Mit 100.000 für den Frieden
Seine Meditation über Gewalt und Frieden war Höhepunkt der vierstündigen Gebetswache, der zentralen Veranstaltung des Fasten- und Gebetstags für den Frieden in Syrien und anderen Konfliktregionen der Welt. Die rund 100.000 Zuhörer unterbrachen ihn mehrfach mit Applaus. In seiner Ansprache bekräftigte der Papst abermals eindringlich seine Ablehnung eines Militärschlags gegen das Regime von Baschar al-Assad. "Möge das Waffenrasseln aufhören!", forderte Franziskus. Krieg sei immer eine "Niederlage für die Menschheit".
Bagdad, Manila, Sydney, Rom
Nicht nur auf dem Petersplatz wurde an diesem Tag für den Frieden in Syrien gebetet. Von Washington über Bagdad und Manila bis Sydney beteten Millionen Katholiken für ein Ende des Blutvergießens. Und nicht nur Katholiken. Auch der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christenheit, und die Evangelische Kirche in Deutschland hatten sich der Initiative angeschlossen. Sogar in Syrien selbst kamen Muslime, Christen und Juden in der Omajjaden-Moschee der Hauptstadt Damaskus zu einem gemeinsamen Gebet zusammen. Der Papst hatte ausdrücklich auch Angehörige anderer Religionen eingeladen, sich seiner Initiative anzuschließen.
Auf dem Petersplatz allerdings waren am Samstagabend nur vereinzelt Muslime auszumachen. Als Repräsentant der Muslime Italiens war aus Mailand der Vizepräsident der islamischen Gemeinden des Landes, Yahya Sergio Yahe Pallavicini, angereist. Christen und Muslime müssten zusammen für den Frieden eintreten, sagte einer seiner beiden Begleiter, Isa Benassi. Er erhoffe sich "positive Früchte" von dem Gebet mit dem Papst, so der junge Muslim aus Rom.
Auch Amman und Ismael folgten der Einladung des Papstes. Sie seien hier, um Franziskus dafür zu danken, dass Christen und Muslime gemeinsam für den Frieden einträten, berichteten die beiden Muslime, die sich jeweils in eine große syrische Fahne gehüllt hatten, einer Reporterin. Und sie beteten nicht nur, sie fasteten an diesem Samstag auch. Dem Papst konnten sie allerdings nur aus der Ferne zuhören. Wegen ihrer großen Fahnen durften die beiden den Petersplatz nicht betreten.
Franziskus setzt nicht auf das Gebet allein. In den vergangenen Tagen nutzte er auch die ihm zu Gebote stehenden diplomatischen Kanäle , um auf eine friedliche Beilegung des Konflikts hinzuwirken. So appellierte er in einer Botschaft eindringlich an die Staats- und Regierungschefs der G20, die am Donnerstag und Freitag in Sankt Petersburg tagten, weiteres Blutvergießen zu verhindern.
Kein Kontakt zu Assad
Zugleich wandte sich das Kirchenoberhaupt mit deutlichen Worten gegen eine militärische Intervention: "An Sie alle richte ich den eindringlichen Appell, dass Sie helfen, Wege zur Überwindung der verschiedenen Gegensätze zu finden. Jeder nichtige Plan einer militärischen Lösung muss beiseite gelegt werden", heißt es in dem Brief, der an den russischen Präsidenten Vladimir Putin adressiert war, in diesem Jahr Vorsitzender der G20. Berichte, der Papst habe mit Assad selbst telefoniert, dementierte der Vatikan. Der Leiter des Presseamtes, Federico Lombardi, deutete jedoch Kontakte zwischen der päpstlichen Botschaft in Damaskus und der syrischen Regierung an.
Ist Friede tatsächlich möglich, oder bleibt er frommes Wunschdenken? Die Antwort des Papstes ist eindeutig: Ja, Friede ist möglich, lautete die Kernbotschaft seiner Ansprache. Und er beginnt nicht in Damaskus, im Pentagon oder im Kreml, sondern bei jedem Einzelnen. "Möge ein jeder den Mut fassen, auf den Grund seines Gewissens zu schauen und auf jene Stimme zu hören, die sagt: Komm' heraus aus Deinen Interessen, die Dein Herz verengen, überwinde die Gleichgültigkeit gegenüber dem anderen", so Franziskus. Jeder Mensch müsse der "Hüter seines Bruders" sein.
Von Thomas Jansen (KNA)