Theologe Tauchner: Synodaler Weg bedroht Einheit der Kirche nicht
Der Theologe Christian Tauchner widerspricht Befürchtungen des Vatikan, der deutsche Reformprozess Synodaler Weg könne die Einheit der katholischen Kirche bedrohen. Vielfalt sei keine Gefahr für die Kirche – im Gegenteil. "Wenn gleiche Regeln ohne Rücksicht auf verschiedene Kulturen durchgesetzt werden, ist die Gefahr der Zersplitterung viel größer", sagte der Missionswissenschaftler den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse (Sonntag) in Osnabrück.
In einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Erklärung hatte der Vatikan die Katholiken in Deutschland vor Alleingängen bei Kirchenreformen gewarnt. Rom bezog sich damit auf den Reformprozess Synodaler Weg, bei dem Bischöfe und Laien seit 2019 gemeinsam über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland beraten. Schwerpunktthemen sind die Sexualmoral, die priesterliche Lebensform, Macht und Gewaltenteilung sowie die Rolle von Frauen in der Kirche. Die Erklärung löste eine kontroverse Debatte über den Reformprozess und das Kommunikationsverhalten des Heiligen Stuhls aus. Während das Präsidium des Synodalen Wegs die Wortmeldung zurückwies, begrüßten sie einzelne Bischöfe.
"Einheit heißt nicht Einförmigkeit"
"Einheit heißt nicht Einförmigkeit", betonte Tauchner, der Direktor des Steyler Missionswissenschaftlichen Instituts in Sankt Augustin ist. "Es zerreißt die Einheit nicht, wenn in einer Kultur Homosexualität anders gesehen wird als in einer anderen." Wenn in Deutschland zum Beispiel schwule Paare gesegnet würden, irritiere das einen Indonesier nicht mehr, als die Tatsache, dass Deutsche die Hostie in die linke Hand nehmen. Das sei dort nämlich genauso tabu wie Homosexualität, so Tauchner.
Der Theologe und Priester verwies auf die bereits bestehenden zahlreichen Unterschiede in den Regionen der Weltkirche. So existiere die Regelung, dass ein Bischof vom Domkapitel gewählt werde, nur in Deutschland. Ständige Diakone hätten viele Diözesen der Welt nie eingeführt. Und auch den im Kirchenrecht verankerten Diözesanpastoralrat gebe es in einigen Bistümern nicht.
Nach Ansicht des Missionswissenschaftlers ist es falsch, Katholizismus nur römisch zu definieren und andere Theologien zu unterdrücken – etwa die Befreiungstheologie, aber auch solche, die lokale Traditionen aus Naturreligionen oder dem Ahnenkult aufnehmen. "Vielleicht verstehen wir diese Ansätze nicht, aber das heißt ja nicht, dass sie falsch sind oder verboten gehören." (tmg/KNA)