Pfarrer und Autor Schredl: "Ein Krippenspiel darf nicht zugemüllt werden"

Schrift, Tradition und Zeitgeist: So entsteht ein Krippenspiel

Veröffentlicht am 20.12.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Erich Schredl ist Pfarrer in Ingolstadt und schreibt seit vielen Jahren Krippenspiele. Dabei geht er auch mal ungewöhnliche Wege. Im katholisch.de-Interview warnt er vor Moralisierungen an Heiligabend und erklärt, warum ein gutes Krippenspiel nicht ohne Zeitgeist auskommen kann.

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Spätestens kurz vor Weihnachten stellt sich in vielen Gemeinden die Frage: "Welches Krippenspiel nehmen wir in diesem Jahr?" Bei der Suche im Netz oder am Bücherregal stößt man schnell auf Erich Schredl. Der Eichstätter Diözesanpriester hat schon einige Krippenspiele und ein weihnachtliches Rockoratorium geschrieben. Im katholisch.de-Interview berichtet er von seiner Arbeit als Krippenspielautor und skizziert den Weg von der Idee bis zur Aufführung eines Krippenspiels.

Frage: Herr Pfarrer Schredl, wie wird man Krippenspielautor?

Schredl: Ich bin Pfarrer und schreibe schon seit mindestens 25 Jahren Krippenspiele. Wir haben damals mit einer Gruppe angefangen, Krippenspiele zu erarbeiten und seitdem auch einiges ausprobiert. Als mich dann vor ein paar Jahren der Herder-Verlag gefragt hatte, ob ich nicht etwas über Krippenspiele machen möchte, habe ich mir hier in Ingolstadt Mitstreiter und Mistreiterinnen gesucht und wir haben uns gemeinsam an die Arbeit gemacht.

Frage: In Heften, Büchern und im Internet gibt es unzählige Krippenspiele. Warum braucht es denn immer wieder etwas Neues?

Schredl: Ob es immer wieder Neues braucht, kann man tatsächlich geteilter Meinung sein: In einem meiner Kindergärten hat die Leiterin vor Urzeiten ein Krippenspiel geschrieben und das wurde viele Jahre lang an Weihnachten aufgeführt. Die Leute liebten es und die kleineren Kinder konnten es fast mitsprechen. Die kleinsten waren ganz aufgeregt, eines Tages da selbst einmal mitzuspielen. Und jedes Jahr hieß es dann 'Das ist fast so schön wie letztes Jahr' oder 'Das war noch schöner'…

Frage: Also braucht es keine Neuauflagen…

Schredl: Natürlich hat so eine Tradition seinen Charme. Aber auf der anderen Seite habe ich das Gefühl, dass sich Menschen und Generationen ändern. Auch Situationen ändern sich und Fragen werden andere. Wenn ich nicht hoffnungslos in ein Christentum abrutschen will, das sich nur aus Vergangenem nährt – wie so ein Museum des Brauchtums – dann braucht es immer wieder neue Krippenspiele. Daher ist es wichtig, ins Gespräch zu kommen. Wir müssen immer wieder überlegen, was uns gerade bewegt. Ich hasse es, wenn einfach ein Skript aus dem Internet übernommen wird. Das geht so oft an dem vorbei, was uns bewegt.

Bild: ©Privat

Der Eichstätter Diözesanpriester Erich Schredl hat schon einige Krippenspiele und ein weihnachtliches Rockoratorium geschrieben. Im Interview erzählt er, wie seine Krippenspiele entstehen.

Frage: Das heißt, Tagesaktualität ist wichtig?

Schredl: Echte Tagesaktualität ist schwierig. Man braucht für ein Krippenspiel einiges an Vorbereitungszeit. Aber Zeitströmungen sind auf jeden Fall wichtig. Krippenspiele müssen an das Leben andocken.

Frage: Woher bekommen Sie denn Ihre Inspiration?

Schredl: Inspiration gibt es mehr als man brauchen kann, man muss sie nur wahrnehmen wollen. Konkret schaue ich in die Bibel. In der Weihnachtsgeschichte werden ganz nebenbei Andeutungen aus dem Alten Testament gemacht. Da bin ich auf Gestalten gestoßen wie Bileam oder Rut. Die kommen in klassischen Krippenspielen kaum vor, haben aber eine wichtige Rolle. Der Blick in die Bibel inspiriert mich: Was erzählt der Text? Aber auch die Tradition spielt für meine Arbeit eine wichtige Rolle. Ein Krippenspiel kann sich auch mit der Frage beschäftigen, woher die traditionelle Weihnachts-Krippe mit den Figuren kommt. Oder: Warum steht da ein Baum in der Kirche? Das sind Fragen, die mich inspirieren. Und: Krippenspielschreiben ist Teamarbeit.

Frage: Und dann wird im Team konzipiert?

Schredl: In vielen Pfarreien gibt es feste Gruppen. Wenn ich Glück habe, darf ich da mitarbeiten. Im Austausch miteinander kommen verschiedene Fragen auf. Und am Ende einigt man sich auf ein Thema, das uns alle packt. Von da aus suchen wir dann die Botschaft dahinter. Diese Botschaft muss mit dem Krippenspiel so vermittelt werden, dass die Akteurinnen und Akteure dahinterstehen können und die Mitfeiernden auch etwas mitnehmen.

Kinder bei einem Krippenspiel
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

"Gerade an Weihnachten sollte nicht der Eindruck entstehen, Religion sei nur etwas für die Kleinen. Daher sollte die ganze Gemeinde beteiligt sein – und zwar nicht nur dadurch, dass alle mit ihren Handys und Tablets filmen", sagt Erich Schredl. Ein Krippenspiel müsse Herz und Sinne berühren.

Frage: Was braucht es denn für ein gutes Krippenspiel?

Schredl: Es muss vor allem verständlich sein: sprachlich und inhaltlich. Ich finde es nicht gut, wenn ein Kind etwas sagen soll und nebendran eine Erzieherin sitzt, und ihm alles einflüstert. Das ist doch nicht authentisch. Das Kind soll in seiner eigenen Sprache sprechen. Und die Sprache sollte eine zeitgemäße Sprache sein. Nicht so ein historisierendes Getue – das versteht doch kein Mensch mehr! Es müssen auch nicht immer Kinder vorne stehen. Gerade an Weihnachten sollte nicht der Eindruck entstehen, Religion sei nur etwas für die Kleinen. Daher sollte die ganze Gemeinde beteiligt sein – und zwar nicht nur dadurch, dass alle mit ihren Handys und Tablets filmen. So ein Krippenspiel muss man mit Herz und Sinn wahrnehmen. Zuschauen reicht nicht, man muss dabei sein. Dazu reicht es schon, alle einzuladen, das Kind in der Krippe zu berühren, eine Spende oder Strohhalme dort zu lassen oder etwas von der Krippe mitzunehmen. 

Frage: Und dann kann nichts mehr schief gehen?

Schredl: Naja… Die ganzen Schnörkeleien sollte man auch weglassen.

Frage: Was sind denn Schnörkel?

Schredl: Der Versuch, hier noch ein Liedchen und da noch ein bisschen Licht und Weihrauch einzubauen. Am Schluss hat man dann so einen Wust an lauter hübschen Sachen, aber man sieht den Kern gar nicht mehr. Ein Krippenspiel darf nicht zugemüllt werden. Daher ist es mir wichtig, wenige und klare Elemente einzubauen. Ich habe es gern, wenn man den Blick auf den Kern freigibt. Ein Krippenspiel sollte auf den Punkt und knackig sein – und auf keinen Fall moralisierend! Wenn es um Religion geht, werden die Deutschen immer ganz schnell moralisch. Jesus war nicht moralisch! Ich habe mal das Neue Testament daraufhin durchgelesen und keine einzige Stelle gefunden, in der Jesus moralisiert hätte.

Frage: An Weihnachten kommen bekanntlich bedeutend mehr Menschen in die Kirche als an anderen Tagen im Jahr. Was wollen Sie den Leuten für die folgenden 364 Tage mitgeben?

Schredl: Sie sollen sich einfach berühren lassen. Die Weihnachtsbotschaft wird nicht durch viele Worte verkündet, sondern spricht den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit an – da kommt dann die Theologie ins Spiel.

Frage: Sie hatten Bibel und Tradition schon angesprochen. Welche Rolle spielt die Theologie?

Schredl: Man muss darauf achten, welche Botschaft vermittelt wird. Achtet man nicht darauf, kann es schnell sein, dass destruktive Botschaften vermittelt werden. Die Theologie hilft mir zu klären, um welche Botschaft es wirklich geht.

Ein Mädchen bei einer Krippenfeier
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

"Einfach mal ausprobieren", rät Krippenspielautor Erich Schredl. Es gibt stille und laute, einfache und pompöse Krippenspiele. Der Experte rät zu Mut und Kreativität.

Frage: Haben Sie das ein Beispiel?

Schredl: Die Hirten sind ein gutes Beispiel: In der deutschen Romantik des 19. Jahrhunderts wurden die Hirten zum Inbegriff der bukolischen Idylle. Diese armen Hirtlein, die nichts haben, die der Engel anspricht und die mit Wolle, Wachs und Milch zur Krippe kommen, um das Gotteskindlein anzubeten… Das hat aber nichts mit der biblischen Botschaft zu tun.

Frage: Sondern?

Schredl: Hirten sind die Experten für Könige. Sie wissen, was ein König ist. Schließlich war König David ein Hirte und kam aus Bethlehem. Die Hirten aus Bethlehem wissen also, was einen König zum König macht. Sie können bezeugen, wer König ist. Die Herbergssuche ist ein weiteres Beispiel. Da geht es nicht um den bösen Herbergsvater. Eine Frau braucht Ruhe bei der Geburt. Die hat sie aber nicht in einem vollen, lauten Gasthaus. Also stellt der Herbergsvater ihr einen Rückzugsort zur Verfügung. Es geht also nicht um böse Wirte, sondern um echte Raumnot. Wenn ich nicht aufpasse, welche Botschaft wirklich in der Geschichte steckt, kommen schnell destruktive Botschaften heraus. Klärt man sich über diese Hintergründe auf, wird aus der destruktiven Botschaft eine Froh-Botschaft.

Frage: Testen Sie ihre Krippenspiele eigentlich vor der Veröffentlichung?

Schredl: Das kommt auf die Gruppe an. In einer meiner Gemeinden hatte ich eine sehr mutige Truppe. Da haben wir gemeinsam überlegt und dann gemacht – 'egal was die Leute sagen'. So kamen unterschiedliche Krippenspiele zusammen. Ein Spiel war sehr still und mystisch. Es fing an mit einer Melodie, die an der Orgel gespielt wurde, diese Melodie wurde dann von einem Engel mit einem anderen Instrument übernommen und weitergegeben an andere, die auch ein Instrument spielten. So ging die Melodie durch die Kirche bis zur Menschwerdung und diese Melodie wurde am Schluss von allen gesungen. Manche konnten damit gar nichts anfangen, der größere Teil war sehr berührt. Ein andermal war es richtig laut. Da wurde geschimpft und gestritten, bis Maria allen ganz ruhig erklärt hat, worum es wirklich geht. Das hat einige schockiert, aber es war gut. Da braucht es keinen Testlauf.

Von Benedikt Heider