ZdK warnt vor Flügelkämpfen
In der Debatte über den künftigen Kurs der Kirche mahnt das ZdK zu Geduld. Unter Papst Franziskus habe sich "Erstaunliches" getan, sagte Glück. "Es gibt eine neue Offenheit des Diskurses." Diese Offenheit gelte es fortzuführen auch in der fairen Auseinandersetzung mit jenen Gruppen und Strömungen, die zuvor den Kurs der Weltkirche bestimmt hätten und sich nun in der Defensive sähen. "Ich plädiere nachdrücklich dafür, deren Überzeugungen weiter ernst zu nehmen", so Glück.
Er kritisierte, "wie abwertend, wie hämisch da und dort über den Heiligen Vater gesprochen wird." Auch manche negativen Äußerungen über den emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper und seinen Überlegungen zu einer Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion hätten ihn "erschüttert", bekannte der ZdK-Präsident. Dies sei kein Ringen um den richtigen Weg auf der Basis gegenseitigen Respekts, "sondern ein Machtkampf, bei dem dann jedes Mittel recht ist".
Ungeachtet der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dringt das ZdK auf eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts. Mit Blick auf das Staat-Kirche-Verhältnis sei es gut, dass Karlsruhe das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen gestärkt habe, sagte Glück vor Journalisten. "Daraus darf man aber nicht ableiten, dass sich innerkirchlich nichts ändern muss." Glück verlangte differenziertere Regeln für die Praxis. Bei Arbeitsverträgen sei zu fragen, inwieweit die Mitarbeit des Beschäftigten prägend für die Außendarstellung der Kirche sei. Im Falle des Chefarztes handele es sich nicht um eine Tätigkeit, "aus der heraus das Selbstverständnis einer kirchlichen Trägerschaft bestimmt wird".
Sex nicht nur auf Fortpflanzung reduzieren
Nach der außerordentlichen Weltbischofssynode in Rom hofft das höchste Gremium der katholischen Laien in Deutschland auf eine offene Debatte der Kirche über Familie und Sexualität. Dabei sei der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ein wichtiger "Prüfstein", sagte Glück. Auf dem Spiel stehe jedoch viel mehr. "Im Kern geht es um eine umfassende, die ganze kirchliche Tradition erfassende theologische Reflexion der Lehre der Kirche zur Ehe, um die Einstellung der Kirche zur Bedeutung der Sexualität für den Menschen." Diese müsse "ganzheitlich" betrachtet werden, "nicht nur im Hinblick auf die Fortpflanzung", forderte Glück.
Zugleich betonte der ZdK-Präsident, das Komitee wolle Fragen von Reformen und künftigem Kurs der Kirche gemeinsam mit den Bischöfen erörtern. Dabei nahm er die im Herbst 2015 anstehende Familiensynode in Rom in den Blick wie auch das zeitgleiche Ende des Dialogprozesses von Bischöfen und Laien in Deutschland.
Minister Gröhe bekräftigt Nein zu organisierter Suizidbeihilfe
Als prominenter Gast hielt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ein Impulsreferat bei der Aussprache zum Thema "Ja zur palliativen Begleitung – Nein zur organisierten Suizidbeihilfe". Dabei bekräftige Gröhe seine Ablehnung jeder Form von organisierter Hilfe zur Selbsttötung. Er werde im Laufe der weiteren Debatte im Bundestag einen entsprechenden Gruppenantrag unterstützen, sagte er. Laut Gröhe sollen die Anträge zu gesetzlichen Regelungen zur Suizidbeihilfe im Laufe des kommenden Frühjahres vorliegen. Abstimmen darüber wolle der Bundestag erst nach der Sommerpause 2015.
Nach Gröhes Ansicht besteht bei der Straffreiheit der Selbsttötung kein Regelungsbedarf. Hier solle auch kein "Sonderstrafrecht" für einzelne Berufsgruppen wie Ärzte eingeführt werden. Stattdessen gelte es jedoch, jede Form der organisierten Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe zu stellen, so der Minister. Dankbar sei er vor diesem Hintergrund auch für die "klare Positionierung unserer Ärzteschaft", die deutlich gemacht habe, dass Suizidbeihilfe keine ärztliche Aufgabe sei. Gröhe warnte zugleich eindringlich davor, Ausnahmen bei organisierten Formen der Suizidbeihilfe zuzulassen.
Glück: Suizidprävention nach vorne bringen
Laut Glück dürfen Leiden und Sterben kein Tabuthema sein und sollen in der Gesellschaft breit diskutiert werden. Es sei gut und richtig, "dass inzwischen die Themen Verbot der organisierten Suizidbeihilfe und Ausbau der Palliativversorgung meist in einem Atemzug genannt werden", sagte der ZdK-Präsident. Nun gelte es beispielsweise, den Gedanken der Suizidprävention nach vorn zu bringen. "Sie wird erschwert, wenn nicht unmöglich, wenn die Selbsttötung eine gesellschaftlich akzeptierte gleichwertige Alternative zum Weiterleben und zur Entscheidung wird, den Weg einer Krankheit bis zum Ende zu gehen."
Auch verändere sich das Bild von Ärzten, wenn der ärztlich assistierte Suizid zur gesetzlich geregelten "Normalität" werde. Schließlich muss nach Ansicht von Glück über "den Sinn und die Grenzen von medizinischen Maßnahmen in der Endphase von Erkrankungen" gesprochen werden ebenso wie über Fragen der modernen Sterbe- und Trauerkultur. Gesetzliche Bestimmungen allein reichten nicht aus. "Wir sollten nicht den Ehrgeiz haben, bis in den letzten Winkel alles regeln zu wollen."
Verurteilung von Christenverfolgung und Antisemitismus
Weiter widmete sich Glück den Religionen Christentum, Islam und Judentum. Der Terror und die Brutalität, mit der beispielsweise religiöse Extremisten wie der "Islamische Staat" (IS) in Teilen Syriens und im Irak, Boko Haram in Nigeria Christen und andere religiöse Minderheiten verfolgen, vertreiben und ermorden sei unsagbar, sagte er. Das ZdK wollte laut Glück am Wochenende ein Papier verabschieden, "um unsere Solidarität mit all den Menschen zu erklären, die aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung bedrängt und verfolgt werden".
Glück zeigte sich auch besorgt über eine "bedrohliche Zunahme" von Antisemitismus in der Bundesrepublik. Das ZdK stehe an der Seite der jüdischen Mitbürger, betonte er. In einem Brief an alle jüdischen Gemeinden habe das Komitee jegliches antisemitische Reden und Handeln scharf verurteilt. Von muslimischen Gelehrten wünschte sich Glück eine stärkere Distanzierung von Gewalt und Terrorgruppen wie dem "Islamischen Staat". "Es ist auch eine vordringliche Aufgabe für die islamische Theologie zu verdeutlichen, dass und warum das Vorgehen von Fanatikern wie dem IS nicht in Einklang mit dem Koran steht", sagte er. Zugleich wandte er sich gegen eine Gleichsetzung von Islam und Gewalt. "Die überwältigende Mehrheit der Muslime in Deutschland steht zu den Werten unseres Grundgesetzes und darf nicht mit einer kleinen, aber gefährlichen Gruppe gleichgesetzt werden".
Auf den aktuellen Ansturm von Flüchtlingen sei die Bundesrepublik nicht ausreichend vorbereitet gewesen und die Verantwortlichen hätten vielerorts die Zahl der Schutzsuchenden unterschätzt, sagte Glück. Umso wichtiger seien die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung und das Engagement der Kirchen, so der ZdK-Präsident weiter. Probleme dürften nicht unter den Teppich gekehrt werden, sagte Glück. Dazu gehöre auch "eine ehrliche gesellschaftliche Debatte über Aufnahmekapazitäten und mitmenschliche Verantwortung", um das Feld nicht populistischen und extremen Parteien zu überlassen. (luk/KNA)