Standpunkt

Lebensschutz darf sich nicht auf den Beginn des Lebens beschränken

Veröffentlicht am 02.05.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Am Wochenende wurde die "Woche für das Leben" eröffnet. Pater Max Cappabianca ist dankbar, dass die Kirchen dabei nicht der fundamentalistischen Versuchung erlegen sind, den Lebensschutz exklusiv auf den Beginn des Lebens zu beschränken.

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Dass die "Woche für das Leben" sich in diesem Jahr dem Thema "Mittendrin. Leben mit Demenz" widmet, ist ein positives Beispiel, wie die großen Kirchen in Deutschland sich gesellschaftlich einbringen können. Es ist ein schwieriges Thema, das die ganze Gesellschaft betrifft. Die Kirchen sind beileibe nicht die einzigen, die sich diesen Herausforderungen stellen, wie die Teilnahme an der "Nationalen Demenzstrategie" der Bundesregierung zeigt.

Am Umgang mit dementen Menschen und ihren Angehörigen zeigt sich, "ob unser Reden über Würde im Alter tragfähig ist" (Pastorin Anita Christians-Albrecht). Denn es ist nicht leicht, einen Menschen zu pflegen, der sein Gedächtnis verliert, und damit seine Identität. Ist es noch derselbe Mensch? Kann man so leben? Gut ist auch, dass die Angehörigen in den Blick genommen werden, die oft unter enormen psychischen Belastungen leiden.

Die "Woche für das Leben" sensibilisiert dafür, dass die Würde niemals verloren gehen kann. Der Mensch hat diese Würde aus sich heraus. Für uns Christen zeigt sich darin seine Gottesebenbildlichkeit. Das beugt der Versuchung vor, lebenswertes von lebensunwertem Leben zu unterscheiden. Die Aktion erinnert daran, dass die ganze Gesellschaft Betroffene wie Angehörige unterstützen und sich das auch etwas kosten lassen muss.

Ich bin dankbar, dass die Kirchen in Deutschland nicht der fundamentalistischen Versuchung erlegen sind, den Lebensschutz exklusiv auf den Beginn des Lebens zu beschränken, sondern dass alle Phasen menschlicher Existenz in den Blick genommen werden und konsequent für das Leben eingetreten wird. Das zeigen die Themen vergangener "Wochen für das Leben": "Leben schützen. Menschen begleiten. Suizide verhindern" (2019), "Kinderwunsch – Wunschkind – Designerbaby: Wie weit gehen?" (2017), "Menschen würdig pflegen" (2001) oder "Sinn statt Sucht" (1995). Und wie immer bei solchen Grenzfragen verbietet sich ethische Schwarzweißmalerei.

Die 1991 ins Leben gerufene "Woche für das Leben" – damals zurecht mit dem wichtigen Thema "Schutz des ungeborenen Lebens" – ist ein Glücksfall für die Kirchen und die Gesellschaft. Sie macht die Botschaft des Evangeliums gesellschaftlich relevant und schenkt an den Grenzfragen des Lebens Orientierung und Halt.

Von Pater Max Cappabianca

Der Autor

Der Dominikaner Max Cappabianca ist Leiter der Katholischen Studierendengemeinde Hl. Edith Stein in Berlin.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.