den Gläubigen der Kirchengemeinde und den Seelsorgern. Das ist heute vielleicht sogar noch wichtiger als früher. Da es seit einigen Jahren den Trend gibt, dass zölibatäre Priester verstärkt in kleinen Gemeinschaften zusammenleben, hätten wir dort sicher auch eine Zukunft. Wir könnten diese größeren Haushalte führen und etwa gemeinsame Mittagstische für das Pastoralteam anbieten. Solche Konzepte entwickeln wir gerade. Nichtsdestotrotz weiß ich natürlich, dass unser Beruf heutzutage exotisch ist. Da habe ich einen sehr realistischen Blick.

Bild: ©Janina Mogendorf

Umzüge gehören zum Beruf dazu: Noch vor einigen Jahren lebte Irmgard Schwermann als Pfarrhaushälterin in Bad Honnef.

Frage: Sind Pfarrhaushälterinnen ein aussterbender Berufsstand?

Schwermann: Diplomatisch ausgedrückt: Unser Beruf ist in einem Wandel. (lacht) Wahrscheinlich gehören wir auf die rote Liste der bedrohten Berufe.

Frage: Sie sind Kontaktpersonen zwischen Pfarrhaus und Kirchengemeinde. Wie äußert sich das im Alltag?

Schwermann: Wenn man schon länger in einer Pfarrei ist, kann man meist nicht mehr zum Einkaufen gehen, ohne dass man auch nach Informationen über pastorale Angebote gefragt wird, wie etwa, wann die Messe am Sonntag stattfindet. Oft sind es banale Fragen, aber als Pfarrhaushälterin leistet man auch selbst ein wenig Seelsorge, wenn man zum Beispiel mit den Angehörigen eines gerade Verstorbenen spricht und ihnen Trost spendet. Dann kann man nachher auch den Pfarrer darauf aufmerksam machen, dass es dieser Person nicht gut geht. Ein weiteres Beispiel ist die Messdienerschaft, die sich bei mir den Schlüssel zur Kirche abholt und vielleicht auch das Gespräch sucht. Hier leisten wir Haushälterinnen eine wichtige Arbeit, die von der Amtskirche oft gar nicht gesehen wird. Aus diesen Gründen wünsche ich mir manchmal, dass wir als Kontaktpersonen vielleicht ein anderes Modell aus unserem Beruf entwickeln, eventuell mit einer anderen Bezeichnung.

Frage: Bei den Pfarrsekretärinnen ist es ähnlich, denn sie sind für viele Menschen oft die ersten Ansprechpartner in der Kirchengemeinde.

Schwermann: Ja, das stimmt. Pfarrsekretärinnen sind ein wichtiger Berufsstand, aber wir Pfarrhaushälterinnen sind oft rund um die Uhr für Menschen da, die Seelsorgeangebote suchen. Viele meiner Kolleginnen haben meist keine feste Arbeitszeit und sind fast immer ansprechbar. Früher gab es Seelsorgshelferinnen, eine ähnliche Bezeichnung könnte ich mir für die Pfarrhaushälterin der Zukunft vorstellen. Denn wir unterstützen die Seelsorge meiner Ansicht nach in einem großen Umfang.

Frage: Gibt es eigentlich auch Männer als Pfarrhaushälter?

Schwermann: In fast jeder Diözese haben wir zwei Männer als Mitglieder unseres Verbands. Meistens kommen sie aber nicht zu unseren Treffen. (lacht) Aber wir sind sehr froh, dass sie im Rahmen der Emanzipation gibt. Auch bei unserer Zukunftsorientierung nehmen wir die Männer in unserem Beruf verstärkt in den Blick.

Von Roland Müller