Schönborn sieht Missbrauchs-Instrumentalisierung durch Synodalen Weg
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn sieht die Gefahr einer Instrumentalisierung von Missbrauch durch den Synodalen Weg. In einem Interview in der aktuellen Ausgabe (3/2022) der Internationalen Katholischen Zeitschrift "Communio" sagte Schönborn, dass es ihn befremde, "dass man so schnell vom Missbrauchsthema zu Kirchenverfassungsfragen übergeht". Die Evidenz dieser Verbindung sei bei Weitem nicht reflektiert und erwiesen. "Ist das wirklich ein direkter Konnex, dass Missbrauch in der Kirche geschehen ist, weil es keine Gewaltenteilung im Sinne demokratischer Rechtsstaaten gibt?", fragt der Kardinal. Er halte es für falsch, die Missbrauchsfrage heranzuziehen, um Reformthemen voranzubringen, die seit langem auf der Tagesordnung stehen. Dabei sei es doch sehr fraglich, ob damit dem Missbrauchsthema und den Betroffenen wirklich Gerechtigkeit widerfahre.
Deutliche Kritik äußerte Schönborn daran, dass bei der zweiten Synodalversammlung das Forum "Priesterliche Existenz heute" damit beauftragt wurde, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es das Priesteramt überhaupt brauche. Ein entsprechender Änderungsantrag wurde mit Mehrheit von einer Stimme in den Grundtext des Forums aufgenommen. Hier sei etwas falsch gelaufen, betonte der Kardinal. Über eine solche Frage könne man nicht synodal verhandeln. Nach Ansicht Schönborns hätte das Präsidium einschreiten müssen, da es Vorgaben gebe, die "zutiefst in der Bibel und der Tradition der Kirche verwurzelt sind": "Man stelle sich Diskussionen im Judentum unter Absehung von der Tora vor. Und man stelle sich einen synodalen Weg unter Absehung vom depositum fidei vor." Das sei nicht mehr Synodalität, sondern ein anderer Weg, "aber sicher nicht Synodalität im Sinne der Kirche". Schönborn vermisse auch Sensibilität gegenüber Priesteramtskandidaten und Priester, deren Lebensentscheidungen so in Frage gestellt werden.
Päpstliche Kritik am Klerikalismus kein Argument für Abschaffung der Hierarchie
Die Kritik von Papst Franziskus am Klerikalismus könne man nicht gegen die hierarchische Verfassung der Kirche ins Spiel bringen: "Die Tatsache, dass Priester und Bischöfe vertuscht haben, ist kein Argument gegen die bischöfliche Verfasstheit der Kirche." Dieses Problem könne nicht wie durch den Synodalen Weg vorgeschlagen, durch Laienräte an der Seite der Bischöfe gelöst werden, sondern allein durch die Nachfolge Jesu. Der Streit der Jünger, wer unter ihnen der erste sei, sei ein biblisches Beispiel für das Problem des Klerikalismus. "Geheilt wird das Problem durch das, was Jesus in dieser Nacht seinen Jüngern gesagt hat: Ich bin unter euch als der, der dient", betonte der Kardinal.
Schönborn, der als Mitglied des Rates des vatikanischen Synodensekretariats den von Papst Franziskus initiierten weltweiten Synodalen Prozess mit vorbereitet, betonte die geistliche Dimension von Synodalität. "Ein nur pragmatisch orientierter oder soziologisch vorgehender Versuch, synodal Probleme aufzuarbeiten, wird fehlgehen, schlicht und einfach", so der Wiener Erzbischof. Synodalität sei "zuerst und vor allem" eine Bitte an Gott um seine Wege und ein geistlicher Weg des Suchens, des Betens und Bittens sowie ein Prozess des Unterscheidens: "Wir wissen nicht alles. Wir suchen. Wir suchen Wege und bitten den Herrn: Zeige uns, nicht nur mir persönlich, sondern uns als Gemeinschaft deine Wege. Es geht nicht um unsere Wege, sondern um seine Wege", erläuterte der Kardinal unter Verweis auf den Propheten Jesaja. Das sei auch das Verständnis des Papstes. Franziskus lege großen Wert auf Prozesse: "Es sind nicht momentane Versammlungen, die elaborierte Textvorlagen abhandeln und dann abhaken, sondern er möchte Prozesse initiieren", so der Kardinal.
Schönborn plädierte für eine höhere Wertschätzung der Tradition und "Treue zu einer diachronen Synodalität". Es brauche die Offenheit auch für Sinngehalte, die sich jetzt und heute der Mehrheit der Gesellschaft nicht erschließen, etwa mit Blick auf die Frage nach dem Ausschluss von Frauen vom Weiheamt. "Vielleicht liegt hier eine Tiefe symbolischer Theologie, eine Dimension der Geschlechterdifferenz, die wir im Moment nicht wahrzunehmen vermögen, die sich aber vielleicht erschließen wird", so der Kardinal. (fxn)