Katholisch-kommunistische Komödie mit ernstem Hintergrund

Vor 70 Jahren kamen "Don Camillo und Peppone" ins Kino

Veröffentlicht am 31.10.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ "Don Camillo und Peppone", der schlitzohrige Dorfpfarrer und der kommunistische Bürgermeister, amüsieren Menschen bis heute – und belustigen sogar Päpste. Vor 70 Jahren kam der erste von fünf Spielfilmen mit dem ungleichen Duo in die Kinos.

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Wer die Namen Don Camillo und Peppone hört, hat sogleich die Schauspieler vor Augen, die sie verkörperten: Fernandel und Gino Cervi. Vor allem beim Namen des gewitzten, schlagkräftigen Dorfpfarrers hat fast jeder ein großes Gesicht mit Pferdegebiss und zurückgekämmtem Haar vor Augen: Fernandel. Fernand Joseph Desire Contandin (1903-1971) war Franzose, stammte aus Marseille und arbeitete als Schauspieler und Sänger.

Seine Rolle verdankte er dem Schöpfer der beiden Romanhelden. Giovannino Guareschi (1908-1968) hatte sich für die Besetzung der Hauptrollen in dem italienisch-französischen Spielfilm ein Mitspracherecht ausbedungen. Es heißt, mit seinem kräftigen Schnauzbart sei Guareschi äußerlich ein Bruder Peppones gewesen. Innerlich aber glich der Journalist und Autor eher Dorfpfarrer Don Camillo. Und Guareschi bestand auf Fernandel.

Bürgermeister Bottazzi wurde als Kind auf den Namen Giuseppe (Josef) getauft. Pepe wäre eigentlich sein Spitzname – so wie Sepp oder Jupp für Josef. Weil Pepe zu imposanter Statur heranwuchs, nannten ihn die Leute "Peppone" – der "große Sepp" oder "Riesen-Jupp". Unterstützt wurde Bottazzis Erscheinung durch die volltönende Bassstimme von Schauspieler Luigi (Gino) Cervi (1901–1974); sein deutscher Synchronsprecher Werner Lieven reichte da nicht ganz heran.

Humoristische Darstellung mit ernstem historischen Hintergrund

Anders als Fernandel war Cervi auch ein Theaterschauspieler von Format. Ausgestattet mit Bühnenpräsenz und schauspielerischer Prägnanz war er einer der produktivsten und vielseitigsten Darsteller Italiens. Seine Palette reichte vom ernsten Theater übers Kino zu Radio und Fernsehen. Cervi brillierte unter anderem als Shakespeares "Falstaff", aber auch als Kriminalkommissar Maigret.

Seine ersten Geschichten über Don Camillo und Peppone schrieb Guareschi für die 1945 gegründete satirische Wochenzeitschrift "Candido". Wegen der raschen Beliebtheit der Figuren veröffentlichte Verleger Angelo Rizzoli die Folgen in dem Band "Die kleine Welt des Don Camillo". Die Erzählungen aus dem Dorf Brescello werden vor allem humoristisch wahrgenommen. Sie haben aber einen ernsten historischen Hintergrund, der vielen deutschen Zuschauern damals kaum bewusst war – oder verdrängt wurde.

Sogar die Päpste lieben Don Camillo und Peppone

Immer wieder an Feiertagen flimmern Filmklassiker über den Bildschirm - darunter auch die Geschichte um die innige Feindschaft des italienischen Pfarrers Don Camillo mit Bürgermeister Peppone. Auch beim aktuellen Papst und dessen Vorgänger ist die Geschichte beliebt. Einer kann sie sogar fast auswendig.

Nachdem 1943 Mussolini entmachtet und Italien von den Deutschen besetzt worden war, schlossen sich im italienischen Widerstand (Resistenza) Katholiken, Kommunisten, Republikaner und Monarchisten zusammen. In der Region Reggio-Emilia, aus der Guareschi stammte, war der Kampf zwischen Partisanen und Faschisten sowie zwischen einzelnen Partisanengruppen besonders heftig. Auch Don Camillo und Peppone gehörten laut Roman der Resistenza an.

Don Camillo Valota (1912-1998), Namensgeber des Roman-Pfarrers, war Priester, Partisan und Gefangener der KZs Dachau und Mauthausen. Autor Guareschi selbst wurde 1943 von den deutschen Besatzern mit anderen italienischen Soldaten in Gefangenenlager zuerst nach Polen, später nach Wietzendorf und Sandbostel in Niedersachsen geschickt.

Über die eineinhalb Jahre Gefangenschaft, aus der er mit nur 40 Kilo Körpergewicht zurückkehrte, schrieb Guareschi: "Hunger, Dreck, Kälte, Krankheiten, die verzweifelte Sehnsucht nach unseren Müttern und unseren Kindern, der tiefe Schmerz über das Unglück unserer Heimat haben uns nicht besiegt. Nie haben wir vergessen, zivilisierte Menschen zu sein mit einer Vergangenheit und einer Zukunft."

Päpste loben Dorfpfarrer Camillo

Wer in diesem Sommer durch die Po-Ebene fuhr, bekam angesichts der ausgetrockneten Landschaft und dem Po als Rinnsal vielleicht einen Eindruck davon, dass dies einst eine sehr arme Gegend war. Nach dem Krieg blieben dort viele Wunden offen. Darunter litten auch Don Camillo und Peppone; Guareschi versuchte, sie auf seine Weise zu heilen.

Dass sowohl Kirchenvertreter wie Kommunisten seine Geschichten kritisierten, bestärkte Guareschi in seiner Auffassung, dass sich alle Seiten aufeinander zu bewegen müssten. Immerhin soll Papst Johannes XXIII. den beliebten Autor später gefragt haben, ob er an einem neuen Katechismus mitarbeiten wolle. Guareschi lehnte höflich ab. Immerhin: Der bodenständige Dorfpfarrer Camillo wurde noch von Benedikt XVI. und Papst Franziskus als Vorbild gelobt.

Wegen des großen Filmerfolgs von 1952 drehte Regisseur Julien Duvivier bereits ein Jahr später einen zweiten mit dem Titel "Don Camillos Rückkehr". 1955 folgte "Die große Schlacht des Don Camillo", 1961 "Hochwürden Don Camillo". "Genosse Don Camillo" war 1965 der letzte vollendete Film mit Fernandel und Cervi. "Don Camillo e i giovani d'oggi" (Don Camillo und die Jugend von heute) sollte der sechste werden; er blieb unvollendet, weil Fernandel erkrankte und dann 1971 starb.

Von Roland Juchem (KNA)