Künftig zu Bistümern Chur, Sankt Gallen oder Feldkirch?

Reformkatholiken in Liechtenstein fehlt die Unterstützung

Veröffentlicht am 09.06.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Vaduz ‐ Eine katholische Reformgruppe kritisiert das Erzbistum Vaduz, aber auch die Regierung in Liechtenstein: Kirche wie Politik ignorierten die Interessen der Gläubigen. Die Gruppe hofft nun, dass das Erzbistum bald aufgelöst wird.

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Fast paradiesisch präsentiert sich der Frühsommer vom Balkon des Klosters St. Elisabeth in Schaan. Letzte Wolkenreste lösen sich in der Sonne auf. Majestätisch erheben sich die Bergketten auf der anderen Seite des Rheintals. Der spitze Kirchturm von St. Laurentius, der katholischen Kirche, sticht wie ein Fels ins Azur.

Doch die Idylle trügt. Nur wenige Meter entfernt reden die Mitglieder des "Vereins für eine offene Kirche" Tacheles zum Abschluss des synodalen Prozesses. Von November bis Mai erstreckte sich der Prozess, den die Gruppe um Christel Kaufmann, Bruno Fluder und Klaus Biedermann quasi im Alleingang organisieren musste – Erzbischof Wolfgang Haas und die katholischen Priester im Erzbistum Vaduz hatten die Mitwirkung verweigert.

"Das Erzbistum Vaduz ist tief gespalten"

250 Personen beteiligten sich an einer Umfrage zu fünf Themenkreisen; fünf Podien fanden statt; drei Religionsklassen machten ebenfalls mit. Ein Flyer als Einladung wurde an rund 2.000 Haushalte verschickt. Trotzdem klingt das Fazit frustrierend. "Das Erzbistum Vaduz ist tief gespalten", resümiert Bruno Fluder. Er stellte die wichtigsten Erkenntnisse der Umfrage vergangene Woche bei einer Pressekonferenz vor.

Der Grund: Treue Anhängerinnen und Anhänger des Erzbischofs haben sich laut Fluder konsequent vom synodalen Prozess ferngehalten, obwohl dieser auf eine Initiative von Papst Franziskus zurückgehe. "Der Klerus des Erzbistums und der Erzbischof selber scheinen die Gruppe der aufgeschlossenen katholischen Gläubigen nicht als Teil der Kirche anzuschauen, sondern nur als privaten Verein", kritisiert Fluder.

Bild: ©KNA / Erzbistum Vaduz

"Er steht nicht mehr im Austausch mit anderen": Der "Verein für eine offene Kirche " in Liechtenstein kritisiert, dass die Gründung des Erzbistums Vaduz mit Erzbischof Wolfgang Haas (Bild) an der Spitze zu einer Verschlechterung der Volkskirche geführt habe.

Nicht nur die rund 250 Katholiken, die sich an der Umfrage beteiligt haben, fühlen sich seit der Gründung des Erzbistums Vaduz 1997 eingeschränkt. "Sie vermissen eine ernsthafte Laienbeteiligung", sagt Fluder. Desgleichen würden sie Stellungnahmen der Bistumsleitung zu relevanten Gesellschaftsthemen wie dem Krieg in der Ukraine, Corona oder der "Option für die Armen" vermissen.

Zudem kommt die Reformgruppe in Liechtenstein zu dem Schluss, dass Männer in der Kirche dominierten und die Amtskirche ein Glaubwürdigkeitsproblem durch Skandale und Machtspiele habe. "Verschiedene gesellschaftliche Minderheiten werden in der Kirche marginalisiert", so Fluder weiter. "Die Sexualmoral muss endlich geändert werden."

Laienbeteiligung habe sich drastisch verschlechtert

Und nicht nur das. An den 60 Geistlichen der katholischen Kirche in Liechtenstein wird bemängelt, dass sie "äußerst konservativ" und auch "nicht geeignet" seien, auf die Lebenswelt der Gläubigen einzugehen und diese mitwirken zu lassen. Dabei habe das Zweite Vatikanische Konzil klar die Mitbestimmungsrechte der Gläubigen zementiert. Gerade die Möglichkeit der Laienbeteiligung habe sich aber drastisch verschlechtert in den vergangenen Jahren. Pastoralassistentinnen und Assistenten, Diakone und weitere Engagierte mussten ihre Tätigkeit aufgeben oder hatten nichts mehr zu sagen, kritisiert der Verein – der gemäß seinen Statuten die religiöse Vielfalt und die Mitbestimmungsrechte der Gläubigen stärken möchte.

Wobei der Verein der offenen Kirche in Liechtenstein, 1998 als Reaktion auf die Gründung des Erzbistums Vaduz mit Wolfgang Haas an der Spitze entstanden, sich sicher ist, dass gerade die Isolierung des Erzbischofs zu der Verschlechterung der Volkskirche in Vaduz geführt habe. "Er steht nicht mehr im Austausch mit anderen", bilanziert Kurt Biedermann, langjähriger Vorstand des Vereins.

Er fordert deshalb, frühzeitig und transparent in Bezug auf die Nachfolge des Erzbischofs zu informieren. "Zum anderen wünschen wir uns, dass die katholische Kirche in Liechtenstein zukünftig wieder mit einem Nachbarbistum verbunden ist", sagt Biedermann. "Das können entweder die Bistümer Chur oder St. Gallen sein oder auch das Bistum Feldkirch."

„Zum anderen wünschen wir uns, dass die katholische Kirche in Liechtenstein zukünftig wieder mit einem Nachbarbistum verbunden ist.“

—  Zitat: Klaus Biedermann

Zentral sei dabei, dass die für Liechtenstein zuständige kirchliche Autorität in eine Bischofskonferenz eingebunden sei. Nicht zuletzt wird auch der Politik in Sachen Kirchenaffinität kein gutes Zeugnis ausgestellt. Günther Boss, theologischer Berater des Vereins, kritisiert: "Die Politik kümmert sich nicht mehr um die Kirche, sie will mit ihr nichts mehr zu tun haben."

Was bleibt unterm Strich für die Organisatoren des synodalen Prozesses in Liechtenstein – der versucht hat, den Puls der Gläubigen im Fürstentum zu messen? Wut? Enttäuschung?

"Der Weg ist das Ziel"

"Weder noch", versichert Christel Kaufmann. Dem Verein sei klar, dass der Schlussbericht in Rom wohl zu keinen großen Veränderungen führen werde. "Der Weg ist das Ziel." Man habe eine große Befriedigung aus dem synodalen Prozess in und für Liechtenstein gespürt. "Vielleicht kann man es so sagen: Wir spielen sehr gerne Fußball, aber leider ohne Ball."

Bruno Fluder sieht es ebenfalls positiv: "Der synodale Prozess hat gezeigt, dass es in Liechtenstein eine sehr lebendige Kirche gibt – leider gibt es für sie seitens der offiziellen Kirche zu wenig oder fast gar keinen Platz." Ach ja: Erzbischof Haas hat den Schlussbericht bereits zugestellt bekommen. Reaktionen dazu gab es seinerseits bislang nicht.

Von Wolfgang Holz (KNA)