Schriftstellerin Bossong: Mit 39 Jahren endlich Erstkommunion
Nora Bossong (40), Schriftstellerin und Katholikin, hat nach 30 Jahren ihre Erstkommunion nachgeholt. "Es war ein besonderer Moment, aber auch ambivalent", sagte Bossong dem "Süddeutsche Zeitung Magazin". "Früher war ich immer nur eine halb so echte Katholikin wie die anderen und konnte über viele Dinge hinwegsehen. Jetzt bin ich voll dabei, eben nicht ausgetreten, sondern noch weiter reingegangen. Das ist schön und belastend zugleich, weil ich die Schönheit des Glaubens stärker spüre, aber auch die Schuld der Kirche." Seit einem Jahr gehört die mehrfach preisgekrönte Autorin auch dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) an.
Als Grund für die verspätete Erstkommunion gab die gebürtige Bremerin familiäre Umstände an. Seinerzeit hätten sich ihre Eltern getrennt. Als sie mit ihrem Vater nach Hamburg gezogen sei, hätten sie es "vertrödelt, mich bei der Gemeinde anzumelden". Am Todestag ihres Vaters im Oktober 2021 habe sie das Versäumnis nachgeholt. "Es war ein normaler Werktag, abgesehen von ein paar älteren Damen war die Kirche leer. Ich hatte Freunde eingeladen, Gläubige, Atheisten, Agnostiker. Alle haben sich mit mir gefreut. Ein Freund allerdings wirft mir Naivität vor, weil ich glaube, die Kirche könne sich bessern."
Zu ihrem persönlichen Glauben befragt, antwortete Bossong, sie könne sich Gott nicht vorstellen, nur Jesus, seinen Sohn. Einmal im Monat gehe sie in die Kirche. Sie bete nicht täglich, aber regelmäßig. "Und wenn ich ehrlich bin, je schlechter es mir geht, desto öfter." Eine konkrete Antwort von Gott habe sie bisher nicht erhalten. "Daran glaube ich auch nicht, Gott ist ja kein Personal Coach." Glaube beginne, wo die Erkenntnisfähigkeit ende. "Wir streifen eine Sphäre, die uns überfordert, und es bleibt ein großes Nicht-Verstehen, mit dem wir uns abfinden müssen."
Idee des Zölibats möge sie eigentlich
Zu ihrer Vorstellung von Kirche sagte die Schriftstellerin: "Die Kirche darf auf keinen Fall so werden, wie man es in Berlin-Mitte angemessen fände. Sie ist eben nicht nur Caritas, sondern auch Contemplatio. Und damit meine ich nicht Weltfremdheit, wie Kritiker bemängeln, sondern die innere Suche nach Gott." Die Idee des Zölibats möge sie eigentlich. "Es kann sinnvoll sein, wenn sich geweihte Würdenträger nicht gleichzeitig mit eigenen familiären Angelegenheiten auseinandersetzen müssen." Aber vielleicht müsse dieses strenge Prinzip nicht für jeden Dorfpfarrer gelten.
In der Debatte um die in der katholischen Kirche bisher ausgeschlossene Priesterweihe von Frauen positionierte sich Bossong in der Mitte. "Von meiner politisch zivilen Haltung her finde ich es überfällig, als Katholikin sage ich: Warum muss eigentlich immer alles möglich sein? Bei einer Abstimmung wüsste ich nicht, ob ich mich dafür oder dagegen ausspräche. "Eine gewisse Form des Aus-der-Zeit-gefallen-Seins halte ich im Fall der Kirche für richtig, ja notwendig." Größere Probleme habe sie dagegen "mit einem CSU-Ortsverband, in dem nur Männer sind". (KNA)