Ramelow: Kirchen und Staat "drücken" sich vor Ablösegesetz
Nach Einschätzung von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) haben sich sowohl der Staat als auch die Kirchen bisher mit Blick auf die Staatskirchenleistungen vor einem Ablösegesetz "gedrückt". Dies sei "ein Auftrag der Weimarer Reichsverfassung, der als nicht gelöste Aufgabe bis heute im Raum steht", kritisierte Ramelow in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der in Freiburg erscheinenden "Herder-Korrespondenz".
"Man hat vor mehr als 200 Jahren den Kirchen, nachdem man ihnen Vermögenswerte entzogen hat, gesagt: Diese bleiben mit finanziellen Lasten verbunden, die bestimmt sind, der Erfüllung eurer Aufgaben zu dienen", so Ramelow weiter. Dies erfordere "nach heutiger Rechtslage ganz eindeutig ein Ablösegesetz und nicht nur Diskussionen dazu". Keine bisherige Regierung habe das in Angriff genommen.
Er sei "sehr gespannt, ob die Bundesregierung jetzt einen zeitlichen Fahrplan für die Erarbeitung der Maßstäbe vorlegt. Es geht ja gar nicht um eine entschädigungslose Enteignung, sondern um die richtigen Parameter für die Ablösung", betonte Ramelow, der evangelisch ist. Das Land Thüringen werde sich "in dem Maße beteiligen, wie der Bund beginnt, das Verfahren zu eröffnen".
Abschaffung der Kirchensteuer in jetziger Form
Weiter plädierte er für eine Abschaffung der Kirchensteuer in der jetzigen Form. Dabei sprach er sich für eine Umwandlung nach italienischem Vorbild aus. "Man sollte sich als Steuerbürger dafür entscheiden können, ob man den Beitrag der eigenen Kirche oder anderen oder ob man den Beitrag an eine zivilgesellschaftliche Arbeit gibt", betonte Ramelow. Dies sei kein "antikirchliches oder antireligiöses Anliegen. Im Gegenteil: Es darf doch nicht sein, dass es finanzielle Anreize gibt, die Kirche zu verlassen."
Mit Blick auf Thüringen sagte er weiter, 75 Prozent der Bevölkerung hätten keinerlei Bezug zu Religion, Glauben oder Theologie. Das bedeute "aber nicht, dass sie ungläubig, Laizisten oder gar Atheisten sind. Sie sind eher Menschen, die in dieser Hinsicht keine Kenntnisse haben beziehungsweise sich nicht mit diesen Themen beschäftigen."
Zudem plädierte er für mehr interreligiösen Austausch. "Für viele ethische Fragestellungen kommt es nicht unbedingt auf eine bestimmte religiöse oder theologische Prägung an", so Ramelow. "An der Fachhochschule Erfurt haben wir im Bereich der Sozialarbeit das Angebot jüdisch-orthodoxe Sozialarbeit. Warum soll man hier nicht auch Sozialarbeiter muslimischer Prägung ausbilden können?" (KNA)