Von Adveniat bis ZdK: Katholische Gruppen machen Lobbyarbeit in Berlin
Wer schon einmal durch das Berliner Regierungsviertel spaziert ist, hat sie sicher gesehen: die vielen blank geputzten Schilder, die an zahlreichen alten und neuen Prachtbauten im Dreieck von Brandenburger Tor, Bahnhof Friedrichstraße und Gendarmenmarkt hängen. Viele dieser Schilder weisen auf Beratungsfirmen, Unternehmensrepräsentanzen und Verbandsbüros hin, die sich hier seit der Jahrtausendwende niedergelassen haben, um Einfluss auf die Politik zu nehmen und eigene – meist wirtschaftliche – Interessen durchzusetzen.
Der Öffentlichkeit blieb das Treiben dieser Lobbyisten bislang weitgehend verborgen. Wer genau in welchem Auftrag in den Abgeordnetenbüros und Ministerien ein- und ausging und welchen Einfluss er oder sie auf die Gesetzgebung hatte – für die Bevölkerung und selbst für manche Abgeordneten und Journalisten war das im Einzelfall kaum nachvollziehbar.
Langer Anlauf für das Lobbyregister
Seit Jahresanfang ist diese Zeit der Intransparenz jedoch zumindest teilweise vorbei. Seither gibt es ein öffentlich einsehbares Lobbyregister, in das sich Interessenvertreter eintragen müssen, die durch ihre Tätigkeit Einfluss auf die Bundespolitik nehmen. Forderungen nach einem solchen Register hatte es schon viele Jahre gegeben, vor allem CDU und CSU hatten sich jedoch lange dagegen gesträubt. Erst als mehrere Unionsabgeordnete im Zuge der Corona-Pandemie viel Geld mit der Vermittlung von Atemschutzmasken verdient hatten und die Aktivitäten des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor für das amerikanische Start-up "Augustus Intelligence" bekannt wurden, änderte sich auch in den Unionsparteien die Stimmungslage.
Konkret müssen Interessenvertreter im neuen Lobbyregister unter anderem ihren Namen und ihre Anschrift angeben sowie ihre Tätigkeit beschreiben. Werden Interessen von Auftraggebern vertreten, müssen auch zu deren Identitäten Angaben hinterlegt werden. Weiter müssen die Anzahl der Beschäftigten in der Interessenvertretung in Stufen von jeweils zehn Personen sowie Daten zu den jährlichen finanziellen Aufwendungen in diesem Bereich in Stufen von jeweils 10.000 Euro offengelegt werden.
„Wollen Sie ernsthaft sagen, wenn es um soziale Fragen geht, und die Kirchen dann Ihre Interessen vertreten, dass diese das anders machen als andere Lobbyisten?“
Allerdings: Trotz der vielen Daten liefert auch das Lobbyregister keine völlige Transparenz. Denn die Pflicht zur Eintragung in das vom Bundestag verwaltete Register gilt nicht für alle Interessenvertreter im Berliner Regierungsviertel. Zwar heißt es im dazugehörigen Gesetz, das vor einem Jahr noch mit den Stimmen der damals regierenden Großen Koalition beschlossen wurde, dass sich Interessenvertreter dann verpflichtend in das Register eintragen müssen, wenn sie ihre Tätigkeit regelmäßig und geschäftsmäßig für Dritte betreiben, die Tätigkeit auf Dauer angelegt ist und "innerhalb der jeweils letzten drei Monate mehr als 50 unterschiedliche Interessenvertretungskontakte aufgenommen wurden".
Unmittelbar danach listet das Gesetz aber 16 Ausnahmetatbestände auf, für die die Registrierungspflicht entfällt. Unter anderem müssen sich Interessenvertreter nicht in das Register eintragen, wenn sie als natürliche Personen ausschließlich persönliche Interessen formulieren, Anliegen von "ausschließlich lokalem Charakter" geltend machen oder ein öffentliches Amt oder Mandat wahrnehmen. Ebenfalls nicht zur Eintragung verpflichtet sind politische Parteien, Einrichtungen zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit – sowie Interessenvertreter, die "als Kirche, andere Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft tätig werden" (Paragraf 2, Absatz 2, Nummer 12).
Kritik an der Ausnahme für die Kirchen
Diese Ausnahme für die Kirchen hatte im Gesetzgebungsprozess für Kritik gesorgt. Bei einer Anhörung im Bundestag betonte Hartmut Bäumer von "Transparency International" im Oktober 2020, dass er mit Blick auf die geplante Ausnahmeregelung für die Kirchen doch "einige Bedenken" habe. "Die Kirchen sind mit die größten Arbeitgeber bei uns. Wollen Sie ernsthaft sagen, wenn es um soziale Fragen geht, und die Kirchen dann Ihre Interessen vertreten, dass diese das anders machen als andere Lobbyisten?", fragte er an die Adresse der anwesenden Koalitionsvertreter im Ausschuss.
Ähnlich äußerte sich auch Albrecht von der Hagen vom Interessenverband "Die Familienunternehmer". Zwar handele es sich dort, wo es um Religion gehe, sicher um einen geschützten Bereich. "Aber die Kirchen und auch manche anderen Religionsgemeinschaften sind wie Unternehmensgruppen. Solche Unternehmensgruppen haben auch ganz ureigene Interessen. Auch das gehört dazu, dass da einmal hingeguckt wird, was für Einflüsse genommen werden."
Zahlreiche katholische Verbände und Werke im Register
Angesichts der kontroversen Debatte signalisierten kirchliche Interessenvertreter bereits frühzeitig, von der Ausnahmeregelung im Zweifel keinen Gebrauch machen zu wollen, sondern sich freiwillig in das Register einzutragen. Und tatsächlich: Wer das Lobbyregister in diesen Tagen – nach dem Ende einer zweimonatigen Übergangsfrist am 1. März – nach katholischen Einrichtungen durchsucht, findet darin zahlreiche bekannte Verbände und Werke. Die Liste reicht vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) über Hilfswerke wie Adveniat, Misereor und das Kindermissionswerk "Die Sternsinger" bis zu Verbänden wie dem Bund Katholischer Unternehmer (BKU), der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und dem Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB).
Ebenfalls im Lobbyregister eingetragen haben sich der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und der Deutsche Caritasverband (DCV). Beide betonen auf Anfrage von katholisch.de, dass sie sich ganz bewusst für die freiwillige Eintragung im Lobbyregister entschieden hätten. "Dem Deutschen Caritasverband ist es von besonderer Wichtigkeit, dass er auch in Zukunft in der Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung in Bezug auf Transparenz als vertrauenswürdiger Partner wahrgenommen wird", erläutert eine Sprecherin des Verbandes. Transparenz solle dabei kein Selbstzweck sein, sondern zeige der Öffentlichkeit, dass sich der DCV seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sei.
Katholische Einrichtungen im Lobbyregister
Katholisch.de listet katholische Einrichtungen auf, die sich bis zum 26. März 2022 freiwillig in das neue Lobbyregister beim Bundestag eingetragen haben (Auswahl):
- Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände (AGV)
- Bischöfliche Aktion Adveniat
- Bischöfliches Hilfswerk Misereor
- Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)
- Bund Katholischer Unternehmer (BKU)
- Bundesstelle der Katholischen Landvolkbewegung Deutschlands (KLB)
- Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV)
- Deutscher Caritasverband
- DJK-Sportverband
- Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK)
- Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB)
- Katholische Erwachsenenbildung Deutschland – Bundesarbeitsgemeinschaft
- Katholische Landjugendbewegung Deutschlands (KLJB)
- Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe
- Katholischer Deutscher Frauenbund (KDFB)
- Katholischer Krankenhausverband Deutschlands (KKVD)
- Katholischer Krankenhausverband in Bayern (KKVB)
- Kindermissionswerk "Die Sternsinger"
- Kolpingwerk Deutschland
- Katholischer Siedlungsdienst (KSD)
- missio – Internationales Katholisches Missionswerk
- Pax Christi – Deutsche Sektion
- Verband der Kolping-Bildungsunternehmen Deutschland
- Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland
- Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)
Auch der BDKJ sieht die Eintragung in dem Register als Chance für die eigene Arbeit: "Das Lobbyregister ermöglicht unseren GesprächspartnerInnen im Bundestag Zugang zu Informationen über uns in einer standardisierten Form. Wir sind gespannt, ob das einen Mehrwert für unsere Arbeit haben wird", so eine Sprecherin gegenüber katholisch.de. Es sei richtig, dass nun öffentlich einsehbar sei, welche Einrichtungen und Personen mit welchem Umfang in welchen Feldern lobbyierten. "Wir erhoffen uns davon mehr Transparenz. In einer Demokratie muss es möglich sein, dass WählerInnen sehen können, wer Einfluss auf Gesetzgebungen nimmt", betont die BDKJ-Sprecherin.
Das Katholische Büro hat sich noch nicht eingetragen
Ausgerechnet die wohl mächtigste katholische Interessenvertretung im politischen Berlin geht diesen Weg bislang allerdings nicht mit – das Katholische Büro. Die Einrichtung, die für die Deutsche Bischofskonferenz den Kontakt zu den Organen des Bundes pflegt und deren Leiter Prälat Karl Jüsten über legendär gute Kontakte ins Regierungsviertel verfügt, hat sich noch nicht im Lobbyregister eingetragen. Genauer begründen will das Büro diese Entscheidung auf Anfrage von katholisch.de nicht. Man berufe sich bei der Entscheidung auf die Ausnahmeklausel im Gesetz und wolle erst einmal abwarten, betont ein Vertreter knapp. Ob sich das Katholische Büro noch in das Register eintragen wird, ist somit unklar.
Unklar ist auch, ob das Lobbyregister die bislang so klandestine Arbeit von Interessenvertretern im Berliner Regierungsviertel tatsächlich transparenter machen kann; die Bewährungsprobe im politischen Alltag steht dem Register schließlich noch bevor. Die Ampelkoalition hat allerdings schon angekündigt, dass Register auf jeden Fall nachschärfen zu wollen. Unter anderem wollen SPD, Grüne und FDP die "scheunentorgroßen Ausnahmen" (Bundesjustizminister Marco Buschmann) im Gesetz überprüfen und den Kreis der Interessenvertreter, die zur Eintragung verpflichtet sind, erweitern. Vielleicht kippt dann auch die Ausnahmeregelung für die Kirchen.