"Das ist zweifellos ein Skandal"

Berichte: Belarus nimmt Katholiken bedeutende Kirche in Minsk weg

Veröffentlicht am 06.10.2022 um 14:16 Uhr – Lesedauer: 

Minsk ‐ In der sogenannten Roten Kirche in Minsk fanden 2020 Demonstranten gegen das Gewaltregime von Machthaber Alexander Lukaschenko Unterschlupf – nun nimmt der Staat der katholischen Kirche das Gotteshaus weg. Und liefert eine zweifelhafte Begründung.

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Der belarussische Staat nimmt der katholischen Kirche offenbar ein bedeutendes Gotteshaus in der Hauptstadt Minsk weg. Die Organisation "Christian Vision" und unabhängige Medien des Landes berichteten am Donnerstag, die Pfarrei Sankt Simon und Sankt Helena sei von den Behörden verpflichtet worden, ihre sogenannte Rote Kirche am Unabhängigkeitsplatz in Minsk innerhalb weniger Tage zu räumen. Das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko habe den Vertrag über die unentgeltliche Nutzung der Kirche gekündigt.

Der von 1905 bis 1910 errichtete neuromanische Sakralbau gehört zu den Wahrzeichen Minsks. Er steht am Unabhängigkeitsplatz neben dem Hauptgebäude der Regierung. Wegen der Farbe seiner Backsteinfassade wird das Gotteshaus Rote Kirche genannt. Bei den Massenprotesten gegen Lukaschenko im Sommer 2020 hatten Demonstranten in dem Gotteshaus Schutz vor der mit Härte vorgehenden Polizei gesucht, waren aber trotzdem festgenommen worden.

Angebliche Sicherheitsmängel

Ein Priester sagte dem Sender Belsat, die Behörde behaupte, die Nutzung der Kirche sei wegen Sicherheitsmängeln zu gefährlich. "Das ist zweifellos ein Skandal", so der Geistliche. Die Kirche ist dem Bericht zufolge seit einem Feueralarm am 26. September auf Anweisung der Behörden geschlossen. Der emeritierte Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz und die Pfarrei riefen in den vergangenen Tagen zu Gebeten für eine baldige Wiedereröffnung der Kirche auf. Rund zehn Prozent der Belarussen sind katholisch.

Das autoritäre Lukaschenko-Regime schikaniert die katholische Kirche in dem Land seit langem. 2020 untersagte es Erzbischof Kondrusiewicz vier Monate lang die Rückkehr aus Polen in sein Heimatland. Hintergrund war Kondrusiewiczs Kritik an Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten, die gegen eine Fälschung der Präsidentenwahl vom August 2020 durch das Minsker Regime protestierten. Wenige Tage nach der Rückkehr des Erzbischofs nach Minsk Ende Dezember 2020 nahm Papst Franziskus dessen Rücktritt an, den Kondrusiewicz zu seinem 75. Geburtstag angeboten hatte, wie es das Kirchenrecht vorsieht. Die katholischen Bischöfe des Landes verzichten seither weitgehend auf öffentliche Kritik an Lukaschenkos Politik.

Die Zahl der politischen Häftlinge in Belarus steigt unterdessen von Woche zu Woche. Die Menschenrechtsorganisation Wjasna listet aktuell 1.348 Personen auf. (KNA)