Haunerland: Notlösungen gefährden sakramentale Gestalt der Kirche
Der Münchner Liturgiewissenschaftler Winfried Haunerland sieht die sakramentale Grundgestalt der Kirche in Gefahr, wenn sich kirchenrechtliche Ausnahmeregelungen wie die Beauftragung von Laien als Taufspender häufen. "Denn spätestens dort, wo andere Taufspender zum Normalfall werden, wird das Bewusstsein schwinden, dass nach can. 861 CIC ordentliche Taufspender nur Bischof, Priester und Diakon sind und nur bei deren Abwesenheit oder Verhinderung der Bischof andere dazu beauftragen kann", schreibt Haunerland in einem Gastbeitrag für die Herder Korrespondenz (Juni-Ausgabe).
Auch wenn die Bischöfe nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit der "Fülle des Weihesakraments ausgezeichnet" seien, so heiße das nicht, dass diese nach eigenem Urteil andere daran teilnehmen lassen könnten, so Haunerland. Priester würden nicht aufgrund einer bischöflichen Beauftragung, sondern aufgrund ihrer sakramentalen Weihe in der Person Christi handeln. Dies sei für das Sakrament der Taufe zwar nicht zwingend erforderlich, da aber den Priestern, "innerhalb der Kirche die wichtige Aufgabe zukommt, auf das notwendige Handeln Christi, des Hauptes der Kirche, zu verweisen, wird durch ihren Vorsteherdienst auch bei der Taufe besonders deutlich, dass nicht Menschen aus sich heraus taufen, sondern Christus selbst tauft".
Dass schon wenige Tage nach der Beauftragungsfeier im Essener Dom die Kirchenfrauenkonferenz im Bistum Würzburg den dortigen Bischof aufgefordert habe, seinem Essener Amtsbruder zu folgen und auf diese Weise ebenfalls Frauen in der Kirche sichtbar zu machen, "zeigt ebenfalls, dass in dieser Entwicklung nicht nur eine Notlösung gesehen wird, sondern ein wünschenswerter Reformschritt", schreibt Haunerland.
Im Bistum Essen spenden nun auch Frauen die Taufe
In der Regel ist die Taufe Geistlichen vorbehalten, doch davon gibt es immer weniger in Deutschland. Im Bistum Essen dürfen nun deutschlandweit erstmalig auch Laien taufen – und damit auch Frauen. Nun wurden die ersten beauftragt.
Bereits 1999 habe Walter Kasper davor gewarnt, dass manche Lösungsversuche zur Behebung des Priestermangels Nebenwirkungen hätten, die den Priestermangel auf Dauer dadurch beseitigen würden, dass sie den priesterlichen Dienst aushöhlen oder sogar als unnötig erscheinen ließen. "Wenn alle rechtlich möglichen Beauftragungen, die in einem wirklichen einzelnen Notfall sinnvoll sein können, regelmäßig nichtgeweihten Gliedern der Kirche übertragen werden, 'dann kommt es faktisch zu der Figur eines Amtes ohne Weihe. Damit steht aber weit mehr auf dem Spiel als das zölibatäre Priestertum; es steht die sakramentale Grundgestalt der Kirche in Gefahr'", zitiert Haunerland Kasper. Diese Gefahr sei heute nicht geringer geworden.
Der Liturgiewissenschaftler verweist dazu auf einen Änderungsantrag bei der zweiten Synodalversammlung des Synodalen Wegs, laut dem das Priesterforum sich mit der Frage auseinandersetzen solle, ob es das Priesteramt überhaupt noch brauche. "Dass die mit dieser Fragestellung verbundenen Irritationen bei der dritten Vollversammlung (zumindest noch) nicht durch einen eindeutigen Grundtext aus dem Weg geräumt werden konnten, stärkt nicht jene Interpretationen, nach denen es der Mehrheit nur um eine bessere Begründung des Priestertums gegangen sei", so Haunerland.
Kirchliches Leitungsamt müsse entscheiden
Gleichzeitig warnte er auch vor einer Klerikalisierung der Laien, die überall dort entstehe, wo ihnen Aufgaben zugewiesen würden, die eigentlich dem ordinierten Amt zukämen, ohne, dass ihnen das Amt selbst übertragen würde. "Stimmen die hier gemachten Voraussetzungen, kann es eine spannungsfreie Lösung nur geben, wenn denen, die mit Aufgaben des Priestertums des Dienstes betraut werden, auch das Sakrament der Priesterweihe gespendet wird", so Haunerland.
Immer drängender werde die Frage, welche der bisherigen Zulassungsbedingungen zum Priesteramt "theologisch zwingend oder um der Einheit der Kirche willen zumindest derzeit notwendig sind oder auch überall einheitlich sein müssen", bilanziert er. "Aber der sakramentale Charakter der Kirche darf nicht durch die Summe der Notlösungen gefährdet werden, wenn diese nur eine bestimmte Sozialgestalt des katholischen Priestertums stützen, die sich zwar in der Geschichte bewährt hat, aber den gegenwärtigen Herausforderungen nicht mehr gerecht wird." Die Theologie könne hierfür nur Argumente liefern, entscheiden müssten jene, die das Leitungsamt in der Kirche innehätten. Sie müssten neben den erhofften Nutzen aber auch die Risiken und Nebenwirkungen bedenken, so Haunerland. (cbr)