Bald zehntes Jahr als Papst: Fünf wichtige Aufgaben für Franziskus
Am Donnerstag eröffnete der Papst ein mehrtägiges Symposium über "eine Fundamentaltheologie des Priestertums". Statt eines theologisch-systematischen Vortrags wolle er mit den Teilnehmern "einige Dinge teilen, die zu erkennen mir Gott in den über 50 Jahren meines Priesterseins geholfen hat", begann Franziskus. Es könne durchaus sein, dass diese Gedanken der "Schwanengesang" seines eigenen priesterlichen Lebens seien, gestand er.
Klar, Franziskus weiß um sein Alter. Auch wenn er die Darm-Operation vom Juli vergangenen Jahres gut überstanden hat, sind ihm seine nachlassenden Kräfte bewusst – nicht nur, was Knie und Hüfte angeht. Bei dem Symposium, das der für Bischöfe zuständige Kurienkardinal Marc Ouellet von langer Hand vorbereitet hat, gab sich Jorge Bergoglio wieder einmal als der "Pfarrer-Papst". Und legte katholischen Geistlichen vier Aspekte von Nähe ans Herz: zu Gott, zu den Menschen, zum Bischof und zu anderen Priestern.
In der Pandemie konnte Seelsorger-Pontifex zulegen
"Vicinanza" – "Nähe" – war zuletzt eines der Schlüsselwörter im Pontifikat des Argentiniers. Sie ist wohl auch einer der Gründe, weshalb gerade Franziskus nach wie vor beliebt ist und Vertrauen genießt. Bei keinem seiner beiden unmittelbaren Vorgänger unterschieden sich Vertrauen in Papst und die Kirche allgemein so sehr wie bei Franziskus – besonders in Italien.
Dort sagten 88 Prozent der Befragten 2013, sie hätten Vertrauen in Franziskus – in die Kirche nur 54 Prozent. Zwar sanken im Jahr 2019 die Werte, doch im Sommer 2021 stiegen sie wieder. Selbst unter nicht praktizierenden Katholiken hatte noch gut die Hälfte großes Vertrauen in Franziskus, in die Kirche nur elf Prozent. In der Pandemie konnte der Seelsorger-Pontifex also deutlich zulegen.
Papst: Zölibat soll bleiben – Freundschaften unter Priestern helfen
Was ist für die priesterliche Existenz heute von Bedeutung? Laut Papst Franziskus gehört eine offene und ehrliche Beziehung zum eigenen Bischof sowie Nähe und Gemeinschaft mit anderen Priestern dazu. Dann gelinge auch das zölibatäre Leben.
Zum Vergleich: Bei Benedikt XVI. lagen beide Werte viel näher beieinander und schwankten zwischen 44 und 54 Prozent. 2003, im vorletzten vollen Amtsjahr von Johannes Paul II., genoss dieser 77 Prozent Zutrauen, die Kirche allgemein noch 63 Prozent. Gleichwohl nimmt auch Franziskus' Beliebtheit bei nicht praktizierenden Gläubigen und jüngeren Menschen ab.
In anderen Teilen der Welt schwanken die Werte von Meinungsumfragen durch die Jahre etwas, oft in Korrelation mit der öffentlichen Thematisierung von Missbrauch. In Lateinamerika, vor allem seiner Heimat Argentinien, scheint sich ein gewisses Desinteresse breit zu machen. Inzwischen ist Franziskus dort "der Bischof vom anderen Ende der Welt".
Franziskus ist nicht liberal, er ist radikal
Zwar haben vor allem US-amerikanische katholische Medien über Franziskus' Einschränkung der Alten Messe breit berichtet, sie scharf kritisiert; doch seine Umfragewerte machen sich eher am Thema Missbrauch fest. Und an der parteipolitischen Affinität: 2018 äußerten sich 90 Prozent demokratischer Parteigänger positiv gegenüber 73 Prozent bei republikaner-nahen US-Bürgern.
In Frankreich hingegen sagte 2018 jeder fünfte praktizierende Katholik, Franziskus sei zu stark reformorientiert; jeder elfte fand ihn zu konservativ. Umgekehrt in Deutschland: Dort sind viele Katholiken – bei aller Sympathie für ihn als Person – enttäuscht vom mangelnden Reformwillen des Papstes. Aber wie Kardinal Walter Kasper seinen Landsleuten mehrfach erklärte: Franziskus ist nicht liberal, er ist radikal.
Radikal heißt für den Jesuiten Bergoglio aber auch: nichts überstürzen. "Manchmal hat man den Eindruck, dass die Kirche langsam ist, und das stimmt auch", sagte der Papst beim Priestersymposium. Er sehe es aber "gerne als die Langsamkeit derer, die sich entschieden haben, geschwisterlich zu gehen", keinen zurückzulassen.
Ein wesentliches Anliegen, weshalb Franziskus mindestens noch bis Ende 2023 Papst sein will, ist die Bischofsvollversammlung der Weltsynode über eine synodale Kirche. Eine stärker synodale Kirche – dies ist wohl das größte Reformanliegen des amtierenden Papstes: eine Kirche, in der Menschen offener aufeinander hören und dabei Gottes Willen besser zu verstehen suchen, in der sie bei aller Unterschiedlichkeit von Kultur, Beruf, Stand, Geschlecht ihre jeweiligen Stärken schätzen, diese einbringen und zugleich an der Einheit festhalten. Sinn und Zweck dieser Reform: die christliche Botschaft überzeugender leben und anderen Menschen nahebringen.
Was steht sonst auf der To-do-liste für das zehnte Pontifikatsjahr des Argentiniers? Die seit Jahren erwartete Konstitution zur Kurienreform könnte irgendwann zwischen Ostern und Mitte Mai kommen. Mehrfach beschwichtigte Franziskus, diese bringe nicht viel Neues; die meisten Veränderungen seien getan. Gleichwohl darf man gespannt sein, ob er nicht eine neue Hierarchie der Vatikanbehörden einzieht. Die von ihm ausgegebene Parole für die Kurie lautet bekanntlich: Dienst an der Evangelisierung. So könnte er auf Jahrzehnte Pflöcke einschlagen.
Päpstliche Reisepläne und Personalia
Päpstliche Reisepläne für 2022 sind noch vage. Anfang April wird der im Mai 2020 abgesagte Malta-Besuch nachgeholt. Die Rede ist von der Demokratischen Republik Kongo und dem Südsudan, wohin Franziskus unter anderem mit dem anglikanischen Ehrenprimas, Erzbischof Justin Welby von Canterbury, reisen will. Und der Libanon – wenn es irgendwie geht. Immerhin war der päpstliche Außenminister, Erzbischof Paul Gallagher, kürzlich in Beirut wie in Juba.
Schließlich Personalia: Das Kardinalskollegium, auch das der Papstwähler, ist in den vergangenen Monaten geschrumpft. Spätestens im Herbst dürfte Franziskus neue Purpurbiretts verteilen und damit langfristige Perspektiven seines Pontifikats unterstreichen. Ähnliches gilt für neue Kurienleiter, die in absehbarer Zeit zu ernennen wären. Zumal dann, wenn einzelne Behörden wie Bildung und Kultur sowie Mission und Neuevangelisierung zusammengelegt werden. Auch die kürzlich leicht neu geordnete Glaubenskongregation könnte mittelfristig einen neuen Leiter erhalten.