Theologe zu Arbeitsrecht: Wort "Dienstgemeinschaft" stammt aus NS-Zeit
Der Fuldaer Pastoraltheologe Richard Hartmann fordert ein Umdenken im kirchlichen Arbeitsrecht. Als problematisch empfinde er etwa den im Arbeitsrecht verwendeten Begriff der "Dienstgemeinschaft", sagte der Professor für Pastoraltheologie und Homiletik der Theologischen Fakultät Fulda am Donnerstag auf "domradio.de". Er stamme aus der Zeit des Nationalsozialismus und sei "nirgendwo ordentlich gefüllt". Gemeint sein könnte damit, dass es in der Kirche nicht das Gegenüber von Arbeitgeber und Arbeitnehmern geben dürfte und damit eine gewisse Gleichheit bestehe. "Allerdings wird genau diese Gleichheit in vielen Punkten nur vorgespiegelt und stimmt in Wirklichkeit nicht ganz", so Hartmann.
Weiter sagte der Theologe: "Man erwartet natürlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht öffentlich gegen die Grundlinien der Kirche angehen. Und genau darüber muss man streiten." Hartmann zufolge ist rechtlich nicht klar, was zu den Grundlinien der Kirche gehört. "Heißt das, Rom hat gesagt und die Sache ist erledigt oder der konkrete Bischof hat gesagt und die Sache ist erledigt? Oder sitzen wir nicht in einer Situation, wo wir miteinander aushandeln müssen und immer wieder neu versuchen, einander zu verstehen?"
Neues Arbeitsrecht in dieser Weise überhaupt notwendig?
Hartmann erwartet, dass Fragen der persönlichen Lebensführung oder auch die Einforderung von Loyalität im kirchlichen Arbeitsrecht in Zukunft eine geringere Rolle spielen als bisher. Er frage sich allerdings, ob es überhaupt notwendig ist, in dieser Weise ein neues Arbeitsrecht zu schaffen. Möglicherweise wäre die Kirche in vielen Bereichen mit Dienstvereinbarungen und Compliance-Vereinbarungen besser aufgestellt. Die Grundfragen könnte man der Rechtsprechung in Europa und in Deutschland überlassen.
Die Kirchen in der Bundesrepublik haben ein eigenes Arbeitsrecht. Dieses Selbstbestimmungsrecht ist im Grundgesetz verankert. In der katholischen Kirche gehören dazu auch Anforderungen an die private Lebensführung der 790.000 Mitarbeiter von Caritas und Kirche. Außerdem gilt ein eigener Weg der Tariffindung: Löhne werden in eigenen Gremien ohne Gewerkschaften ausgehandelt; es gibt keine Aussperrungen und Streiks. Das kirchliche Arbeitsrecht ist zuletzt durch europäische Rechtsprechung stark unter Druck geraten. Die deutschen Bischöfe arbeiten derzeit an einer Reform. Im Entwurf der Bischofskonferenz für eine neue "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" heißt es unter anderem, die private Lebensgestaltung, "insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre" der Beschäftigten, solle keinen Anlass mehr für Kündigungen bieten, falls diese nicht im Einklang mit der kirchlichen Lehre stehe. (tmg/KNA)