Albanien als Vorbild
Der argentinische Papst nutzte seinen Besuch im einzigen europäischen Land mit einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit außer dem Kosovo für ein flammendes Plädoyer gegen religiös motivierte Gewalt. "Niemand soll meinen, er könne sich hinter Gott verstecken, während er Gewalttaten und Übergriffe plant und ausführt", sagte Franziskus gleich in seiner ersten Rede im Präsidentenpalast in Tirana vor Regierungsmitgliedern, Politikern und Diplomaten. "Extremistische Gruppen", die Unterschiede zwischen den Religionen zum Anlass für Gewalt nähmen, verfälschten und instrumentalisierten "das echte religiöse Empfinden". Er rief zu einem "offenen und achtungsvollen Dialog" zwischen den Religionen auf.
Die Reise sollte nach dem Willen des Papstes eine Art Anschauungsunterricht in Sachen interreligiöser Dialog sein. Seine Botschaft: Völker der Welt, schaut auf dieses Land! Appelle zum friedlichen Zusammenleben von Christen und Muslimen angesichts der Barbarei der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und anderer Extremisten müssten nicht fromme Wünsche oder gut gemeinte Absichtserklärungen bleiben. Was in Albanien geschehe, beweise, dass das friedliche Zusammenleben von Angehörigen verschiedener Religionen, "nicht nur wünschenswert, sondern konkret möglich und machbar ist", so Franziskus in seiner Rede.
Auch Muslime besuchten Papst-Gottesdienst
Was erwarten die Leute in Albanien vom Papst? "Lass es mich mit den Scorpions sagen: 'A wind of change'", antwortet Stefan in Englisch. Was das Land brauche sei Solidarität. Die Zerstrittenheit der politischen Lager müsse endlich überwunden werden, so der junge Katholik und Rechtsanwalt. Ob er auch muslimische Freunde habe? Ja, solche Freundschaften seien in Albanien normal.
Auch zur Messe mit dem Papst auf dem Mutter-Teresa-Platz vor der Universität von Tirana sind viele Muslime gekommen. Erkennbar sind sie allerdings nicht. Kopftücher tragen die Musliminnen in Albanien nur selten. Ein albanischer Beobachter schätzt, dass die Hälfte der mehr als 250.000 Menschen, die sich hier versammelt haben, Muslime sein könnten.
Und dann gibt es noch Gottesdienstbesucher wie Ilona. "Ich bin von meinen Eltern her beides", erklärt die Tochter eines katholisch-muslimischen Ehepaares auf die Frage, ob sie katholisch oder muslimisch sei. In ihrer Kindheit und Jugend habe sie mit ihren Eltern weder eine Kirche noch eine Moschee besuchen können, weil das kommunistische Regime jede Religionsausübung unterdrückt habe. An Gott glaube sie dennoch. Es gebe in Albanien viele wie sie.
„Niemand soll meinen, er könne sich hinter Gott verstecken, während er Gewalttaten und Übergriffe plant und ausführt.“
Ilona wurde vom Regime, das Albanien 1967 zum "ersten atheistischen Staat der Welt" erklärte, um ihre religiöse Erziehung gebracht. Mehrere tausend Landsleute verloren damals ihr Leben; 80.000 wurden inhaftiert und gefoltert. Allein 200 katholische Priester und Diakone wurden von den kommunistischen Schergen getötet. An ihr Schicksal und ihren Glaubensmut erinnerte der Papst in seiner Predigt. Albanien sei ein "Land der Märtyrer" gewesen.
Der Empfang des Papstes in Albanien war nicht lateinamerikanisch überschwänglich, aber sehr herzlich. Dass Franziskus seine Predigten auf Italienisch hielt, tat der Stimmung keinen Abbruch. Die Albaner sind schließlich treue Zuschauer des staatlichen italienischen Fernsehens RAI.
Die Sicherheitsvorkehrungen, über die vor der Reise in den Medien angesichts von Spekulationen über einen Anschlag der Terrormiliz "Islamischer Staat" viel berichtet wurde, waren hoch, die Präsenz der Sicherheitskräfte jedoch nicht auffallender als üblich. Allerdings wurden die Mobilfunknetze während des Gottesdienstes mit dem Papst aus Sicherheitsgründen lahmgelegt. Und anders als jüngst im Heiligen Land wurde der Papst nicht von einem Muezzin übertönt.