"Ich bin kein Co-Pfarrer"
Seit dreißig Jahren arbeitet sie mit Pfarrer Heiner Gather zusammen, zog mit ihm über vier Dienststellen hinweg durch halb Deutschland. Bereits mit 21 Jahren entschied sich die junge Einzelhändlerin aus Bad Münstereifel, ihre Stelle in einer Buchhandlung gegen das Pfarrhaus einzutauschen. Sie folgte dem ehemaligen Kaplan ihrer Gemeinde und Freund der Familie ins 300 Kilometer entfernte Lingen an der Ems. "Ich habe das damals unter Vorbehalt gemacht", erinnert sie sich. "Ich dachte mir, wenn es klappt ist es gut. Wenn nicht, dann gehe ich wieder zurück."
Heute ist Irmgard Schwermann 51. Ihre Entscheidung hat sie nicht bereut und über die Jahre ist ihr Beruf für sie zur Berufung geworden. Sie ist der gute Geist im Pfarrhaus, beantwortet Anfragen, beruhigt nervöse Bräute am Telefon. Sie bedient Helfer, die am Tag des Pfarrfestes morgens um acht auf der Matte stehen, weil sie den Schlüssel fürs Pfarrheim brauchen. Sie kümmert sich um den Haushalt, das Essen, die Gäste, die zu Besuch kommen und sie weiß, was sie tut, denn mit Ende zwanzig hat sie berufsbegleitend eine Ausbildung zur Hauswirtschaftsmeisterin absolviert.
Keine verschlossenen Türen
Die Haushälterin ist da, wenn der Pfarrer es nicht sein kann, weil er im Pfarrverband unterwegs ist, der in Bad Honnef vier Gemeinden umfasst. "Der Pfarrer ist die Hälfte der Zeit nicht im Pfarrhaus anzutreffen", sagt Irmgard Schwermann und trotzdem steht hier niemand vor verschlossenen Türen. Als Co-Pfarrer will sich die zupackende und lebhafte Frau aber keinesfalls verstanden wissen. "Es ist mir wichtig, im Hintergrund zu unterstützen, aber es gibt Bereiche, wie etwa die Pastoral oder die Liturgie, da mische ich mich nicht ein."
Dafür engagiert sie sich in der Gemeinde, bietet Kochkurse für Jugendliche an, organisiert den Blumendienst für die Kirche und arbeitet in der Bücherei mit. "Wie sich die Arbeit der Pfarrhaushälterin gestaltet, hängt von der Aufgabe des Pfarrers ab, aber auch von der Gemeinde selbst", sagt sie. In Oldenburg etwa, lebt sie Ende der 80er Jahre mitten in der Diaspora. "Eine tolle Erfahrung. Die Menschen haben mich dort als Irmgard Schwermann und nicht nur als Haushälterin vom Pfarrer wahrgenommen." Während Pfarrer Gather dort als Militärdekan unterwegs ist, hilft bei der Firmkatechese und baut einen Frauentreff auf.
Als es vier Jahre später zurück ins Rheinland geht, fällt ihr der Abschied schwer. In Pulheim bei Köln muss sie sich in eine neue Rolle einfinden. "Dort war ich in erster Linie 'die Haushälterin'. Ich glaube, die meisten wussten nach dreizehn Jahren noch nicht, wie ich mit Nachnamen heiße", sagt sie. 21 Jahre ist sie bei Pfarrer Gather, als der vorerst letzte Umzug ansteht. "Ich habe vor jedem Wechsel das Für und Wider mit ihm besprochen, aber die Entscheidung wann und wohin hat ganz klar der Pastor." Und der wählt zuletzt Sankt Aegidius - auch wegen seiner Haushälterin.
Zur Person
Irmgard Schwermann wurde 1963 in Bad Münstereifel geboren und schloss zunächst eine Einzelhandelslehre in einer Buchhandlung ab, bevor sie mit 21 Jahren Pfarrhaushälterin wurde. Später absolvierte sie eine Ausbildung zur Hauswirtschaftsmeisterin. Heute lebt und arbeitet sie im Pfarrhaus Sankt Aegidius in Bad Honnef. Irmgard Schwermann ist Vorsitzende der Berufsgemeinschaft der Pfarrhaushälterinnen im Erzbistum Köln und Mitglied im ZdK."Eigentlich wäre er gerne in seine alte Heimat Richtung Neuss gezogen, aber dort hätte es keinen Platz für mich im Pfarrhaus gegeben. In vielen Pfarrhäusern ist heute kein Platz mehr für eine Haushälterin." Und so wird es Bad Honnef, wo Irmgard Schwermann eine Einliegerwohnung im ersten Stock bezieht: Wohnraum, Schlafzimmer und Bad. Die Küche und das Wohnzimmer im Erdgeschoss werden geteilt. Besonders freut sich Irmgard Schwermann, wenn Kinder aus der Gemeinde ins Haus kommen. "Sie stellen dann Fragen, wie 'Bist du die Dienerin vom Pfarrer oder bist du seine Frau?'", schmunzelt sie.
"Ich wollte eine große Familie"
Ob sie gerne eigene Kinder gehabt hätte? "Ja, durchaus", sagt sie nachdenklich. "Als junges Mädchen habe ich immer gedacht, ich heirate und werde Mutter von sieben Kindern." Heute hat sie neun Nichten und Neffen, die einmal im Jahr gemeinsam im Pfarrhaus übernachten. "Als meine Geschwister Kinder bekommen haben, musste ich schon schlucken", gesteht sie. Gelegenheit, eine Familie zu gründen, habe es gegeben und vielleicht hätte es sich auch mit ihrem Beruf verbinden lassen. "Aber offensichtlich war ich nicht bereit dafür. Der Glaube und der kirchliche Dienst sind mein Fundament und ich bin glücklich damit."
Trotzdem hat die Stellung als Pfarrhaushälterin auch ihre Schattenseiten. "Man ist mit vielen Vorurteilen konfrontiert", sagt sie und zählt auf: "Da gibt es die grantige Haushälterin, die wie ein Wachhund den Pastor abschirmt. Oder die faule Haushälterin, die sich für den Haushalt zu schade ist und eine Putzfrau kommen lässt. Oder die Haushälterin, die im Pfarrhaus die Hosen anhat und eigentlich selbst Pastor ist." Am hartnäckigsten aber hält sich das Klischee von der Haushälterin, die eigentlich die Geliebte des Pfarrers ist.
"Ich habe da lange mit gerungen. Als ich als junge Frau das erste Mal mit diesem Vorwurf konfrontiert wurde, konnte ich gar nicht damit umgehen. Es hat mich sehr verletzt." Viele Jahre später sitzt sie in einer Veranstaltung des Mannheimer Katholikentags. Ein Zuhörer fragt, warum der Zölibat nicht abgeschafft werde, dann bräuchten Priester ihre Geliebte nicht mehr als Haushälterin einzustellen. Der ganze Saal lacht. Irmgard Schwermann aber sitzt im Publikum und ihre Hände zittern so sehr, dass sie keine Gegenfrage zu Papier bringt.
"Auch wenn es diese Fälle gibt, ziehen solche pauschalen Vorurteile den Dienst, den wir hier tun, in den Schmutz", sagt sie bewegt. Pfarrer und Haushälterinnen würden ständig bezichtigt, eine Lüge zu leben. Einige Zeit nach der Podiumsdiskussion, meldet sich Irmgard Schwermann, selbst Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in der Vollversammlung des ZdKs zu Wort und bittet um mehr Wertschätzung für Pfarrer und Pfarrhaushälterinnen. Mehr Wertschätzung und eine bessere Wahrnehmung! Darum geht es ihr auch als Vorsitzende der Berufsgemeinschaft der Pfarrhaushälterinnen im Erzbistum Köln.
Pfarrhaushälterinnen sind kein Luxus
Etwa beim Thema Gehalt und Absicherung im Alter. Anders als in den bayerischen Bistümern haben Pfarrhaushälterinnen im Erzbistum Köln keinen Tarifvertrag. Sie erhalten von ihren dienstgebenden Pfarrern, ein Mindestgehalt von 1.689 Euro für eine Vollzeitstelle. Das Erzbistum übernimmt 65 Prozent. Viele Priester beschäftigen, wenn überhaupt, nur noch Teilzeitkräfte, die stundenweise ins Haus kommen. Gerade sie sind bei diesem Gehalt von Altersarmut bedroht. Deshalb setzt sich Irmgard Schwermann für eine private Zusatzversorgung Teilzeitkräfte ein. "Das ist mir wirklich eine Herzensangelegenheit".
Was sollte eine Pfarrhaushälterin für ihren Beruf mitbringen?
Wer Pfarrhaushälterin werden will, sollte eine abgeschlossene Berufsausbildung, ein gutes Allgemeinwissen und hauswirtschaftliche Fähigkeiten mitbringen. Die Haushälterin im Pfarrhaus braucht eine hohe Sozialkompetenz, da sie mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun hat. Die Bereitschaft zu flexiblen Arbeitszeiten und selbstständigem Arbeiten ist ebenso Voraussetzung, wie Diskretion und die Akzeptanz der priesterlichen Lebensweise. Eine Beheimatung in der katholischen Kirche ist erwünscht. Flexibilität, Kreativität und ein gutes Selbstbewusstsein erleichtern den Berufsalltag. - Übrigens: Das Wappentier der Berufsgemeinschaft der Pfarrhaushälterin ist die Schildkröte. Der Panzer symbolisiert die dicke Haut, die Pfarrhaushälterinnen häufig in der Ausübung ihres Berufes benötigen.Andererseits geht es der Berufsgemeinschaft um den Erhalt des Berufes. Ohnehin verzichteten viele Geistliche heute auf eine Haushälterin und seit den Vorfällen im Bistum Limburg sei man um einen bescheidenen Lebensstil bemüht. "Ortsbischöfe betonen öffentlich, dass sie auf eine Haushälterin verzichten", so Irmgard Schwermann. Diese seien jedoch kein persönlicher Luxus des Pfarrers.
"Natürlich können Priester selbst kochen und waschen, aber es geht ja um viel mehr: Das Haus des Pfarrers ist zugleich das Haus der Gemeinde." Hier verschmelzen Privatleben und Berufsleben, denn Seelsorge ist niemals ein Nine-to-Five-Job. "Die Haushälterin leistet ihren kirchlichen Dienst, damit der Pfarrer seinen gut machen kann."
Eine aktuelle Studie des Münchener Jesuitenpaters Eckhard Frick ergibt zudem, dass Seelsorger, die in eine Wohngemeinschaft leben, wesentlich zufriedener sind, als allein Lebende. Im Pfarrhaus Sankt Aegidius gehören das gemeinsame Mittagessen und menschliche Gespräche zum Alltag. "Das ist uns wichtig", sagt Irmgard Schwermann und berichtet von einer Kollegin, die ihren an Demenz erkrankten Pfarrer bis zum Tode pflegte. "Zölibat bedeutet ja nicht, auf Freundschaft verzichten zu müssen. Auch wenn man nicht in einer Beziehung lebt, kann man einander tief verbunden sein."