"Gleichschaltung" der Tarife: ver.di verurteilt Caritas-Wortwahl
Die Gewerkschaft ver.di hat der Caritas-Dienstgeberseite eine geschichtsvergessene Wortwahl vorgeworfen, nachdem diese in einer Pressemitteilung von einer "Gleichschaltung der Tariflandschaft" gesprochen hatte. Das ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler sehekeine Rechtfertigung für die Verwendung solcher inakzeptabler Begriffe, teilte die Gewerkschaft am Mittwoch mit. "Der Begriff der Gleichschaltung wurde in der Zeit des Nationalsozialismus geprägt und bezeichnet die erzwungene Vereinheitlichung des gesamten politischen Lebens”, so Bühler. Ihn in Zusammenhang mit Tarifregelungen in der Pflege zu verwenden, sei völlig inakzeptabel, “und wir erwarten eine öffentliche Erklärung der Caritas dazu".
Auf Anfrage von katholisch.de wollte sich die Dienstgeberseite dazu inhaltlich nicht äußern. "Diskussionen zu dem Vorwurf eröffnen Paralleldebatten, an denen sich die Caritas-Dienstgeber nicht beteiligen werden, da sie ausschließlich am sachlichen Gespräch rund um Tarifentwicklungen interessiert sind", betonte der Sprecher der Dienstgeberseite, Norbert Altmann.
Die Caritas-Dienstgeber hatten sich Ende Oktober erneut gegen eine Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen in der Pflegebranche ausgesprochen und festgestellt, dass die seit September geltende Tarifbindung für den notwendigen Wettbewerb der Arbeitgeber in der Pflegebranche sorgt. Wörtlich hieß es in der Pressemitteilung: "Eine Gleichschaltung der Tariflandschaft anhand einer Allgemeinverbindlicherklärung wäre keine Lösung für noch bestehende Lohngefälle." Das mittlerweile in Kraft getretene Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) habe dazu geführt, dass unter der Wahrung der Tarifautonomie der Wettbewerb tariflicher Regelungen gestärkt und die Tarifbindung gefördert werde, so Altmann. Eine "Top-Down-Verordnung" könne das nicht leisten.
Positionen von ver.di und Caritas-Dienstgebern weiter unversöhnlich
In der Sache erneuerte Bühler die Kritik der Gewerkschaft am Vorgehen der Caritas. Der jahrelange Prozess hin zu einer tariflichen Lösung für die stationäre und ambulante Pflege habe durch die Arbeitgebervertreter der Caritas einen herben Rückschlag erlitten. "Die weiterhin ablehnende Haltung der Caritas zu einer Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages in der Pflege ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten", betonte die Gewerkschafterin. Das GVWG sei dazu keine Alternative, und es schaffe auch keine Tarifbindung. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag würde nach Ansicht der Gewerkschaft Untergrenzen definieren und den Tarifvertragsparteien darüber hinaus ausreichend Spielraum für weitere Regelungen lassen.
Die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas hatte Anfang 2021 einem Antrag auf flächendeckende Einführung des Tarifvertrags für die Altenpflege überraschend nicht zugestimmt. Für die Beschlussfassung wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig gewesen. Die Dienstgeberseite hatte Befürchtungen geäußert, dass ein Flächentarif die Pflicht von Kostenträgern zur Refinanzierung der höheren Caritas-Sätze gefährden würde. Dem traten Vertreter der Dienstnehmerseite entgegen. Die Ablehnung des Flächentarifs hatte zu einer großen öffentlichen Debatte geführt. Unter anderem hatten sich 17 Professoren für katholische Sozialethik mit einer Stellungnahme zu Wort gemeldet, in der sie eine erneute Abstimmung forderten, ver.di rief zu Protesten auf. (fxn)