Papst Franziskus: Traditionalismus ist Verweltlichung der Liturgie
Papst Franziskus sieht im Traditionalismus eine Verweltlichung der Liturgie. In einer Ansprache an die italienische Liturgikervereinigung "Associazione Italiana dei Professori e Cultori di Liturgia" sagte er am Donnerstag, dass Liturgie zugleich den Blick auf den Herrn richten müsse, ohne der Welt den Rücken zu kehren. Es brauche eine Vision der Liturgie, die sich nicht in "rubrizistischen Details" erschöpfe, und die die Augen der Menschen zum Himmel erhebe, "um zu spüren, dass die Welt und das Leben vom Geheimnis Christi bewohnt sind".
Fortschritt müsse immer in der Tradition verwurzelt sein. Dabei müsse man sich aber vor einem Geist hüten, der nicht aus der "wahren Tradition" sei, betonte der Papst weiter: "dem weltlichen Geist der Rückwärtsgewandtheit, der heute in Mode ist: der Gedanke, dass zu den Wurzeln zu gehen bedeutet, rückwärts zu gehen." Wurzeln würden aber immer nach oben wachsen: "Wie der Baum, der aus dem wächst, was ihm von den Wurzeln her zufließt." Die Rückwärtsgewandtheit dagegen gehe zwei Schritte zurück, weil sie glaube, dass "das was schon immer so war" besser sei: "Es ist eine Versuchung im Leben der Kirche, die zu einem weltlichen Restaurationismus führt, der sich als Liturgie und Theologie tarnt, aber weltlich ist." Rückwärts zu gehen bedeute, gegen die Wahrheit und auch gegen den Geist zu handeln. Hier ist nach Ansicht des Papstes Unterscheidung nötig: "Denn in der Liturgie gibt es viele, die sagen, sie würden sich 'nach der Tradition' richten, aber sie tun es nicht: Sie sind höchstens Traditionalisten." Tradition sei der lebendige Glaube der Toten, Traditionalismus dagegen der tote Glaube lebender Menschen, zitierte Franziskus den Historiker Jaroslav Pelikan. Wer rückwärts gehe, zerstöre den Kontakt zu den Wurzeln.
Die Ansprache vor den italienischen Liturgikern griff mit dem Bild von den Wurzeln eines Baumes eine Metapher auf, die Franziskus bereits beim Rückflug von seiner Kanada-Reise gebraucht hatte. "Wenn man Tradition als abgeschlossen versteht, ist das keine christliche Tradition", so der Papst Ende Juli. Im vergangenen Jahr hatte Franziskus mit dem Motu proprio "Traditionis custodes" die Feier der vorkonziliaren Liturgie deutlich eingeschränkt. Auf die Reform des Liturgierechts folgte im Juni mit dem Schreiben "Desiderio desideravi" ein Grundsatztext zur liturgischen Bildung. Auch darin hatte er sich gegen restaurative Tendenzen in der Liturgie gewandt. Die Kirche sei aufgerufen, den Reichtum der Grundsätze des Konzilsdokuments zur Liturgie "Sacrosanctum Concilium" neu zu entdecken und die enge Verbindung zwischen der Liturgiereform und den anderen Konzilsdokumenten zu verstehen: "Deshalb können wir nicht zu jener rituellen Form zurückkehren, die die Konzilsväter cum Petro und sub Petro für reformbedürftig hielten, indem sie unter der Führung des Geistes und nach ihrem Gewissen als Hirten die Grundsätze billigten, aus denen die Reform hervorging", so das Papstschreiben. (fxn)