Patriarch Kyrill wollte "strategische Allianz mit Rom"

Kardinal Koch teilt Kritik des Papstes am Synodalen Weg in Deutschland

Veröffentlicht am 25.09.2022 um 12:36 Uhr – Lesedauer: 

Zürich/Rom ‐ Mit den Debatten beim Synodalen Weg habe er seine Mühe gehabt, sagt der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch. Tatsächlich seien es "weitgehend Funktionäre, die jetzt die Diskussionen prägen". Auch zum Ukrainekrieg hat der Kardinal sich geäußert.

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Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch teilt die Kritik von Papst Franziskus am Synodalen Weg in Deutschland. Der Papst habe unter anderem kritisiert, dass nicht alle Gläubigen daran beteiligt seien, sagte Koch im Interview der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ am Sonntag). Tatsächlich seien es "weitgehend Funktionäre, die jetzt die Diskussionen prägen".

Er selbst habe verschiedene Debatten des Synodalen Weges via Livestream mitverfolgt und seine Mühe damit, so der päpstliche Ökumene-Beauftragte: "Wie ist eine sinnvolle, wirklich synodale Diskussion möglich, wenn die Redezeit auf eine Minute begrenzt wird? Es gibt zu wenig Raum, um kontroverse Punkte wirklich zu diskutieren."

Wichtiger als die sogenannten heißen Eisen wie Frauenpriestertum oder Pflichtzölibat findet Koch die Fragen, die Papst Franziskus stelle: "Er hat gesagt: Ihr kreist zu stark um strukturelle Fragen. Geht stattdessen den Grundfragen nach: Was ist unsere Botschaft? Und wie können wir sie weitergeben?" Darum sollte es gehen, so der Kurienkardinal.

Koch begrüßt Waffenlieferungen an die Ukraine

Als Theologieprofessor in Luzern (1989-1995) hatte Koch offen über die Weihe von Priesterinnen nachgedacht. "In der damaligen Phase wurde die Frage des Frauenpriestertums offen diskutiert. In einer solchen Situation haben Theologen die Aufgabe, Lösungen vorzuschlagen", sagte er jetzt im Interview. "Wenn aber das kirchliche Lehramt die Frage entschieden hat, so hat dies auch Konsequenzen für einen Theologen und erst recht für einen Kardinal."

Desweiteren hält Kardinal Koch eine Papstreise in die Ukraine derzeit für unwahrscheinlich. "Von einer Zugreise nach Kiew raten die Ärzte ab", sagte er im Interview. Der Papst sei "zwar voller Tatendrang, aber sein Knieleiden zwingt ihn immer wieder in den Rollstuhl".

Koch begrüßte Waffenlieferungen an die Ukraine. "Ein absoluter Pazifismus, der zuschaut, wie Gewalt angewendet wird, ist nicht christlich", so der Kurienkardinal. "Wenn ungerechte Gewalt geschieht und ich eingreifen kann, muss ich eingreifen." Papst Franziskus habe auf der Rückreise von Kasachstan Waffenlieferungen an Kiew als moralisch vertretbar bezeichnet, "wenn es darum geht, Opfer von Aggressionen bei der Selbstverteidigung zu unterstützen".

Patriarch Kyrill I.
Bild: ©KNA/Corinne Simon

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill habe ihm bei einem Moskau-Besuch "eine strategische Allianz zwischen Moskau und Rom" vorgeschlagen. Diese habe er aber abgelehnt, sagt Kardinal Koch.

Zum Moskauer Patriarchen Kyrill I. und seiner Verteidigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sagte der päpstliche Ökumene-Beauftragte, Kyrill sei der Überzeugung, es sei "die besondere Sendung Russlands, die christlichen Werte gegenüber dem dekadenten Westen zu schützen".

Der russisch-orthodoxe Patriarch habe ihm bei einem Moskau-Besuch "eine strategische Allianz zwischen Moskau und Rom zur Verteidigung dieser Werte" vorgeschlagen. Dies habe er, Koch, abgelehnt. "Ich kannte Kyrills Vorstellungen. Trotzdem hätte ich nicht damit gerechnet, dass er so weit geht und diesen Angriffskrieg legitimiert. Dies hat mich sehr überrascht." Nach wie vor gebe es keine "konkrete Rückmeldung" auf das Angebot des Papstes, nach Moskau zu reisen und Präsident Wladimir Putin und Kyrill zu treffen.

Koch: Kyrill ist "an sich eine nette Persönlichkeit"

Der Moskauer Patriarch sei "an sich eine nette Persönlichkeit", berichtete der vatikanische Ökumene-Minister. Beispielsweise habe Kyrill viel Wert darauf gelegt, "dass ich an der Feier zu seinem 70. Geburtstag in Moskau teilnehme". Allerdings habe Kyrill "bei jeder Begegnung" die griechisch-katholische, mit Rom verbundene Kirche in der Ukraine kritisiert. Er werfe ihr vor, orthodoxe Gläubige abzuwerben. Koch habe das immer wieder zurückgewiesen.

Mit einem baldigen Rücktritt von Papst Franziskus rechnet Kurt Koch nicht. "Ich habe nicht den Eindruck. Es gibt zwar immer wieder Aussagen von ihm, die Spekulationen auslösen", sagte der Kurienkardinal; vergangene Woche etwa habe der 85-Jährige mit Blick auf den Weltjugendtag in Lissabon 2023 gesagt, es werde "sicher ein Papst anwesend sein – Franziskus oder ein neuer Papst, zum Beispiel ein Johannes XXIV." Aber, so Koch: "Ich werte das eher als humorvolle Aussagen." Franziskus verfüge über "einen besonderen Humor", sagte der Schweizer Kardinal weiter. Als der frühere Präsident des Rates der Evangelischen Kirche Schweiz, Gottfried Locher, zu einer Audienz bei ihm war, habe Koch für die beiden übersetzt. Koch weiter: "Der Papst fragte mich anschließend, wo ich denn so gut Deutsch gelernt habe."

Koch wurde 1995 zum Bischof von Basel gewählt. Papst Benedikt XVI. machte ihn 2010 zum Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen ("vatikanischer Ökumene-Minister"). (cbr/KNA)