Zusammenarbeit zwischen Wochenzeitung und Betroffenenverband

Online-Datenbank zu Missbrauch in Italiens Kirche veröffentlicht

Veröffentlicht am 19.02.2022 um 10:44 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Der Druck auf Italiens Kirche in Sachen Aufarbeitung steigt aktuell. Nun wurde ein Onlinearchiv freigeschaltet, das Missbrauchsfälle dokumentiert – mit dem Ziel, "den gravierenden Mangel bei der Erfassung dieses kriminellen Phänomens zu beheben".

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In Italien ist ein Onlinearchiv zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche des Landes seit Freitag freigeschaltet. Die italienische Wochenzeitung "Left" dokumentiert darin in Zusammenarbeit mit dem Betroffenenverband "Rete l'abuso" bislang 61 Fälle mit 182 Menschen, die von Missbrauch betroffen sind. Die Fälle stammen aus den Jahren zwischen 1993 und 2021.

Viele Täter wurden von staatlichen Gerichten verurteilt oder es laufen Ermittlungen gegen sie. Einige sind gestorben, nur wenige sind unbekannt. Die Delikte betreffen Kindesmissbrauch, Besitz von Kinderpornografie, Kinderprostitution und Anstiftung dazu, schwere sexuelle Nötigung sowie Gewalt gegen Kinder und Frauen. Soweit bekannt sind auch die kirchenrechtlichen Konsequenzen aufgeführt. Die Daten sollen, so die Macher, laufend aktualisiert und erweitert werden. Laut dem verantwortlichen "Left"-Redakteur, Federico Tulli, gibt es mindestens 300 weitere Fälle mit Hunderten Opfern, die in den vergangenen 20 Jahren dokumentiert wurden.

Ziel des Archivs sei es, "den gravierenden Mangel bei der Erfassung dieses kriminellen Phänomens zu beheben, die weder von der Kirche noch vom Staat vorgenommen wurde", sagte Tulli bei der Ankündigung der Datenbank am Dienstag in Rom. Um etwas gegen Kindesmissbrauch tun zu können, müsse vor allem die Öffentlichkeit verstehen, was Pädophilie ist und wo die Ursachen liegen – nicht nur in der Kirche, sondern auch in der säkularen Gesellschaft, schloss der Redakteur.

Zusammenschluss soll Druck erhöhen

Schon lange fordern Betroffene in Italien eine unabhängige Kommission zur Untersuchung von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche. Am Dienstag schlossen sich neun Verbände zusammen, um mit der Kampagne "Gegen das große Schweigen – #ItalyChurchToo" den Druck auf Kirche und Staat zu erhöhen.

Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, und andere Bischöfe erklärten in den vergangenen Wochen, die Kirche denke über eine Untersuchung von Missbrauchsfällen in ihren Reihen nach. Zugleich verwies Bassetti auf Unterschiede zwischen Italien und Ländern, in denen es bereits Untersuchungen gab, wie Frankreich und Deutschland. Angefangen bei der Anzahl der Bistümer. In Italien sind es rund 220, in Deutschland 27.

Erzbischof Vincenzo Paglia, Vorsitzender der Päpstlichen Akademie für das Leben, sprach sich gegen die von den Verbänden geforderte externe Kommission aus; die Kirche könne dies selbst. Das sehen die Betroffenen anders. "Eine kirchliche Kommission, und sei sie noch so perfekt, ist nicht mehr glaubwürdig. Es wird eine unabhängige Kommission benötigt, um Unparteilichkeit zu gewährleisten. Der Angeklagte kann nicht gleichzeitig Richter sein", so der Vorsitzende von "Rete l'abuso", Francesco Zanardi. Eine Entscheidung zu einer Untersuchung der Kirche, ob intern oder extern, ist bisher nicht gefallen. (KNA)