Gehorsams- statt Missbrauchskrise? Was für eine absurde Verdrehung!
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Schon lange herrscht Krisenstimmung in der katholischen Kirche. Auch der Dissens darüber, worin die Krise überhaupt bestehe, ob es eine Kirchen- oder eine Glaubenskrise sei, ist ein alter, immer wieder aufgewärmter Streit. Bei einer Kirchenkrise muss die Institution auf den Prüfstand. Bei einer Glaubenskrise setzt man auf die Kraft der (Neu-)Evangelisierung.
Missstände in der Kirche kulminieren in sexualisierter Gewalt durch Kleriker und deren Vertuschung, in mangelhafter und schleppender Aufarbeitung und Wiedergutmachung. Die Missbrauchskrise der katholischen Kirche ist vor allem eine Krise der Bischöfe. Zu lange galt deren Sorge mehr den Tätern als den Betroffenen, mehr der Institution als den Menschen, mehr der kirchlichen Lehre als dem Evangelium.
Beim Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe in Rom hat vor Kurzem auch der Kardinalpräfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, Marc Ouellet, eine Bischofskrise ausgemacht, sie allerdings völlig anders bestimmt: Er diagnostizierte ein gravierendes "Glaubensproblem in Bezug auf das Lehramt". Das zeige sich darin, dass die deutschen Bischöfe auf dem Synodalen Weg neuerdings für Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche plädierten, und gipfele in der Bitte, die Debatte um die Frauenordination wieder zu öffnen, die Johannes Paul II. doch bereits 1994 autoritativ beendet habe. Ouellet zitiert "viele Gläubige und Beobachter" mit den Fragen: "Was ist passiert?" und "Wo sind wir gelandet?", wenn deutsche Bischöfe sich "durch kulturellen und medialen Druck" solche "Zugeständnisse" abringen ließen.
Ja, was mag da passiert sein, wenn Bischöfe sich plötzlich Jahrzehnte alte theologische Forderungen zu eigen machen, statt "im Gehorsam gegenüber Petrus" die vermeintlich unveränderliche Lehre der Kirche zu verkünden? Wenn sie neuerdings der Überzeugungskraft von Argumenten mehr zutrauen als der Autorität des päpstlichen Lehramts?
Aus römischer Sicht ist die Bischofskrise der Kirche keine Missbrauchs-, sondern eine Gehorsamskrise. Nicht "sogenannte systemische Ursachen des Missbrauchs" wären dann das Problem, sondern das Ansinnen der Kirche in Deutschland, diese zu beseitigen. Und nicht eine Unkultur des Gehorsams hätte die Kirche in die Krise gestürzt, sondern Bischöfe, die sich ihr in Treue zu ihrem Gewissen entgegenstellen; Bischöfe, die die Menschen künftig wichtiger nehmen wollen als die Institution, das Evangelium wichtiger als kirchliche Lehre.
Solche absurden Verdrehungen lassen tatsächlich fragen: Was ist da passiert in Rom? Und wo sind wir gelandet?
Die Autorin
Julia Knop ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.