Hoff zu Vatikan-Erklärung: Kurie hat Angst vor synodalem Systemwechsel
Der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff hat die in der vergangenen Woche veröffentlichte Erklärung des Vatikan zum Synodalen Weg kritisiert. Er sei erschüttert von der "empathiefreien Ignoranz gegenüber dem Anlass des Synodalen Wegs: der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals", schrieb Hoff in einem Beitrag in der österreichischen Zeitung "Die Furche" am Donnerstag. Studien hätten gezeigt, dass Missbrauch in der Kirche systemische Gründe habe, doch die "Hörbereitschaft im Vatikan" zu diesem Thema sei nicht ausgeprägt, so der Theologe. "Sonst würde man synodale Reformanliegen im Zeichen von Macht- und Gewaltenteilung, aber auch mit Bezug auf die katholische Sexualmoral anders einordnen."
Wer sich nicht entschlossen an die systemische Aufarbeitung der Missbrauchsfälle mache, verletze die kirchliche Einheit, so Hoff weiter mit Blick auf die Vatikan-Erklärung, die bestimmte Forderungen im Rahmen des Synodalen Wegs mit der Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft in Bezug brachte. Durch fehlende Missbrauchsaufarbeitung würden nach Ansicht des Fundamentaltheologen die Betroffenen erneut verletzt und die kirchlichen Glaubwürdigkeitsreserven zerstört. Das Schreiben aus dem Vatikan erwähne Missbrauchsopfer oder Frauen, die generell von kirchlichen Ämtern ausgeschlossen seien, nicht. "Die Disposition kirchlicher Macht steht im Fokus." Das führe mit Blick auf den von Papst Franziskus angestoßenen weltweiten synodalen Prozess zu einem Widerspruch. Man müsse sich fragen, ob sich Rom mit der Universalkirche verwechsle, schrieb Hoff. In der vatikanischen Kurie herrsche Angst vor einem Systemwechsel in der Kirche hin zu mehr Synodalität: "Denn eine wirklich synodale Kirche verträgt sich kaum mit jenem römischen Katholizismus, der an kurialer Zentralmacht haftet."
Unterdessen rief der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück dazu auf, "in der Kirche eine neue Kultur des Zuhörens" einzuüben. Es sei wichtig, die gemeinsame Ausrichtung aller wiederzufinden und die geistlichen Ressourcen zum Sprechen zu bringen, schrieb der Dogmatiker in einem Beitrag in der "Neuen Zürcher Zeitung" am Mittwoch. "Echte Erneuerung kann nur aus dem Glauben kommen." Davon sei jedoch in der Diskussion über den Synodalen Weg kaum etwas zu hören. Die Bischöfe wirkten zudem zum Teil überfordert und leitungsmüde. Es sei keineswegs sicher, dass angesichts der Reformdebatten "alle zusammengehalten werden können".
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Die Vatikan-Erklärung sei nicht nur ein Stoppschild, so Tück weiter. "Deshalb ist es falsch, antirömische Affekte zu schüren und eine kollektive Trotzhaltung einzunehmen, wie es einige theologische Akteure des Synodalen Weges getan haben." Die Kirche in Deutschland müsse jedoch von der "illusionären Idee" der Verstetigung des Synodalen Wegs in Form eines Synodalen Rates Abstand nehmen. Bei den kommenden Synodalversammlungen sollte dieser Punkt nach Ansicht von Tück von der Tagesordnung gestrichen werden. "Eine Rätekirche wäre eine neue Form der Kirchenleitung." Stattdessen sollten die Bischöfe ihren Leitungsauftrag verantwortungsbewusst, aber nicht autoritär wahrnehmen.
Zudem forderte Tück eine zügige Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, sodass die Kirche zum Vorbild für andere Institutionen werden könne, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigten. Die Missbrauchsstudien in den einzelnen Diözesen sollten deutschlandweit besser abgestimmt werden. Außerdem trat der Theologe für eine bessere Kommunikation der Bischöfe mit ihren ausländischen Mitbrüdern ein. Statt besorgte Stimmen aus anderen Ländern "als konservativ abzukanzeln oder als intellektuell dürftig zu qualifizieren", sollten sie als Ausdruck kritischer Solidarität mit der Kirche in Deutschland gewürdigt werden. Die Forderung der Vatikan-Erklärung, die Ergebnisse des Synodalen Wegs in die Weltsynode einfließen zu lassen, sei ein Ausdruck der Wertschätzung. "Die Eingaben haben allerdings nur dann eine Chance, aufgenommen zu werden, wenn die Kirche aus Deutschland nicht als Oberlehrerin auftritt", so Tück.
Der Heilige Stuhl hatte die Katholiken in Deutschland am vergangenen Donnerstag in einer überraschend veröffentlichten Erklärung vor Alleingängen bei Kirchenreformen gewarnt. Der von den Bischöfen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angestoßene Synodale Weg sei "nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten". Die Erklärung löste eine kontroverse Debatte über den Reformprozess und das Kommunikationsverhalten des Heiligen Stuhls aus. Während das Präsidium des Synodalen Wegs die Erklärung zurückwies, begrüßten einzelne Bischöfe die Wortmeldung. (rom)