Steilpass zu Gott
Im Sommer hängte der 24-jährige Saarländer, der für den 1. FC Saarbrücken und in der dritten Liga für den SV Elversberg auf Torejagd ging, seine Fußballschuhe an den Nagel. Nicht, weil ihn eine schwere Verletzung dazu zwang, sondern vielmehr um sich als Augustiner-Chorherr fortan der Arbeit mit Gott zu widmen. "Ich hatte die Wahl, durch den Fußball noch mehr Zeit zu verlieren oder mich auf den Plan Gottes einzulassen", sagt Herr Sebastian. Der Fußballprofi Sebastian Piotrowski, das ist für den zurückhaltenden, ruhigen jungen Mann, der von sich selbst sagt, lieber zuzuhören als zu reden, Geschichte. Abgehakt. Ohne Wehmut.
Sämtliche Steine seien ihm vom Herzen gefallen, als er sich nach drei Jahren des Ringens im August dafür entschieden hat, seinen weiteren Lebensweg in der Propstei St. Michael zu Paring in Bayern fortzuführen. "Natürlich hatte auch ich als kleiner Junge immer den Traum irgendwann einmal Profifußballer zu werden", sagt Herr Sebastian auch.
Schnell ging es im Fußball nach oben
Bereits mit sieben Jahren spielt er im Verein, schnell geht es für den talentierten Jungen nach oben in den Profibereich. Doch neben der Liebe für das runde Leder gibt es noch etwas, das den jungen Sebastian Piotrowski bereits von klein auf umtreibt. Der tiefe Glaube an Gott. "Wenn ich heute auf mein bisheriges Leben zurückblicke, scheint es wohl schon so zu sein, dass mein Weg hierher vorgezeichnet war", sagt er in der Rückschau. "Ich denke, es war sein Plan mit mir, dass ich für ihn arbeite." Bereits als Kind habe er in der Kirchenbank sitzend immer die Wandlungsgebete mitgesprochen und Priester gespielt. Der Tod seines Vaters, dieser stirbt als Sebastian Piotrowski 13 Jahre alt ist, hat ihn letztlich noch tiefer zum Glauben geführt. "Ich konnte den schmerzlichen Verlust auf diese Weise verarbeiten und verkraften", sagt er. Erste Blicke in die Tiefe des Lebens seien das für ihn gewesen.
Was folgt, ist ein langer Weg des Suchens und Fragens, der Unsicherheit und auch des Zweifels. Etwas verwachsen habe sich seine Beziehung zum Glauben in der Jugendzeit, sagt Herr Sebastian. Andere Dinge sind interessanter. Das Gymnasium muss er nach der elften Klasse verlassen. Erst über den Umweg Fachoberschule und Wirtschaftsgymnasium erlangt er schließlich doch das Abitur. Nebenbei rollt immer der Ball, immer häufiger ins Tor, immer hochklassiger. "Als ich 17 Jahre alt war, habe ich dann schon wieder tief in mir gespürt, dass da so etwas ist, wie eine Berufung", sagt Herr Sebastian. Bereits zu diesem Zeitpunkt denkt er darüber nach, wie es wäre, im Priesterseminar leben und gleichzeitig weiter auf hohem Niveau Fußball spielen zu können.
Jede Berufung ist etwas Besonderes – Fußballprofi hin oder her
Eine Möglichkeit, die ihm verwehrt bleibt. "Gott sei Dank", findet er heute. Denn für ein endgültiges "Ja" sind seine Zweifel zu diesem Zeitpunkt noch zu groß. "Ich habe damals gemerkt, dass ich mich noch nicht zu 100 Prozent auf dieses Leben hätte einstellen können", sagt er. Die Zeit sei gut gewesen, um sich selbst zu überprüfen. Der Wunsch, in einer Beziehung aufzugehen und eine Familie zu gründen sei auch ihm nicht fremd gewesen. Doch die andere Sehnsucht ist stärker in ihm verankert. Letztlich ist seine Zeit als Fußballprofi für Sebastian Piotrowski das letzte, noch fehlende Stück im Puzzle auf dem Weg zum Ordensleben.
Für sich alleine sei jeder ein guter Charakter gewesen, aber der Druck lasse die Menschen unfair werden, das habe er in dieser Phase seines Lebens immer wieder erfahren müssen. Im eigenen Mannschaftskreis herrschte ständiger Konkurrenzkampf. Dazu die Oberflächlichkeit, das Laute und Krawallige, der oftmals nur schöne Schein – all das habe er zwar dank seiner tiefen Verwurzelung im Glauben ertragen können. Erfüllt hat dieses Leben Sebastian Piotrowski jedoch in keinster Weise. "Ich habe gespürt, dass mich diese Welt auf meinem Weg mit Jesus zu stark bremst und ich in meiner Geistigkeit nicht wachsen kann." Missen möchte er die Zeit dennoch nicht, wie er sagt. Denn der Fußball an sich habe ihm immer viel Freude bereitet. Aber es war nicht seine Zeit. Seine Zeit ist jetzt.
Im vergangenen Jahr macht der Ex-Fußballer sein Abitur nach
Die Bücher für sein Theologiestudium – dessen Beginn ist für Sebastian Piotrowski bereits während seiner aktiven Fußballkarriere nur eine Frage des wann und nicht des ob – füllen längst ganze Regale. Er ringt mit sich. Der Kontakt zum Orden der Augustiner-Chorherren ist da längst hergestellt. "Bereits bei meinem ersten Besuch vor drei Jahren hier in der Propstei war ich vollauf begeistert von der Gemeinschaft der Chorherren", sagt er. Die Ausrede, solange er das Abitur noch nicht in der Tasche habe, könne er ja noch weiter Fußball spielen, fällt schließlich im vergangenen Jahr weg. Prüfungen bestanden.
"Ich habe mich dann zurück an St. Michael erinnert, bin vorab noch ein paar Tage zur Probe hier gewesen und nun endgültig eingezogen", sagt Herr Sebastian. "Wenn man so will, habe ich die Entscheidung in andere Hände gelegt", sagt er auch und lacht. "Die Mitbrüder haben über die ganze Zeit sicherlich viel für mich gebetet, dass ich mich endlich wage, diesen Schritt zu tun." Ein Fußballprofi, der Ordenspriester werden möchte, für den Generalpropst der Augustiner-Chorherren von Windesheim, Helmut Grünke, ist dies nicht von großer Bedeutung. "Jede Berufung ist etwas Besonderes", sagt er. "Dass Herr Sebastian Fußballprofi war, spielt da keine Rolle."
"Fleißiger und ordentlicher geworden"
Viel wichtiger findet er, dass man sich gegenseitig überprüft. "Sucht da jemand nur ein gemachtes Nest oder spürt er eine wahre Sehnsucht danach, später als Ordenspriester in der Seelsorge tätig sein zu wollen?" Dafür dient das einjährige Noviziat. In diesem Jahr erfolgt nicht nur die grundlegende Ausbildung zum Chorherren. Die Zeit ist auch dazu da, sich selbst besser kennen zu lernen. "Ich denke schon, dass mich Gott in gewissen Dingen bereits verändert hat", sagt Herr Sebastian. Mit einem Lächeln fügt er hinzu: "Ich bin viel fleißiger und ordentlicher geworden."
Es seien auch solche kleinen Dinge, die einen reifen und wachsen lassen, bestätigt der Generalpropst. Anpassungsschwierigkeiten an das klösterliche Leben hat er bei dem ehemaligen Fußballprofi keine erkennen können. Ganz im Gegenteil. "Die Erfahrungen aus seinem vorherigen Leben kann er sicherlich später gut in seine Arbeit als Priester einsetzen, um Kirche vor Ort gestalten und Brücken bauen zu können, so dass Menschen den Glauben neu entdecken."
Zeit mit sich und im Gebet zu verbringen
In der Tat wirkt es so, dass das ruhige Leben in der Abgeschiedenheit der bayerischen Idylle vielmehr die Welt des bescheidenen und introvertierten jungen Mannes ist, als die nach Aufmerksamkeit heischende Fußballwelt. Der größte Unterschied zu seinem vorherigen Leben sei die Tatsache, dass nun endlich die geistige Arbeit mit dem Glauben und der intensive Austausch darüber im Vordergrund stünden, sagt er. Bis zum Beginn seines Theologiestudiums an der Universität Regensburg möchte er sein Noviziat nutzen, um in Ruhe viel zu lesen, zu schreiben, Zeit mit sich und im Gebet zu verbringen, im geistigen Leben zu wachsen und Dinge zu machen, die für ihn bislang keine Rolle spielten: Rasen mähen, Blumen säen, Obst pflücken.
In einer Sache habe er sich aber eigentlich gar nicht umstellen müssen, sagt Herr Sebastian. "Letztlich ist eine Fußballmannschaft ähnlich wie unsere Gemeinschaft hier. Wir arbeiten und wirken zusammen und verfolgen gemeinsam ein Ziel." Nur sind es in seinem neuen Leben 13 Ordensmänner, die eine wirkliche "Mannschaft" bilden und nicht 11 Mann, von denen am Ende doch jeder für sich alleine steht. Nur kann er hier wirklich das leben, was ihn erfüllt und glücklich macht.