Online-Archiv soll Briefe von Juden an Papst Pius XII. bewahren
Ein historisches Projekt rund um jüdische Bittschreiben an Papst Pius XII. soll die Geschichte der europäischen Juden im Nationalsozialismus erhalten. Leider würden die letzten Holocaust-Überlebenden nicht mehr lange in der Lage sein, selbst über diese Zeit zu sprechen, so Kirchenhistoriker Hubert Wolf in der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl am Mittwochabend in Rom. Umso wichtiger sei es darum, den Zugang zu dieser Zeit, den Leben dieser Menschen zu erhalten. Mit dem Projekt "Asking the Pope for Help" sollen nun rund 15.000 Bittschreiben an Pius XII. (1939-1958) in einem Online-Archiv frei zugänglich gemacht werden.
Vor zwei Jahren waren im Vatikan die Archivbereiche zu diesem Papst für die Forschung geöffnet worden. Ein Historiker-Team um Wolf entdeckte dabei die Bittschreiben. Auch wenn die Briefe nur Aspekte des jeweiligen Lebens der jüdischen Person enthielten, könne daraus viel mehr gelesen werden, erklärte der Professor. Zudem sei davon ausgehend die Rekonstruktion ihres gesamten Lebens möglich. "Wir möchten ihnen damit ihr Gesicht, ihre Stimme und ihre eigene Geschichte wiedergeben", so Wolf. Vielleicht könne damit auch dem wieder steigenden Antisemitismus in Europa entgegengewirkt werden.
Forschung nicht auf Rolle Pius' XII. zentrieren
Weiter sei es über die Schriften möglich, das Agieren des Vatikan und des Papstes im Nationalsozialismus näher zu beleuchten, sagte der Historiker. Inhaltlich sei es bei den Anfragen nicht nur um finanzielle Unterstützung gegangen, auch Hilfe bei Familienzusammenführungen oder der Flucht aus Europa seien Themen. Dabei habe der Vatikan auch auf diplomatischer Ebene agiert. Wichtig sei, die Forschung nicht auf die Rolle von Pius XII. zu zentrieren, sondern das Handeln der gesamten Kurie in den Blick zu nehmen, so Wolf.
Noch stünde "Asking the Pope for Help" in den Anfängen. Zehn bis zwölf Jahre könne es dauern, bis alle Schreiben digitalisiert seien, schätzt der Münsteraner Historiker. Die Website selbst solle aber schon früher zugänglich sein. Neben der Forschung sollen die Bittschriften dann vor allem für die politische Bildung genutzt werden – didaktisch so aufbereitet, dass jungen Menschen ein Zugang zu dieser Zeit und diesen Menschen ermöglicht werde. (KNA)