Wie ein Traum zur Taufe führte
Misha Mesgarian (52) ist im Iran geboren, ist Mutter einer Tochter und arbeitet als Zahnchirurgin in Berlin. Dieses Jahr ist sie in der Osternacht in einer Berliner Gemeinde getauft worden. Im Interview berichtet sie von einem besonderen Traum in ihrer Kindheit – und von ihrem Weg in die katholische Kirche.
Frage: Frau Mesgarian, sie sind im Iran geboren und ließen sich dieses Jahr an Ostern taufen. Wie kam es dazu?
Mesgarian: Das fing damals schon in meiner Kindheit an. Meine Familie war nicht religiös im klassischen Sinne, sie kannten sich gut in der Religion aus und glaubten an Gott. Ich habe meinen Glauben nicht ausgeübt und kannte den Islam nur wenig. Ich wollte aber mehr über Gott wissen. Ich kann mich noch gut an einen Traum erinnern als ich acht Jahre alt war. Im Traum hieß es: "Gott ist bei denen, die gesegnet sind". Das Wort "gesegnet" kannte ich damals nicht. Ich bin dann zu meiner Urgroßmutter gegangen, die sehr religiös war, und habe sie gefragt, was es bedeutet, gesegnet zu sein. Sie hat gelächelt, mich umarmt und gesagt: "Du bist es schon, Misha."
Frage: Wie kam es denn, dass Sie später nach Deutschland kamen?
Mesgarian: Ich bin sehr wohlbehütet aufgewachsen, wie eine Prinzessin. Als ich 15 Jahre alt wurde, musste ich gemeinsam mit meiner jüngeren Schwester und meinen Großeltern aus dem Iran fliehen. Meine Mutter war alleinerziehend und als Geschäftsfrau sehr aktiv. Sie war Juristin und hat nebenbei Bücher übersetzt. Dann ist der Irak-Krieg ausgebrochen. Meine Mutter war politische Gegnerin des Mullah-Regimes und wurde verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Mein Onkel musste in den Krieg ziehen. Der Rest der Familie tauchte schnellstmöglich unter. Wir waren monatelang auf der Flucht. Ich weiß noch, wir hatten eine Tasche voller Geld dabei. Eigentlich wollten wir über die Türkei weiter nach England. Aber wir sind in West-Berlin gestrandet. Dann wurden wir als Asylanten registriert und in eine Flüchtlingsunterkunft gesteckt. Für mich war das damals ein Schock. Es gab nur eine Dusche und eine nicht abschließbare Toilette für die 50 Bewohner in diesem Asylantenheim.
Frage: Wie ist es Ihrer Mutter dann ergangen?
Mesgarian: Wir hatten keinen Kontakt zu ihr und wussten nicht, ob sie noch lebt. Dann wurde uns vorgetäuscht, dass sie exekutiert wurde. Meinem Onkel, der inzwischen auch aus dem Krieg fliehen konnte, wurden ihre blutverschmierten Sachen aus dem Gefängnis überbracht. Meine Welt ist damals zusammengebrochen, als ich erfuhr, dass meine Mutter tot sei. Aber schon damals hat mir Gott Kraft gegeben. Vor lauter Kummer ging ich damals in Berlin im Wald spazieren. Es war kalt und ich habe geweint. Als ich so traurig und verzweifelt war, sah ich auf dem Boden ein Kreuz liegen. Ich nahm es mit nach Hause. Ich bin mir sicher, dass Gott mich in diesem Moment damit trösten wollte und bei mir war.
Frage: Hat Ihre Mutter das Gefängnis überlebt?
Mesgarian: Gott sei Dank, ja. Ein Jahr später war meine Mutter am Telefon und wollte wissen, wo wir untergebracht sind. Sie erzählte, dass sie einen Tag Freigang bekam und mit Hilfe von Freunden untergetaucht ist. Sie wurde außer Landes gebracht und bald schon war sie bei uns in Berlin. Damals war ich 18 Jahre alt. Als meine Mutter auftauchte, war das für mich ein Segen. Ich bin dann bei ihr geblieben. In Deutschland fand sie aber trotz ihrer guten Qualifikationen keine Anstellung. Sie musste als Putzfrau arbeiten. Nach einiger Zeit wollte sie das nicht mehr und ging nach Spanien und später nach Amerika, wo sie auch einen angemessenen Job fand. Meine Großeltern sind nach Hamburg gezogen und auch dort verstorben. Ich blieb mit meiner Schwester in Berlin.
Frage: Wie kam es dazu, dass Sie sich für den Glauben interessierten?
Mesgarian: Gott war immer schon für mich da. Nur ich wusste es damals noch nicht. Aber Gott war hartnäckig und gab mir immer wieder Zeichen. Als ich Mutter von einer Tochter wurde, wollte meine beste Freundin, dass ich sie taufen lasse. Sie wollte gerne ihre Patin sein. Doch ich zögerte. Als meine Tochter drei Jahre alt war, besuchte ich abwechselnd mit ihr den katholischen und den evangelischen Gottesdienst. Sie sollte beide Konfessionen kennen lernen und sich später selbst entscheiden. Dann habe ich selbst begonnen, darüber nachzudenken, mich taufen zu lassen.
Frage: Gab es dazu einen Auslöser?
Mesgarian: Ich habe wieder geträumt. Dieses Mal erschien mir die Gottesmutter Maria. Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht, weil ich es nicht glauben konnte, dass sie so lebendig als Frau vor mir stand. Ich rieb mir die Augen und dachte: "Aha, nur geträumt." Ich schlief dann wieder ein. Aber sie erschien mir nochmals. Dann war es für mich klar: Maria will mir etwas sagen.
Frage: Was hat die Gottesmutter Ihnen mitgeteilt?
Mesgarian: Sie sagte: "Das ist dein Weg, deine Aufgabe. Du wirst eine schöne Zeit haben, wenn du deine Aufgabe verstanden hast und erledigst." Das war ihre Botschaft an mich. In diesem Traum habe ich auch ein Wandbild voll mit bunten Vögeln und Pflanzen gesehen. Das sah so wunderschön aus. Wenige Wochen später war ich auf Wohnungssuche und in einer Wohnung erblickte ich genau dieses Bild aus meinem Traum wieder. Sie können sich vorstellen, was für ein Gänsehauteffekt das für mich war. Es ist so eine außergewöhnliche Malerei. Für mich war das ein Zeichen. Durch Zufall habe ich diese Wohnung schließlich auch bekommen und wohne bis heute darin, obwohl sie zuerst jemand anderem versprochen wurde. Ich wollte einfach gerne ida zu Hause sein, weil mich die Mutter Maria in meinem Traum da hingeführt hat.
Frage: Wie deuten Sie dieses Zeichen für sich?
Mesgarian: Ich habe immer fest an Gott geglaubt, war aber gegen jede Art Religion und hielt es für überflüssig. Aber es gibt Sachen, die kann mich sich nur erträumen und sie werden wahr. Diese Wohnung ist ein Gottgeschenk für mich und eine Botschaft für meinen Glaubensweg. In dieser Wohnung fühle ich mich Gott ganz nah. Und ich bekam noch weitere Zeichen. In der Wohnung oberhalb von mir ist eine junge Frau aus der Türkei eingezogen. Wir wussten nichts voneinander. Plötzlich tauchte sie auch in meinem Glaubenskurs auf, den ich damals begonnen hatte zu besuchen. Sie hatte auch von der Gottesmutter geträumt. Sie ist wie ich an Ostern getauft worden. Für mich sind das keine Zufälle, sondern klare Gottesbeweise. Es gibt jemanden, der auf uns aufpasst.
Frage: Hatten Sie keine Zweifel daran?
Mesgarian: Zweifel sind wichtig, denn sie erschüttern einen. Aber jeder Zweifel bringt mich ein Stück näher zu Gott. Ich bin als Kind geflüchtet und habe dabei viel Schlimmes erlebt. Ich habe im Leben erfahren, was es heißt, alles zu haben und nichts zu haben. Ich weiß, was es heißt, gesund zu sein und krank zu sein. Ich hatte Unfälle, Operationen und ich habe mehrfach Krebs überlebt. Gott war immer bei mir. Ich kann klagen, ich kann zweifeln, aber ich habe keine Angst. Ich habe auch keine Angst zu sterben, weil ich sehr früh begriffen habe, dass alle Menschen auf der Erde ein Teil von Gott sind.
Frage: Wie haben Sie Ihre Taufe erlebt?
Mesgarian: Der geistige Übertritt in die Kirche war für mich schon vor der Taufe vollzogen, damals als ich 2017 die Entscheidung getroffen habe, mich taufen zu lassen. Das war der Moment, wo ich gesagt habe: Ja, ich will von Herzen gerne katholisch werden. Die Taufe selbst war nun der offizielle Schritt. Jetzt bin ich von meiner Gemeinde anerkannt, jetzt steht es auf dem Papier. Jetzt darf ich zur Kommunion. Aber meine Liebe zu Christus und zur Kirche ist schon lange da. Ich bin froh, dass es die Kirche gibt und dass ich nun dazu gehöre. Ich bin sehr gerne in der Kirche.
Frage: Was bedeutet Ihr Vorname?
Mesgarian: Misha bedeutet die ewige Blume, die ewig Blühende. Ich habe hier auf Erden einen Auftrag zu erfüllen. Und der lautet: Bedingungslose Liebe zu schenken, ohne von jemanden etwas zurückzufordern. Gott ist bei mir immer. Gott liebte mich, auch als ich ihn ablehnte. Nun gehe ich diesen Weg, weil Gott mich gerufen hat und ich ihn liebe.