Bistum Rottenburg ermöglicht umfassende Akteneinsicht für Aufarbeitung
Das Bistum Rottenburg-Stuttgart hat als erste Diözese eine Rechtsgrundlage für die Verwendung von Daten aus Personalakten von Beschäftigten durch bischöfliche Kommissionen zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in Kraft gesetzt. Im aktuellen Amtsblatt (Freitag) wurde die "Ordnung zur Regelung von Einsichts- und Auskunftsrechten für die Kommissionen zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener in Bezug auf Personalaktendaten von Beschäftigten" (OAK-DRS) veröffentlicht. Die Ordnung ermöglicht es, personenbezogene Daten in Akten auch ohne Einwilligung des Beschäftigten an bischöfliche Kommissionen zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs unter bestimmten Bedingungen weiterzugeben. Möglich ist die Weitergabe, wenn sie für die Aufarbeitung erforderlich ist, eine Verwendung anonymisierter Daten ausscheidet und das kirchliche Interesse an der Aufarbeitung das Interesse des Beschäftigten "erheblich" überwiegt.
Als Konsequenz aus der MHG-Missbrauchsstudie, die unter anderem flächendeckend große Versäumnisse bei der Führung von Personalakten ergeben hatte, haben alle Bistümer in der Regel zum 1. Januar 2022 eine Personalaktenordnung für Kleriker und Kirchenbeamte erlassen, die allerdings in der bundeseinheitlichen Form keine Normen zur Verwendung der Personalakten für die Missbrauchsaufarbeitung enthält. Gegenüber katholisch.de erklärten 18 Bistümer, entsprechende Musternormen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Kraft setzen zu wollen. Nach aktuellem Stand haben dies mindestens 16 bereits getan, darunter Rottenburg-Stuttgart. Diese Einsichtsnormen gelten wie die Personalaktenordnung nur für Kleriker und Kirchenbeamte. Rottenburg-Stuttgart ist damit das erste Bistum, das eine Akteneinsicht zur Missbrauchsaufarbeitung für ausnahmslos alle Beschäftigte, unabhängig von ihrer Beschäftigungsart, eingeführt hat.
Die OAK-DRS wurde von der Kommission zur Ordnung des Diözesanen Arbeitsvertragsrechts (Bistums-KODA) bereits im Mai beschlossen, durch Bischof Gebhard Fürst Ende Juni promulgiert und mit dem Erscheinen im Amtsblatt am Freitag in Kraft gesetzt. Als Beschluss der Bistums-KODA gilt die Rottenburger Ordnung für alle Beschäftigten im Geltungsbereich des katholischen kirchlichen Arbeitsrechts des Bistums Rottenburg-Stuttgart, nicht nur für die unmittelbar beim Bistum angestellten. Im März hatte das Bistum Essen als erstes Bistum die Führung von Personalakten der dem Generalvikar unterstellten Beschäftigten, die keine Kleriker oder Kirchenbeamte sind, nach dem Muster der Personalaktenordnung geregelt, allerdings ohne spezielle Einsichtsnorm zur Aufarbeitung. Im Sommer 2021 hatte das Erzbistum Köln als Konsequenz aus dem diözesanen Missbrauchsgutachten seine Personalaktenverwaltung auf ein digitales, nachverfolgbares und manipulationssicheres System umgestellt. (fxn)