Himmelklar – Der katholische Podcast

Synodalratspräsidentin: Wir werden gehört, weil wir intervenieren können

Veröffentlicht am 19.10.2022 um 00:30 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ In der Schweiz haben oft die Laien in der Kirche das Sagen – denn sie verteilen das Geld. Ein Impuls für Deutschland? Im Interview erzählt die Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding, was deutsche Laien beachten sollten.

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Eigentlich ist die katholische Kirche ein hierarchisches System, in dem die Bischöfe bestimmen. Nicht so in der Schweiz. Dort gibt es als Gegenstück zu den hierarchischen Strukturen demokratisch gewählte Laiengremien, die die Kirchensteuergelder verteilen. An der Spitze dieses Synodalrats im Kanton Zürich sitzt Franziska Driessen-Reding. Im Interview erzählt sie vom besonderen Schweizer System und was sich die Deutschen davon abschauen können.

Frage: Mit dem sogenannten "dualen System" funktioniert die Kirche in der Schweiz anders als andere Länder: Die Finanzverwaltung liegt nicht bei den Bistümern, sondern bei einem gewählten Laiengremium. Holt sich der Bischof von Chur bei Ihnen einen Termin und kommt vorbei, wenn er Geld braucht?

Driessen-Reding: Ja, aber es reicht nicht, wenn er vorbeikommt. Ein Beispiel ist das Domschatzmuseum, um das es vor Jahren im Bistum Chur ging. Da musste der Bischof tatsächlich ein Gesuch stellen an uns. Er kann nicht einfach vorbeikommen und sagen, er möchte gerne noch ein bisschen Geld von uns, sondern wir brauchen ein fundiertes Gesuch. Da muss er ganz klar darlegen, weshalb dieses Geld auch wirklich investiert werden sollte. Wenn wir Rückfragen haben, dann werden wir die stellen, bis wir alle nötigen Unterlagen haben, die uns dann zur Entscheidungsfindung bringen.

Und da sind wir schon ein bisschen unbequem, weil wir ganz klar den Auftrag haben, dass wir kirchliches Leben im Kanton Zürich ermöglichen sollen. Das ist unser Auftrag. Wenn da etwas kommt vom Bischof, wo nicht klar belegt wird, dass dies zum kirchlichen Leben beiträgt, dürfen wir auch gerne mal ablehnen.

Frage: Was heißt das für das Miteinander von den Laien und Klerikern bei Ihnen? Das ist ja eben nicht diese typische eingeübte katholische Struktur von oben nach unten. Hat das auch was am Umgang miteinander verändert?

Driessen-Reding: Ich kann das nicht so klar beurteilen, weil ich es nicht anders kenne. Ich sehe ein bisschen Probleme, wenn wir Priester aus anderen Ländern haben, die dieses System nicht kennen. Die müssen sich zuerst zurechtfinden, dass sie für alles, was sie brauchen, eine Begründung benötigen. Das gilt auch für ihre pastorale Arbeit, das geht dann runter bis in die Pfarrei, sie müssen alles begründen. Die müssen uns erklären, weshalb sie das Geld wollen. Die können nicht einfach eine Quittung bringen und dann wird die bezahlt. Es wird alles begründet. Da ist natürlich das Verständnis nicht immer da, aber es ist dann gut, wenn man dann mal so weit ist, dass sie merken, dass wir nichts Böses wollen.

Man kann uns als Laien bezeichnen, aber wir sind eigentlich Fachleute, nur einfach nicht aus dem Klerus. Wir bringen einen anderen Rucksack mit. Da denke ich, können wir es ein bisschen vergleichen mit den Talenten. Ich wäre jetzt nicht talentiert, als Seelsorgerin zu arbeiten, aber ich habe Freude an Excel-Tabellen und bin gerne im Parlamentsdienst. Wir sollen unsere Talente einbringen und bauen somit alle an einer Kirche.

„Man kann uns als Laien bezeichnen, aber wir sind eigentlich Fachleute, nur einfach nicht aus dem Klerus.“

—  Zitat: Franziska Driessen-Reding

Frage: Sie sitzen im Bistum Chur, in dem es in der Vergangenheit sehr viele Konflikte gab. Der aktuelle Bischof Joseph Bonnemain gibt sich relativ offen, aber wenn wir an seine Vorgänger Vitus Huonder oder Wolfgang Haas denken, dann sind das ja Menschen, die für ihre sehr kompromisslose und konservative Linie bekannt sind, die sie auch im Kontext der Weltkirche vertreten haben. Hat das auch zu Konflikten mit Ihnen als Synodalrat geführt?

Driessen-Reding: Wir waren in Zürich natürlich extrem stark als großer Kanton mit recht anständigen finanziellen Ressourcen. Vor 30 Jahren, als der erste Konflikt mit Bischof Haas aufkam, haben die Zürcher Katholiken entschieden, dass kein Cent mehr an die Bistumskasse geht. Es geht auch immer ein kleiner Beitrag an die Bistumskasse direkt für die Dinge, die auf Bistumsebene finanziert und geregelt werden. Da haben die Zürcher einfach gesagt: Von uns kriegt ihr keinen Rappen mehr. Unterdessen hat sich das beruhigt. Mit diesen Beiträgen wird zum Beispiel die Theologische Hochschule finanziert, und wir sind stolz auf die Hochschule und deren Rektoren. Das ist schon etwas Schönes und da bezahlen wir auch gerne mit.

Immer wieder werden natürlich Stimmen laut, wenn etwas den Leuten nicht passt, dass man diesen Bistumsbeitrag wieder zurückhalten solle. Jetzt momentan sehen wir da keinen Grund dafür. Aber ich denke, es gibt diese Möglichkeit nach wie vor. Besser ist es natürlich, wenn man einvernehmlich unterwegs ist. Das ist ganz klar. Wenn wir das schaffen, ist das das Allerbeste. Und dieser Konflikt war nicht nur ein Konflikt der Zürcher Katholiken mit dem Bischof, sondern wirklich mit dem Bischof und seinem ganzen Kirchenvolk im Bistum. Er hat das einfach nicht verstanden, dass es da ganz viele andere Menschen gibt. Und seinem Wunsch, nur noch ganz wenige Katholiken, dafür Rechtgläubige – oder sagen wir Rechtsgläubige – zu haben, dem konnten wir zum Glück nicht entsprechen. Wir sind immer noch ein Kirchenvolk, das sehr stark unterwegs ist.

Frage: Aber widerspricht dieses Konzept nicht grundlegend der hierarchischen Struktur der katholischen Kirche? Erst im Vergangenen Jahr hat der Vatikan einen Brief nach Deutschland geschickt, dass Alle Verantwortung in Pfarrei und Bistum an oberster Stelle vom Pfarrer bzw. Bischof ausgehen muss. Warum steht bei Ihnen nicht der Vatikan alle zwei Wochen vor der Tür und sagt, dass das so nicht geht?

Driessen-Reding: Vielleicht, weil die Alpen zu hoch sind?! Es ist natürlich wirklich rechtlich legitimiert, was wir da haben. Nicht kirchenrechtlich, aber staatsrechtlich. Das ist für uns wahrscheinlich ein großes Glück. Wenn ich schaue, wie viele Priester – und das kennen Sie ja in Deutschland auch – ein riesiges Einzugsgebiet haben, weil es einfach immer weniger Priester gibt, immer weniger Leute, die diesen Beruf ausüben wollen oder die diese Berufung spüren und die Last, dann ist es doch einfach wichtig, dass diese Last auf mehreren Schultern getragen werden kann. Die schaffen das doch sonst gar nicht mehr.

Und meine Meinung ist ganz klar: Mit der Priesterweihe ist man nicht per se eine perfekte Führungspersönlichkeit. Da kann man ja gewisse Sachen einer anderen Person zuschreiben. Wenn zum Beispiel in der Personalführung vielleicht der eine oder andere ganz gut ist, aber ein Weiterer nicht, dann kann man das einer anderen Person zuschreiben. Ich denke, das ist so wichtig heute. Auch beim Thema Missbrauch ist es wichtig, dass diese Macht einfach nicht mehr nur bei einer Person zentriert ist, nämlich beim Bischof. Ich will nicht sagen, dass ein Bischof in der Schweiz weniger vertuschen kann als einer in Deutschland. Wenn das jemand will und das Gefühl hat, das ist der Weg, dann können wir auch nichts machen. Aber dieses Gefühl, man wäre da ganz allein und mit der Weihe so weit, dass man alles im Griff hätte, das ist tatsächlich in der Schweiz nicht so, weil es immer noch ein Pendant gibt, wo man sich rechtfertigen muss und wo man Argumente suchen muss, weshalb man eine Person anstellen will oder weshalb man jetzt diese Ausgabe tätigen will. Das widerspricht, denke ich, vielleicht dem Gedankengut vieler im Vatikan, aber meines Erachtens definitiv nicht der Idee des Evangeliums.

Frage: Bekommen Sie denn Kommentare aus dem Vatikan? Stehen Sie da im Kontakt? Sagt da irgendjemand: Ja, wir müssen das jetzt akzeptieren, aber eigentlich ist es uns nicht so ganz recht. Also wie sieht da das miteinander aus?

Driessen-Reding: Wir hören in der Regel nicht direkt davon. Direkt ist man diplomatisch. Wir haben schon unsere Kontakte. Man kennt sich – aber natürlich nicht auf der obersten Chefetage. Man kennt sich, man weiß voneinander und respektiert sich. Dann hört man gerne mal zwischendurch hintenrum: Ach, die Schweizer mit ihrem dualen System, das ist ja schmerzhaft.

Ich sehe es natürlich ganz anders. Ich denke, das ist der einzig richtige Weg. Aber da dürfen die Meinungen auch verschieden sein. Wir haben natürlich aus der Schweiz noch die Schweizergarde. Die Schweizergardisten rekrutieren natürlich auch hier in der Schweiz und oft auch in unserem Gebäude in Zürich. Da hat man einen regen Austausch. Man kennt sich, man nimmt sich wahr. Und da würde ich jetzt sagen, gibt es keine Vorbehalte unserem System gegenüber. Wir sind da sehr offen und gastfreundlich.

Fahnen in den Farben und mit dem Logo des Synodalen Wegs
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Auch in der Schweiz blickt man mit viel Interesse auf den Synodalen Weg.

Frage: Viele in Deutschland würden sich sicher etwas Ähnliches wünschen. Sie blicken ja auch aufmerksam auf das, was bei uns gerade mit dem Synodalen Weg passiert. Wir diskutieren ja zum Beispiel auch, ein Gremium einzurichten, das Synodaler Rat heißt. Das ist ja dann im Prinzip etwas Ähnliches. Wie betrachten Sie denn die Entwicklung, die da gerade in Deutschland stattfindet? Es gibt ja den Vorwurf Deutschland beschäftige sich mehr mit Strukturen als mit dem Evangelium.

Driessen-Reding: Ich schaue natürlich mit großem Interesse nach Deutschland und habe solche Freude an diesem ganzen Weg. Manchmal gibt es auch da Rückschläge und das bedauere ich sehr. Aber ich sehe die Voten der einzelnen Personen und was da auch für ein Feuer dahinter ist. Ich hoffe sehr, dass dieses Feuer noch lange brennt, weil es das auch braucht. Wir sind noch lange nicht so weit und wir brauchen einen langen Atem, um das durchzukriegen.

Wenn man uns vorwerfen will, dass wir uns eher mit Strukturen beschäftigen, dann muss ich jetzt einfach mal sagen: Unser früherer Generalvikar, der hat das noch erlebt, als wir noch keine Kirchensteuern bekommen haben. Er sagte, er habe damals noch von Tür zu Tür ziehen und betteln müssen – und jetzt hätte er die Zeit, wirklich Seelsorge zu betreiben und müsse sich nicht mehr beschäftigen mit der Geldsuche. Da sind wir auf jeden Fall auf einem besseren Weg. Das sehen wir auch in jedem Unternehmen. Gucken wir ein bisschen nach links und nach rechts, auch fernab von der Kirche. Wenn die Strukturen stimmen, dann sind die Leute weniger mit dem Entwirren eines Wirrwarrs beschäftigt.

Und wenn jemand ein ganz toller Theologe oder eine ganz tolle Theologin ist, heißt das nicht gleich, dass er oder sie auch noch eine Organisationswissenschaftlerin ist, dass sie eine Ahnung hat von Betriebswirtschaft und von Buchhaltung. Dafür gibt es dann die Strukturen. Von daher kann ich wirklich nur motivieren, damit weiter zu gehen. Es gibt ja in Deutschland das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) schon, nur gibt es da einfach die Finanzkompetenzen überhaupt nicht. Also wenn es so einen Synodalen Rat geben sollte, dann müsste damit auch klar definiert sein, dass gewisse Finanzkompetenzen, sagen wir jetzt deutschlandweit oder bistumsweit – wie auch immer – gegeben sind. Sonst redet man wieder an eine Wand. Das ist bei uns die Chance, die wir haben. Wir werden gehört, weil wir eben irgendwo auch intervenieren können, wenn wir nicht gehört werden sollten.

Frage: Ist das die Botschaft, die Sie dem Synodalen Weg mitgeben? Denkt daran, dass es im Endeffekt doch ums Geld geht, mal ganz simpel ausgedrückt.

Driessen-Reding: Denkt daran, dass ihr nicht einfach ein Gremium seid, dass gehört werden kann oder nicht, je nach Belieben. Sonst heißt es (von den Bischöfen), dass etwas jetzt zur Kenntnis genommen werde und dass es interessante Voten seien. Wenn es dann gut kommt, dann bringen die Bischöfe das nach Rom. Wenn es noch besser kommt, dann geloben sie, sich Mühe zu geben.

Das reicht nicht mehr. Das reicht einfach nicht mehr, wenn man das pastorale Leben gestalten will. Und das tun wir ja auch, wir geben nicht einfach nur Geld. Wir sind in der Mitgestaltung voll drin. Müssen wir ja auch sein, sonst wissen wir nicht, was es genau ist. Nur dann geht es, wenn wirklich auch finanzielle Ressourcen da sind. Das ist meine Meinung.

Von Renardo Schlegelmilch