Was hinter der Ankündigung des Papstes steckt

Weltsynode verlängert: Mehr Beteiligung für "Volk Gottes" gewünscht

Veröffentlicht am 16.10.2022 um 16:19 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Der weltweite synodale Prozess, den Papst Franziskus angestoßen hat, wird umfangreicher als geplant. Mit einer emotionalen Predigt und einer überraschenden Ankündigung hat der Papst angedeutet, wohin die Reise geht.

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Die Ankündigung kam aus heiterem Himmel. Nur wenige Vatikanbeobachter ahnten, dass der Papst eine Verlängerung der von ihm angestoßenen Weltsynode um ein Jahr anordnen würde. Er tat dies am Sonntag beim Angelus-Gebet auf dem Petersplatz vor rund 20.000 Pilgern. Als er zwei Tage zuvor die Leitungsebene der Weltsynode mit den Kardinälen Mario Grech und Jean-Claude Hollerich an der Spitze in Audienz empfing, deutete sich zwar bereits an, dass sich bei der Synode etwas tun könnte. Aber die nun angekündigte Verlängerung kam doch überraschend.

Mit der Ausweitung des synodalen Prozesses reagiert der Papst auf konservative wie auf fortschrittliche Kritiker. So schien etwa die liberale Mehrheit des Synodalen Wegs in Deutschland bislang mit der Weltsynode zu fremdeln. Sie galt als reine Bischofsveranstaltung, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Basis beschränkten sich bislang auf das Beantworten von Fragebögen. Und in konservativen Kreisen war zu hören, der Papst setze mit der Synode viel aufs Spiel, denn die Versammlung im kommenden Oktober sei in ihrer Dynamik unberechenbar, Manipulationen seien zu befürchten.

Mehr Überzeugungsarbeit in beide Richtungen

Offenbar setzt Franziskus darauf, dass zwei Versammlungen mehr Überzeugungsarbeit in beide Richtungen ermöglichen. Schon bei der Familiensynode, die zu einem anderen kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen führte, waren zwei Versammlungen (2014 und 2015) nötig, um zu einem tragfähigen Ergebnis zu kommen.

Papst Franziskus schaut die Kardinäle an
Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Mit der Verlängerung des weltweiten synodalen Prozesses reagiert Papst Franziskus offenbar auf Kritik von konservativer wie progressiver Seite.

Zugleich bringt die Verlängerung aber auch ein erhöhtes Risiko mit sich. Denn sie bedeutet nicht bloß eine zeitliche Ausdehnung des Beratungsprozesses unter Bischöfen. Vielmehr soll sie nach dem Willen des Papstes dazu führen, dass die synodalen Anstöße auch vom "Volk Gottes" debattiert werden. Wie genau das geschehen soll, ist noch unklar – ebenso wie die Frage, ob es bei der nun neu festgelegten Abschluss-Synodalversammlung im Oktober 2024 eine Beteiligung des "Volk Gottes" geben wird.

Das jedenfalls deutet eine erläuternde Mitteilung des in jüngster Zeit sehr aktiven "Generalsekretariats der Synode" zur Papstankündigung an. Immer deutlicher zeichnet sich in den Texten des Sekretariats ab, dass neben dem Bischofskollegium, das bisher (mit dem Papst) alleiniges Subjekt der Synode auf Weltebene war, nun immer mehr auch die Laien zum Akteur werden sollen. Eine "dreipolige" Synode, bestehend aus Papst, Bischöfen und Volk Gottes, wäre ein Novum, das wegen der ungeklärten Frage der Repräsentativität zu Spannungen führen könnte.

Synode als breiter aufgestelltes Organ

Im Namen der Synode hat sich die Veränderung bereits niedergeschlagen: Hieß sie jahrzehntelang "Synode der Bischöfe", lautet ihr Name im neuen Vatikan-Organigramm schlicht "Synode". Und das Sekretariat ist zum "Generalsekretariat der Synode" geworden – auch wenn auf den Türschildern noch "Synodus Episcoporum" steht. Die Umwandlung zu einem breiter aufgestellten, nicht bloß bischöflichen Beratungsorgan ist auch an den Veröffentlichungen des Synodensekretariats abzulesen, das auf einer eigenen Internetseite und auf Twitter vermehrt eigene kirchenpolitische und theologische Akzente setzt.

So geschehen auch in der vergangenen Woche anlässlich des 60-jährigen Konzilsjubiläums, als das Synodensekretariat darauf hinwies, dass die Synode eine Frucht eben dieses Konzils sei und dass die Konzils-Theologie vom "Volk Gottes" gewissermaßen die Magna Charta für das weitere synodale Geschehen sei.

Bild: ©katholisch.de/Benedikt Heider

Das Synodensekretariat setzte zuletzt vermehrt eigene theologische und kirchenpolitische Akzente.

Dass sich der Papst der Risiken bewusst ist, die eine Verlängerung und Verbreitung des weltweiten synodalen Wegs mit sich bringen kann, brachte er bereits in seiner Predigt zum 60. Konzilsjubiläum am 11. Oktober zum Ausdruck. Im Nachhinein wird noch klarer, warum er bei diesem Anlass die Einheit der Kirche beschwor und immer wieder an die "Volk-Gottes-Theologie" des Konzils erinnerte.

Unter anderem sagte er: "Der Teufel will das Unkraut der Spaltung säen. Erliegen wir nicht seinen Täuschungen, erliegen wir nicht der Versuchung der Polarisierung." Zu oft hätten sich Christen nach dem Konzil "für eine Seite in der Kirche entschieden" und damit "das Herz ihrer Mutter zerrissen". Statt Diener aller sein zu wollen, habe man "Anhänger der eigenen Gruppierung" sein wollen: "Progressive und Konservative statt Brüder und Schwestern."

Anderer Debattenstil

Weiter sagte der Papst: "Der Herr will uns nicht so haben: Wir sind seine Schafe, seine Herde, und wir sind das nur gemeinsam, vereint. Überwinden wir die Polarisierungen und bewahren wir die Gemeinschaft, werden wir mehr und mehr eins." Mit Nachdruck warb Franziskus für einen anderen Debattenstil und sagte: "Eine Kirche, die Jesus liebt, hat keine Zeit für Auseinandersetzungen, Gift und Polemik. Gott befreie uns vom Kritisieren, von Unduldsamkeit, Härte und Wut."

Und zum Thema "Volk Gottes" führte er aus: "Lassen wir die "Ismen" beiseite: Das Volk Gottes mag diese Polarisierung nicht. Das Volk Gottes ist das heilige, gläubige Volk Gottes: das ist die Kirche."

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)