Jung über Ad-limina-Besuch: Kurie fürchtet deutsche Gründlichkeit
Der Würzburger Bischof Franz Jung hat eine gemischte Bilanz des Besuchs der deutschen Bischöfe im Vatikan gezogen. Es sei nicht gelungen, die in Rom vorhandenen großen Vorbehalte gegenüber dem deutschen Reformprozess Synodaler Weg zu reduzieren, sagte Jung in einem Interview für die neue Ausgabe des "Würzburger Katholischen Sonntagsblatts". "Dennoch war es sehr schön, im direkten Gegenüber miteinander zu sprechen und sich nicht über Zwischenrufe auf Distanz zu verständigen."
Der Bischof fügte hinzu, er hoffe, "wir konnten durch unsere Präsenz und unsere Argumente deutlich machen, wie ernst es uns ist und dass wir überzeugt sind, dass gerade im Blick auf das Evangelium eine Erneuerung der Kirche möglich und notwendig ist". Jung sagte, er habe bei Papst Franziskus und den Kurienkardinälen "großen Respekt" vor der Entschiedenheit der Deutschen Bischofskonferenz gespürt. Zugleich wirke diese deutsche Gründlichkeit in Rom "auch Furcht einflößend". So sei immer wieder die Angst wahrnehmbar gewesen, Deutschland würde sich aus dem Verbund der Weltkirche verabschieden. Beim interdikasteriellen Treffen am Freitag sei es dabei inhaltlich "so richtig zur Sache" gegangen. Papst Franziskus hatte an dieser Begegnung überraschend nicht teilgenommen. "Aber das war letztlich sicher besser für die Atmosphäre der Diskussion, weil sich auf diese Weise keiner gehemmt fühlen musste", so Jung.
Jung: Arbeitsdokument für Weltsynode spielt bei Kurialen keine Rolle
Mehrfach hätten der Papst und nach ihm andere Kurienvertreter angemahnt, das Schreiben von Franziskus "An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" von 2019 in vollem Umfang zur Kenntnis zu nehmen und seine Inhalte umzusetzen, sagte der Bischof. "Aus der Mahnung, den Brief genau zu lesen, klang auch eine gewisse Verletzung heraus und das Gefühl, in Deutschland nicht ernst genommen zu werden."
Als "verwunderlich" bezeichnete Jung, "dass wir mehrfach auf das Arbeitsdokument für die kontinentale Etappe der Weltbischofssynode hinweisen mussten, in dem viele Themen des Synodalen Wegs benannt werden". Dieser Bericht habe aber anscheinend für die Vertreter der Kurie keine besondere Rolle gespielt. Zugleich habe er, Jung, den Eindruck gehabt, "dass auch die Kurie unter erheblichem Druck steht durch die kritischen Rückmeldungen, die in Rom zum Weg der Kirche in Deutschland eingehen". Den Vorschlag des Präfekten des Bischofsdikateriums, Kardinal Marc Ouellet, den Synodalen Weg "durch ein 'Moratorium' auf Eis zu legen'", hätten die Bischöfe in großer Entschiedenheit abgelehnt. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin habe zum Abschluss des interdikasteriellen Treffens am vergangenen Freitag gesagt, dass er nicht darauf dringen werde, den Synodalen Weg abzubrechen.
Hoffnungsvoller äußerte sich der Fuldaer Bischof Michael Gerber. Die Begegnung mit dem Papst habe ihn zuversichtlich gestimmt und die Gespräche seien von Respekt und Offenheit geprägt gewesen, aber auch von unterschiedlichen Auffassungen über zentrale Themen, teilte Gerber am Dienstag mit. Unterschiedliche Standpunkte habe es insbesondere zum Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland gegeben, dem Synodalen Weg. Das Vorhaben stehe gerade nicht im Gegensatz zum synodalen Prozess der Weltkirche, so Gerber. Die Themen wie Frauen in der Kirche, Macht, Gewaltenteilung und Sexualität seien weltweit präsent.
Die deutschen Bischöfe hatten in der vergangenen Woche bei ihrem turnusgemäßen Ad-limina-Besuch mit dem Papst und den Chefs mehrerer Vatikanbehörden über die Reformvorschläge des deutschen Synodalen Wegs diskutiert. Mit Blick auf unterschiedliche Positionen sagte Gerber, dass ein Verbot, bestimmte Themen zu diskutieren, den Prozess der Weltsynode nachhaltig beschädigen würde. Er sei zuversichtlich, dass die Gesprächspartner im Vatikan das im Blick hätten. "In Anbetracht der gegenwärtigen Spannungen stimmen mich die Äußerungen von Papst Franziskus hoffnungsvoll", sagte Gerber. Auch sei deutlich geworden, "dass ein konstruktiver und in die Zukunft verweisender Umgang mit Spannungen und unterschiedlichen Auffassungen der Ernstfall von gelebter Synodalität und Mitbestimmung" sei.
Burger bewertet Besuch als "grundsätzlich positiv"
Gerber schilderte zudem, wie Papst Franziskus den Bischöfen von seinen persönlichen Erfahrungen mit Synodalität berichtet hat. "Bewegt schilderte er, wie er bei der ersten Synode, an der er teilnahm, erleben musste, dass einzelne Themen von der Tagesordnung genommen wurden. Das sei Zensur, meinte er, und das passe nicht zur Synode", sagte Gerber laut Pressemitteilung seines Bistums.
Auch der Freiburger Erzbischof Stephan Burger bewertete den Besuch als "grundsätzlich positiv". "Die Gespräche waren konstruktiv, aber auch kontrovers und bedeuten für die Zukunft intensive Arbeit und Bemühungen um den rechten Weg im Sinne der Synodalität", sagte er in einem Interview mit dem Schweizer Internetportal "kath.ch" am Dienstag. Dabei seien auch die unterschiedlichen Perspektiven und Anliegen deutlich geworden, die es zu diskutieren oder auszuhalten gelte. Es sei daher ein wichtiges Zeichen gewesen, "dass die Bischöfe gemeinsam die Themen, Sorgen und Herausforderungen der katholischen Kirche in Deutschland und aller Gläubigen mit nach Rom gebracht haben", so Burger. Nun bestehe die Aufgabe darin, weiterhin um den gemeinsamen Weg der Kirche in Einheit mit dem Papst zu ringen.
Auch weitere deutsche Bischöfe hatten zuvor eine Bilanz zum Rom-Besuch gezogen. So bezeichnete der Münsteraner Bischof Felix Genn die Gespräche als "hart, aber von beiden Seiten fair". Unterredungen mit solcher Offenheit und Klarheit habe er sich bei früheren Ad-limina-Besuchen nicht vorstellen können. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck dagegen ist nach eigenen Worten "sehr positiv gestimmt", aber auch "sehr nachdenklich" in sein Bistum zurückgekehrt. Zudem habe der Pontifex betont, dass Synodalität für ihn vor allem ein geistlicher Prozess sei, bei dem es ums Hören gehe. Aus Sicht des Trierer Bischofs Stephan Ackermann war es wichtig, offen und direkt miteinander über die Situation in Deutschland zu sprechen und die kontroversen Positionen, die im Raum stehen. Die Themen und Papiere des Synodalen Wegs entfalteten schon jetzt ihre Wirkung, so Ackermann.
Für den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode war es ein anstrengender Besuch im Vatikan. "Es ist für mich der fünfte Ad-limina-Besuch und sicher auch der anstrengendste und intensivste", so Bode. Er hoffe, dass durch die Gespräche ein weiterer konstruktiver Dialog entstehe. Bei der Abschlusspressekonferenz am Samstag in Rom hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, gesagt, dass es ein herausfordernder Besuch gewesen sei, bei dem "wirklich alle" Themen auf den Tisch gekommen seien. Dabei seien auch die Vorbehalte gegen den Synodalen Weg offen diskutiert worden, zugleich aber auch die Sorgen und Auffassungen der deutschen Bischöfe. Der Passauer Bischof Stefan Oster sah im Vatikan dagegen keine Zugeständnisse zum Synodalen Weg in Deutschland. Er habe vielmehr "deutlichen Widerspruch zu den aus meiner Sicht bei uns am intensivsten diskutierten Fragen wahrgenommen", schrieb er auf Facebook.
Von Montag bis Samstag waren die deutschen Bischöfe zu Gesprächen mit den Vatikanbehörden und dem Papst in Rom. Diözesanbischöfe sind verpflichtet, in der Regel alle fünf Jahre gegenüber dem Papst einen Bericht über die Situation in ihrem Bistum abzustatten, verbunden mit einer Pilgerreise an die Gräber der Apostel Petrus und Paulus in Rom. Die deutschen Bischöfe waren zuletzt 2015 zum Ad-limina-Besuch in Rom. Der aktuelle Besuch war mit Spannung erwartet worden, nachdem der Synodale Weg im Vatikan mit Sorge und Kritik beobachtet wurde. Im Sommer hatte der Heilige Stuhl mit einer Erklärung eingeschärft, dass der Synodale Weg nicht befugt sei, "die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten". (cbr/KNA)
22.11.22, 14.50 Uhr: ergänzt um Aussagen von Erzbischof Stephan Burger
22.11.22, 15.25 Uhr: ergänzt um weitere Details