Ziel sei Entkopplung von Weihe und Verantwortung

Vatikan-Expertin Sailer: Kurienreform hat keinen Haken

Veröffentlicht am 01.04.2022 um 11:25 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Lange war die neue Kurienordnung von Papst Franziskus erwartet worden. Vatikan-Expertin Gudrun Sailer erkennt darin deutlich einen Reformgedanken – und die Entkopplung von Weihe und Verantwortung im Vatikan.

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Aus Sicht der Vatikan-Expertin Gudrun Sailer hat die von Papst Franziskus veröffentlichte Kurienreform keinen doppelten Boden. "Ich sehe keinen Haken und ich habe mir auch von einem Kirchenrechtler und Kurienfachmann, dem ich dieselbe Frage gestellt habe, sagen lassen: Kirchenrechtlich stimmt alles", sagte Sailer dem Münchener Kirchenportal "mk-online.de" (Freitag). Dass Laien und damit auch Frauen nun Präfekt und damit Leiter einer Kurienbehörde werden könnten, habe "so direkt niemand erwartet", erklärte die Journalistin, die auch Mitbegründerin des Vereins "Frauen im Vatikan" ist.

Alles in allem sei in der neuen Verfassung sehr deutlich der Reformgedanke erkennbar: "Die Kurie wird als Diensteinheit – nicht als Machteinheit – verstanden, in der es darum geht, die Verkündigung zu erleichtern." Diese sei nun Auftrag aller Getauften, nicht nur von Priestern, Bischöfen und Kardinälen. "Dass diese Entkoppelung von Weihe und Verantwortung jetzt einmal konkret von Rom ausgeht, kann man schon mit Interesse vermerken."

Papst Franziskus werde die Dinge nun aber nicht überstürzen und gleich Präfekten entlassen und Laien dafür einsetzen, so Sailer weiter. "Eine Kurienverfassung, das zeigt die Erfahrung, die hält 20 oder 30 Jahre." Vieles werde vielmehr davon abhängen, wie sich die Laien in Regierungsverantwortung in den kommenden Jahren schlagen würden und ob ein nächster oder übernächster Papst auch geteilte Verantwortung haben wolle.

"Wir sehen eine Reform"

Das überraschendste sei für sie, dass vieles aus den Gesetzestexten schon bekannt war und umgesetzt wurde, bevor die Reform offiziell veröffentlicht wurde. In der Kurienverfassung sehe sie keine Überdehnung des Kirchenrechts, keinen Bruch und keine Revolution, so Sailer. "Wir sehen eine Reform – das schon – und wir sehen die Basis für diese Reform im Evangelium und im Zweiten Vatikanischen Konzil: Die Vorstellung, dass das Volk Gottes gemeinsam voranschreitet."

Mitte März hatte der Papst die lang erwartete Apostolische Konsitution "Praedicate evangelium" (Verkündet das Evangelium) veröffentlicht und damit die Kurienordnung "Pastor bonus" aus dem Jahr 1988 ersetzt. Insgesamt zielt die Reform, deren Teilschritte größtenteils bereits vollzogen waren, auf eine Reduzierung der Behörden ab. Neu ist darin beispielsweise ein "Dikasterium für Evangelisierung", das künftig vom Papst selbst geleitet werden soll, oder die Zusammenlegung von Bildungskongregation und Päpstlichem Kulturrat zum "Dikasterium für Kultur und Erziehung". (cbr)