Kirchliche Reformgruppen äußern sich vor vierter Vollversammlung

Norpoth: Anliegen Missbrauchsbetroffener bei Synodalem Weg mehr achten

Veröffentlicht am 06.09.2022 um 13:54 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Die vierte Synodalversammlung steht an. Bei dem Reformprozess würden zwar existenzielle Probleme besprochen. Doch es bestehe die Gefahr, dass die Anliegen der Missbrauchsopfer verlorengehen, kritisiert der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der DBK.

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Die Anliegen Betroffener sexualisierter Gewalt sollten nach Meinung des Sprechers des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, beim Synodalen Weg besser berücksichtigt werden. Fragen der Missbrauchs-Aufarbeitung und -Anerkennung gerieten zunehmend in den Hintergrund, sagte Norpoth bei einem Online-Pressegespräch katholischer Reformgruppen vor Beginn der vierten Vollversammlung des Synodalen Wegs am Donnerstag in Frankfurt am Main.

Bis heute hätten die Bischöfe kein für die Opfer befriedigendes System zur Anerkennung des Leids installiert, kritisierte Norpoth. Gespräche zwischen dem Betroffenenbeirat und der Bischofskonferenz seien im Augenblick auf Eis gelegt. Er stelle zwar fest, dass mit viel Arbeit und Engagement diskutiert werde, wie die katholische Kirche in Zukunft zu einem sicheren Ort gemacht werden könne. Doch es gebe kaum Bemühungen, sich mit dem Thema Aufarbeitung und Anerkennung auseinanderzusetzen, sagte Norpoth. Die sicherlich in den kommenden Monaten auf die Bistümer zurollende Klagewelle sei schlicht Ausdruck einer massiven Unzufriedenheit der Betroffenen. Derzeit ist eine Zivilklage eines Betroffenen beim Landgericht Köln anhängig, der vom Erzbistum Köln 725.000 Euro Schmerzensgeld fordert.

Norpoth betonte die Notwendigkeit weiterer Bemühungen für die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, nachdem jüngst neue Vorwürfe gegen den früheren Bischof und Geschäftsführer des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Emil Stehle, bekannt geworden waren. Stehle, der 2017 starb, soll Priestern, denen Strafverfolgung in Deutschland drohte, geholfen haben, in Lateinamerika unterzutauchen. Norpoth sagte, der Fall zeige, dass die katholische Kirche damit zum „Ort organisierter Kriminalität“ geworden sei.

Der Sprecher des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, spricht beim Synodalen Weg
Bild: ©Synodaler Weg/Maximilian von Lachner

Der Sprecher des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth.

Der Münchner Priester und Kirchenrechtler Wolfgang F. Rothe kritisierte, dass in den Texten des Synodalen Wegs die kirchliche "Angstkultur" nicht deutlich genug zur Sprache gebracht werde. Vor allem innerhalb des Klerus herrsche ein "Klima der Angst": Priester fürchteten sich in der Regel vor der kirchlichen Obrigkeit, vor der Öffentlichkeit und "vor ihrer Sexualität, vor ihrem sexuellen Empfinden, ihren sexuellen Bedürfnissen und ihren sexuellen Aktivitäten". Letztere sei ein wesentlicher Grund für die Angst vor der Obrigkeit und der Öffentlichkeit. Das betreffe vor allem homosexuelle Kleriker.

Dieses "Klima der Angst" sei gewollt, so Rothe, da Macht nur dort gedeihen könne, wo Angst herrsche. Die kirchliche Macht beruhe auf einer Sexualmoral, "die Menschen in ihrem innersten Wesen unter Druck setzt". Solange die kirchliche Angstkultur geleugnet oder ignoriert werde, "so lange wird sie aber ihren Zweck zugunsten der klerikalen Machtelite erfüllen: Macht zu verleihen, Macht zu mehren und Macht zu zementieren".

"Chancen nutzen"

Weitere Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden und reformorientierten Gruppen erneuerten ihre Hoffnung auf zu grundlegenden Reformen in der Kirche durch den Reformprozess und riefen die Bischöfe zu mehr Mut auf. Die Vizepräsidentin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Agnes Wuckelt, sprach von einem kirchengeschichtlichen Fenster, das der Synodale Weg geöffnet habe. "Wir wollen die Chancen nutzen, die sich dadurch ergeben." Selbst, wenn für manche Papiere keine notwendige Mehrheit zustande komme, seien sie nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Der Sprecher von "Wir sind Kirche", Christian Weisner, betonte, die Bischöfe müssten sich nun positionieren. Je geschlossener sie sich gemeinsam mit den anderen Bischofskonferenzen im Vatikan für Reformen einsetzten, umso weniger werde dies ignoriert werden können.

Von Donnerstag bis Samstag findet in Frankfurt am Main die vierte und laut Planung vorletzte Vollversammlung statt. Dabei wird über mehrere Texte final abgestimmt, unter anderem über Handlungstexte zu den Themen Synodalität, Zölibat und Homosexualität. Ein Text gilt als beschlossen, wenn zwei Drittel der gesamten Synodalversammlung und zwei Drittel aller (Weih-)Bischöfe dafür stimmen. (mal/epd)