Konzilsvater sieht durch Papst Franziskus Geist des Konzils neu belebt
Der letzte lebende europäische Konzilsvater, der italienische Bischof Luigi Bettazzi, sieht durch Papst Franziskus den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) wiederbelebt. Im Interview mit der italienischen Zeitung "La Stampa" würdigte der 98-Jährige den Einsatz des Papstes für Synodalität und die Armen. Trotz Zögern und Bremsen habe die Kirche mittlerweile erkannt, dass sie der rasanten Entwicklung der Kultur und der Mentalität der Menschen Rechnung tragen müsse.
Bettazzi sieht bei allen Themen der vier Konzilskonstitutionen noch Nachholbedarf in der Umsetzung. Insgesamt wurden beim Zweiten Vatikanum vier Konstitutionen verabschiedet: "Sacrosanctum Concilium" über die Liturgie, "Lumen gentium" über die Kirche, "Dei verbum" über die Offenbarung und "Gaudium et spes" über die Kirche in der Welt von heute. Für Bettazzi fehlt es immer noch daran, dass das Wort Gottes die Richtschnur für den Glauben und das Handeln der Christen ist. Die Liturgie sei immer noch beeinflusst durch die Bezugnahme auf ältere Formen, die als andächtig aufgefasst würden. Die Kirche sei weiterhin klerikal, die Hierarchie dominiere ihr Handeln. Schließlich tue sich die Kirche immer noch mit der Gegenwart schwer. "Unter diesem Gesichtspunkt sollte das Konzil nicht so sehr als End-, sondern als Anfangspunkt gesehen werden", so Bettazzi.
Tradition immer noch zu sehr rückwärtsgewandt verstanden
Nach Ansicht des emeritierten Bischofs von Ivrea nehme die Bedeutung von konziliaren Themen und Synodalität zu, wie sich beispielsweise am Synodalen Weg in Deutschland zeige. Die Kirche tue sich aber schwer damit, "weil das Verständnis der Tradition als Umarmung der Vergangenheit zu stark ausgeprägt ist". Die Hierarchie sei auch sehr zögerlich, da sie Spaltungen befürchte.
Das Zweite Vatikanische Konzil wurde am 11. Oktober 1962 eröffnet. Von den mehreren tausend Konzilsvätern sind heute nur noch sechs am Leben, darunter Bettazzi, der 1963 zum Weihbischof von Bologna ernannt wurde und an der Bischofsversammlung von der zweiten Sitzungsperiode an teilnahm. Bettazzi gehörte zu den Initiatoren des Katakombenpaktes, mit dem Bischöfe während des Konzils eine einfache und bescheidene Lebensweise gelobten. Von 1966 bis zu seiner Emeritierung 1999 war der gebürtige Venetier Bischof von Ivrea im Nordwesten Italiens. Von 1978 bis 1985 war er Präsident von Pax Christi International. (fxn)