Standpunkt

Stehle und Co.: Wenn kirchliche Lichtgestalten zu Tätern werden

Veröffentlicht am 10.08.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Mit Bischof Emil Stehle ist eine weitere kirchliche Lichtgestalt zu Fall gekommen. Wie kann es da sein, dass manche Katholiken noch immer meinen, es könne in der Kirche alles beim Alten bleiben?, fragt Tobias Glenz.

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Er vertuschte Missbrauch, schützte schuldig gewordene Mitbrüder, wurde selbst zum Täter: Spätestens nach den Erkenntnissen einer neuen Untersuchung ist mit dem früheren Adveniat-Chef Emil Stehle eine weitere kirchliche Lichtgestalt zu Fall gekommen. Der einst hoch geschätzte "Don Emilio" ist inzwischen längst kein Einzelfall mehr. Man denke nur an den ehemaligen Sternsinger-Präsidenten Winfried Pilz oder Schönstatt-Gründer Josef Kentenich. Hinzu kommen die Gutachten der Bistümer, die oft genug zeigen, dass vielen, wenn nicht allen kirchlichen Verantwortlichen Fehlverhalten vorzuwerfen ist – eben auch zahlreichen, früher beliebten Bischöfen.

Die Untersuchung zu Stehle wird längst nicht die letzte ihrer Art sein, weitere Missbrauchsgutachten werden folgen – und weitere Kirchenidole werden fallen. Zeit, sich keinen Illusionen mehr hinzugeben. Zeit, sich der Gründe dafür bewusst zu werden. Zeit, etwas zu ändern. Allen Fällen ist doch eines gemein: Männer an der Spitze der Kirchenhierarchie konnten schalten und walten, wie sie wollten. Es fehlten Kontrollinstanzen. In ihren Händen lag zu viel Macht – und diese Macht haben sie missbraucht. Gekoppelt mit einer überschwänglichen Verehrung wie im Fall Stehle ergab sich ein verheerendes System der Unantastbarkeit.

Wie – so muss man nach der neuesten Untersuchung abermals fragen – kann es sein, dass manche Katholiken noch immer meinen, es könne in der Kirche alles beim Alten bleiben? Es brauche keine Reformen, wie sie in Deutschland der Synodale Weg anstrebt? Gerade hier werden das Priesterbild als Ganzes hinterfragt sowie neue Wege der Macht- und Gewaltenteilung und damit auch der Kontrolle sonst vollkommen frei handelnder Kirchenmänner gesucht. Wege, die Fälle wie den von Stehle künftig verhindern.

In rund vier Wochen startet die nächste Synodalversammlung des deutschen Reformprozesses. Es ist allen Teilnehmern zu wünschen, dass sie trotz ominöser Vatikan-Schreiben mutig die mehr als notwendigen Reformen in der Kirche diskutieren und vorantreiben. Jenen Synodalen, die an dieser Notwendigkeit noch zweifeln, sei die Lektüre der Untersuchung zu Bischof Emil Stehle oder eines anderen Missbrauchsgutachtens ans Herz gelegt.

Von Tobias Glenz

Der Autor

Tobias Glenz ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.