Kritik an VfGH-Urteil zur Gleichwertigkeit von Kunst und Religion
Die Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zur Gleichbehandlung von Kultur und Religion bei Covid-Schutzmaßnahmen stößt bei den Kirchen auf Kritik. Gegenüber der Agentur "kathpress" verteidigte der Rechtsreferent der Österreichischen Bischofskonferenz Markus Brandner am Dienstag Bestimmungen, die die Religionsausübung von Corona-Maßnahmen ausnehmen. Die Feier öffentlicher Gottesdienste falle in den Kernbereich der inneren Angelegenheiten anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften. Deren Wahrnehmung durch die jeweiligen Religionsgemeinschaften sei insbesondere durch das Staatsgrundgesetz 1867 verfassungsgesetzlich geschützt und die Ermöglichung der gemeinschaftlichen Religionsausübung als "religiöses Grundbedürfnis" auch während Lockdowns verfassungsgesetzlich geboten.
Auch der evangelische Synodenpräsident Peter Krömer verwies gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epdÖ) am Mittwoch auf das Staatsgrundgesetz von 1867 und kritisierte, dass dessen Bestimmungen in der VfGH-Entscheidung keine Beachtung finde. Das immer noch fortgeltende Staatsgrundgesetz regelt in seinem Artikel 15, dass jeder gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung zukommt und sie ihre inneren Angelegenheiten selbständig verwalten darf. Krömer wies die Argumentation des VfGH zurück, dass die Notmaßnahmenverordnung gleichheitswidrig gewesen sei. Als "besonders befremdend" bezeichnete er die fehlende Anhörung der Religionsgemeinschaften in dem Verfahren: "Hier wurden Aussagen zur Religionsausübung gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften getroffen, ohne dass diese im Verordnungsprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof gehört wurden." Damit bestätige sich eine Tendenz, die sich schon im Streit um den Karfreitag als Feiertag gezeigt habe.
"Von massiven Beschränkungen und Restriktionen betroffen"
Die evangelischen Kirchen seien "von massiven Beschränkungen und Restriktionen betroffen gewesen", betonte der Synodenpräsident. Auch der Rechtsreferent der Bischofskonferenz verwies auf die Einschränkungen für Gottesdienste. Die Kirchen hatten auf der Grundlage von Vereinbarungen mit der Regierung verbindliche Schutzmaßnahmen als Reaktion auf die Pandemie festgelegt. Die Reaktionen auf die Entscheidung des VfGH erwecke laut Krömer den Eindruck, "dass in den Kirchen während der Covid-19-Pandemie überhaupt keine Beschränkungen vorhanden waren". Das Gegenteil sei der Fall, teilweise seien die getroffenen Maßnahmen sogar strenger als die Regeln der Notmaßnahmenverordnung gewesen.
Der VfGH hatte am Montag seine Entscheidung mitgeteilt, dass die Ungleichbehandlung von Kulturveranstaltungen und religiösen Veranstaltungen gesetzeswidrig ist. Im Lockdown im Herbst 2021 waren kulturelle Veranstaltungen untersagt, während die COVID-19-Notmaßnahmenverordnung die Kirchen von ihrer Geltung ausnahm. Das Gericht betonte in seiner Entscheidung, dass Religion wie Kunst "unabhängig voneinander, vielfach aber auch miteinander verschränkt" zu den Grundbedürfnissen einer zivilisierten Gesellschaft gehörten und in beiden Fällen bestimmten Grundrechtsausübungen "gemeinsam mit oder vor anderen Menschen" wesentliche Bedeutung zukomme. Daher gebe es zwischen dem Zusammenkommen von Menschen zu künstlerischen einerseits und religiösen Zwecken andererseits mit Blick auf die Zielsetzung der Covid-Schutzverordnung keinen Unterschied, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würde. (fxn)