Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit seien für ihn handlungsleitend

Overbeck: Habe bei Thema Homosexualität eine Entwicklung durchgemacht

Veröffentlicht am 20.10.2022 um 13:26 Uhr – Lesedauer: 

Essen ‐ Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit sind für Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck handlungsleitend: Das gelte für die kirchliche Sexualmoral wie für den Ukraine-Krieg. Der Oberhirte berichtet zudem über seinen jüngsten Besuch beim Papst.

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Für den Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sind die Werte Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit handlungsleitend. Auch Fragen der Sexualmoral und das sechste Gebot müssten unter diesen Richtlinien verstanden werden, sagte er am Mittwoch der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Bei Diskussionen zur Sexualmoral auf dem Synodalen Weg sei ihm bewusst geworden, dass "anders als vor 30 oder 40 Jahren zwei Drittel bis drei Viertel der Katholiken und Katholikinnen in Deutschland" dies ähnlich sähen. Es gebe aber "auch eine kleine, sehr laute und sehr überzeugte Gruppe, die das Gegenteil sagt".

Mit Blick auf Homosexualität habe er eine Entwicklung durchgemacht, sagte Overbeck. "Nach der klassischen Lehre der Kirche ist die einzige legitime Form Sexualität zu leben in der Ehe zwischen Mann und Frau mit der Offenheit auf Kinder. Ich würde heute sagen, dass wir eine Beziehungsethik entwickeln müssen." Dazu bringe ihn die Einsicht, dass es auch in nicht-heterosexuellen Beziehungen Treue und Verlässlichkeit sowie die gleichen Herausforderungen wie in heterosexuellen Partnerschaften gebe.

Die Themen des Synodalen Weges sind für den Ruhrbischof ein Zeichen, dass sich die Kirche in der postmodernen Gesellschaft noch zurechtfinden müsse. Die Gesellschaft prüfe alles auf Gerechtigkeit. Daher sei die Frage von Macht- und Gewaltenteilung gerade für die Kirche virulent. "Sexueller Missbrauch ist vor allen Dingen eine Frage des Machtmissbrauchs", betonte Overbeck. Daher wolle er nicht von einem Missbrauchsskandal sprechen, da dieses Wort den Skandal kleinrede. "Es ist ein Skandal, der weitergeht. Ein Skandal, der das Wesen der Kirche an sich betrifft." In Deutschland sei man in der Aufarbeitung schon ein ganzes Stück vorangekommen, das sei jedoch noch nicht genug. Weltweit gesehen, seien die "Einsichtsfähigkeiten […] sehr unterschiedlich". Mit Blick auf die Zukunft der Kirche zeigte sich Overbeck zuversichtlich: "Kirche hat immer eine Zukunft, weil der Kern gesund ist, und der heißt Jesus." Durch die Gemeinschaft habe sie die Kraft sich zu reformieren. "Das dauert manchmal ziemlich lange und mir auch manchmal zu lange."

Bild: ©KS / Doreen Bierdel

Seit 2011 ist Overbeck Militärbischof.

Anlass des Ukraine-Krieges sei nicht zuletzt ein "Krieg von Systemen und Ideen", sagte Overbeck, der auch Militärbischof ist. Auch hierbei gehe es letztlich um die Frage nach Gerechtigkeit und die Verteidigung des Rechts gegenüber der Macht des Stärkeren. Da die Perspektiven von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit einen so hohen Stellenwert hätten, seien Waffenlieferungen geboten. Forderungen nach Friedensverhandlungen seien zwar gut gemeint, aber am Ende nicht zielführend, da Putin nicht verlässlich sei. Aus moralischen Gründen halte er es für geboten, den kämpferischen Weg nicht auszuschließen.

Mit Blick auf die Situation der Kirche im Ruhrgebiet lobte Overbeck das soziale Engagement über die Konfessionsgrenzen hinaus. Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, brauche es jedoch noch größeres Engagement der Kirchen. Dies sei aber keine Frage des Geldes, sondern des Glaubens. So habe er dem Papst bei seinem vergangenem Besuch in Rom berichten können: "Schauen Sie sich doch unsere Nachbardiözesen an. Viele davon sind sehr reich, eine davon ist sogar die reichste Diözese Deutschlands. Denen geht es seelsorglich nicht anders als mir. Von daher ist der Kern des Glaubens keine Frage des Geldes." Der Papst nehme die Situation in Deutschland sehr differenziert wahr. (ben)