Umstrittener Anima-Rektor agierte als Fluchthelfer für Nazis

Priesterkolleg öffnet Bischof-Hudal-Archiv für Holocaust-Forscher

Veröffentlicht am 07.04.2022 um 15:30 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Geistige Nähe zum Nationalsozialismus, Fluchthelfer für Nazis nach dem Krieg: Der "braune Bischof" Alois Hudal zählt zu den umstrittensten katholischen Persönlichkeiten im 20. Jahrhundert. Nun soll seine Geschichte weiter aufgearbeitet werden.

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Die Geschichte des umstrittenen Bischofs Alois Hudal (1885-1963) soll weiter aufgearbeitet werden. Dazu will das deutschsprachige Priesterkolleg Santa Maria dell'Anima in Rom mit dem US Holocaust Memorial Museum in Washington ein Kooperationsabkommen schließen. Hudal war seit 1937 Rektor der Anima. Der Vertrag solle am 26. April in Rom unterzeichnet werden, sagte der Rektor des Kollegs, Michael Max, am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Wegen seiner geistigen Nähe zum Nationalsozialismus sowie seiner Tätigkeit als Fluchthelfer für Nazis nach Kriegsende zählt der "braune Bischof" zu den umstrittensten katholischen Persönlichkeiten im 20. Jahrhundert. Mit anderen organisierte er die sogenannten Rattenlinie, auf der zahlreiche NS-Angehörige und Kriegsverbrecher über Italien nach Südamerika entkommen konnten. Hudal begründete dies als karitativen Akt für politisch Verfolgte.

Wegen dieses Engagements soll der Österreicher 1952 vom Vatikan gedrängt worden sein, als Rektor des Priesterkollegs zurückzutreten. Hudal war mit Eugenio Pacelli bekannt, dem späteren Papst Pius XII. (1939-1958), der ihn 1933 zum Bischof weihte. Dessen Vorgänger Pius XI. (1922-1939) hatte Hudal indes verboten, den Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland mit einem Festgottesdienst zu würdigen. Sein Verhalten während der Juden-Deportationen durch Deutsche in Rom 1943 ist bislang umstritten.

"Schillernde Persönlichkeit"

Rektor Max nannte Hudal eine "schillernde Persönlichkeit". Mit den weiteren Forschungen im Archiv der Anima sollten seine "Nähe und Distanz zum Nationalsozialismus gut aufgearbeitet werden". Das Hudal-Archiv war 2006 geöffnet worden. Die Aufzeichnungen und Korrespondenz machten "einen Großteil des Archivmaterials der Anima im 20. Jahrhundert aus", so Max. Mitarbeiter des Holocaust Memorial Museum in Washington sind seit Anfang März 2020 auch mit Recherchen in den Vatikanarchiven zum Pontifikat Pius XII. beschäftigt.

Unterdessen rief Papst Franziskus Mitglieder des deutschsprachigen Kollegs der Anima in Rom dazu auf, als Seelsorger zu Vergebung bereit und barmherzig zu sein. Ein guter Priester müsse "in seinen Beziehungen barmherzig sein, ein Mann des Friedens und der Gemeinschaft", sagte Franziskus am Donnerstag bei einem Treffen mit dem Kolleg Santa Maria dell'Anima. Daran nahmen neben Rektor Max 24 Studenten des Kollegs und drei Ordensfrauen teil. Um Eintracht und Versöhnung zu fördern, sei vor allem das Bußsakrament sehr wichtig, betonte Franziskus. "Das bedeutet, dem Beichtehören Zeit zu widmen; es gut zu machen, mit Liebe, Weisheit und großer Barmherzigkeit." Anlass der Audienz war das diesjährige Jubiläum der Wahl von Papst Hadrian VI. vor 500 Jahren am 9. Januar 1522.

Der vorletzte Papst aus dem deutschen Sprachraum stammte aus dem heute niederländischen Utrecht und saß von 1522 bis zu seinem Tod 1523 auf dem Stuhl Petri. Der letzte nicht-italienische Papst vor Johannes Paul II. (1978-2005) ist in der Kirche Santa Maria dell'Anima nahe der Piazza Navona bestattet. In seinem kurzen Pontifikat habe er sich "vor allem um Versöhnung in Kirche und Welt bemüht", sagte Franziskus. Auch wenn ihm stellenweise kein Erfolg vergönnt gewesen sei, sei er doch ein "furchtloser und unermüdlicher Arbeiter für Glauben, Gerechtigkeit und Frieden" gewesen. (tmg/KNA)