Der Synodale Weg und der Dialog mit Rom: Ein schwieriges Feld
Eigentlich, so hat es der 2007 verstorbene Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick einst formuliert, kann man nicht nicht kommunizieren. Die katholische Kirche in Deutschland und der Vatikan scheinen derzeit jedoch wieder einmal das Gegenteil zu beweisen – zumindest, wenn es um den Synodalen Weg geht. Denn auch im mittlerweile dritten Jahr des Reformprozesses bleibt die Kommunikation zwischen der deutschen Kirche und Rom bei diesem Thema schwierig.
Aktuelles Beispiel dafür ist die am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Erklärung des Heiligen Stuhls zum Synodalen Weg. Ohne jegliche Vorwarnung und ohne klaren Absender warnte der Vatikan die Katholiken in Deutschland darin vor Alleingängen bei Reformen. Der von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gemeinsam angestoßene Reformprozess sei "nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten", hieß es in der nur zwölf Zeilen kurzen Erklärung. Und weiter: "Es wäre nicht zulässig, in den Diözesen vor einer auf Ebene der Universalkirche abgestimmten Übereinkunft neue amtliche Strukturen oder Lehren einzuführen, welche eine Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und eine Bedrohung der Einheit der Kirche darstellen würden."
Verantwortliche des Synodalen Wegs wurden erkennbar kalt erwischt
Die Verantwortlichen des Synodalen Wegs wurden von diesem Machtwort erkennbar kalt erwischt. Auch wenn durch verschiedene Wortmeldungen – auch von Papst Franziskus, der mit Blick auf den Reformprozess zuletzt mit einer Prise Humor vor einer zweiten evangelischen Kirche in Deutschland warnte – aus dem Vatikan seit langem klar ist, dass der Vatikan den Synodalen Weg äußerst kritisch sieht: Dass jedoch eine solche Erklärung drohen könne, hatte im Präsidium des Reformprozesses wohl niemand erwartet. Deutlich herauslesen konnte man das aus der noch am Donnerstagabend verschickten Erwiderung des Präsidiums des Synodalen Wegs, in der der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, und ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp die Kritik Roms zurückwiesen. Zugleich kritisierten sie aber auch sehr grundsätzlich die Kommunikation des Vatikan mit Blick auf den Reformprozess.
Die "Art der heutigen Kommunikation" löse bei ihnen "Verwunderung" aus, so Bätzing und Stetter-Karp. Es zeuge von keinem guten Stil der Kommunikation innerhalb der Kirche, wenn nicht namentlich gezeichnete Erklärungen veröffentlicht würden. Zudem beklagten sie, dass das Präsidium des Synodalen Wegs bis heute nicht zu einem Gespräch in den Vatikan eingeladen worden sei. "Wir bemühen uns seit Beginn des Synodalen Weges von Seiten des Präsidiums um direkte Wege der Kommunikation mit den römischen Stellen. Dies wäre unseres Erachtens der Ort für solche Klärungen", betonten Bätzing und Stetter-Karp. Dass diese direkte Kommunikation bislang nicht stattgefunden habe, "bedauern wir irritiert".
In der Tat warten die Verantwortlichen des Synodalen Wegs schon lange auf eine Einladung in den Vatikan. Eine erste konkrete Initiative für ein Treffen hatte Bätzing bereits vor zwei Jahren gestartet. Nach einem heftigen Konflikt zwischen der Kleruskongregation und deutschen Kirchenvertretern aufgrund einer vatikanischen Instruktion zu Reformen in Pfarrgemeinden hatte der Bischof im August 2020 ein Gesprächsangebot der Kurie zu dem Thema angenommen und gleichzeitig vorgeschlagen, das Gespräch mit dem Präsidium des Synodalen Wegs zu führen, da auch Laien in der Instruktion angesprochen würden. Zwei Monate später kam jedoch ein Veto aus dem Vatikan. In einem Brief an Bätzing lehnte der damalige Leiter der Kleruskongregation, Kardinal Beniamino Stella, die Teilnahme von Laien an der geplanten Unterredung ab. In Anbetracht der Tatsache, dass die Instruktion in erster Linie an die Bischöfe gerichtet sei, "betrachte ich in dieser Phase diese als die erforderlichen Gesprächspartner dieser Kongregation", so der Kardinal wörtlich.
"Der Vatikan spricht lieber weiter über uns als mit uns"
Stellvertretend für viele andere Beteiligte des Synodalen Wegs brachte die stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Agnes Wuckelt, damals ihre Enttäuschung über Stellas Weigerung zum Ausdruck. Dessen Reaktion zeige, dass man im Vatikan weiter "lieber über uns spricht als mit uns". Die Kurie habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt und zeige, dass sie die Laien "nicht auf Augenhöhe" sehe, obwohl diese in der Instruktion ebenso angesprochen würden.
„Der Nuntius sitzt bei uns bei den Synodalversammlungen hörend dabei, gibt keine Wortmeldung ab. Ein dialogisches Prinzip ist etwas anderes.“
Ähnlich äußerte sich im vergangenen Herbst die damalige ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann. Wenige Tage nach der zweiten Synodalversammlung in Frankfurt am Main warf auch sie der Kurie mangelnde Gesprächsbereitschaft vor. Vertreter des Reformprozesses hätten mehrfach um ein Gespräch mit Papst Franziskus oder Vertretern seiner Kurie gebeten. "Das ist bisher nie aufgegriffen worden. Der Nuntius sitzt bei uns bei den Synodalversammlungen hörend dabei, gibt keine Wortmeldung ab. Ein dialogisches Prinzip ist etwas anderes." Zum Ende der Synodalversammlung hatte sich Kortmann auch direkt an den Nuntius – Erzbischof Nikola Eterovic – gewandt und unter dem Applaus der Synodalen erklärt, dass es sehr hilfreich wäre, wenn es "endlich" ein Gesprächsangebot aus Rom gäbe, "auf das wir doch schon so lange warten". Die Koffer der Synodalen seien gepackt und man wolle gerne auch mit dem Nuntius zusammen nach Rom fliegen.
Welche Rolle spielt der Apostolische Nuntius beim Kommunikationsproblem?
Eterovic hat das Angebot allerdings bis heute nicht angenommen. Doch nicht nur deswegen dürfte er seinen eigenen Anteil am Kommunikationsproblem zwischen dem Synodalen Weg und Rom haben. Denn dass der 71-Jährige in den vergangenen drei Jahren im Vatikan für den Reformprozess geworben oder gar dabei geholfen hätte, das römische Misstrauen gegenüber dem Prozess auszuräumen, ist zumindest öffentlich nicht bekannt. In Erscheinung trat Eterovic vielmehr vor allem mit mahnenden Wortmeldungen an die Adresse der deutschen Katholiken. Diese sollten die Einheit der Kirche wahren und den Weisungen des Papstes folgen, erklärte er etwa im Herbst vergangenen Jahres vor den Bischöfen und im Frühjahr dieses Jahres noch einmal vor der Synodalversammlung. Die vatikanische Angst vor einem mit dem Reformprozess eingeschlagenen deutschen Sonderweg schwang dabei immer gut hörbar mit.
Doch die Schuld für das Kommunikationsproblem rund um den Synodalen Weg liegt sicher nicht nur auf Seiten des Vatikan und seines Vertreters in Deutschland. Auch die führenden Köpfe des Reformprozesses selbst dürften daran ihren Anteil haben. Oft genug wurden kritische Wortmeldungen aus Rom – und zuletzt auch aus mehreren nationalen Bischofskonferenzen – wegmoderiert, umgedeutet oder gar ganz ignoriert. Beispielhaft dafür steht für viele Beobachter der Umgang mit dem Brief von Papst Franziskus "An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" vom Juni 2019. Darin mahnte auch der Papst die Einheit mit der Weltkirche an und betonte, dass die Evangelisierung das Leitkriterium der Erneuerung sein müsse. Die führenden Vertreter des Synodalen Wegs interpretierten den Brief dennoch ausschließlich als Ermutigung für ihren Weg.
Dass der Papst seither immer wieder auf seinen Brief verwiesen hat, dürfte auch damit zusammenhängen, das er mit dieser einseitigen Interpretation seines Schreibens nicht sonderlich einverstanden war. Das deutete am Montag auch der Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Vatican News, Stephan von Kempis, an: Man höre von Gesprächspartnern immer wieder, dass Franziskus sich wundere, dass Anregungen seines Briefs beim Synodalen Weg nicht stärker beachtet worden seien, so von Kempis in einem Interview bei domradio.de. Viele im Vatikan treibe zudem die Sorge um, dass der Synodale Weg in Deutschland in die falsche Richtung gehe.
Von Kempis: Kontinuierlich und auch hartnäckig das Gespräch suchen
Ähnlich äußerte sich am vergangenen Freitag auch die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz. Man dürfe angesichts der jüngsten Intervention aus dem Vatikan sicher die Frage stellen, ob der Synodale Weg ein Kommunikationsproblem habe, so Schwester Anna Mirijam Kaschner. In der breiten Öffentlichkeit werde sich wahrscheinlich niemand intensiv mit den vielen Texten, Formulierungen, Abstimmungen, Ergänzungen und Textänderungen beschäftigt haben oder beschäftigen können. Stattdessen sei offensichtlich der Eindruck entstanden, "der Synodale Weg wolle eben doch die Lehre der Kirche verändern, oder eben doch einen Sonderweg gehen", so Kaschner.
Soll der Synodale Weg nicht scheitern, müssen die Verantwortlichen kommunikativ wohl deutlich stärker in die Offensive gehen – auch und vor allem gegenüber dem Vatikan. Vatican-News-Journalist von Kempis empfahl den Vertretern des Reformprozesses am Montag, "kontinuierlich und auch hartnäckig" das Gespräch mit der Kurie zu suchen und das eigene Tun besser zu erklären. "Und hört auch den anderen und ihren Standpunkten zu. Dieser Punkt, das Zuhören, ist ja etwas, das auch der Papst immer wieder hervorhebt", so von Kempis.