Standpunkt

Schmerzensgeld-Klagen könnten für Bistümer den Bankrott bedeuten

Veröffentlicht am 07.12.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ So manches deutsche Bistum dürfte ins Schwitzen geraten: Derzeit wird die Schmerzensgeld-Klage eines Missbrauchsbetroffenen gegen das Erzbistum Köln verhandelt. Für andere Diözesen könnte das Ergebnis verheerend sein, kommentiert Tobias Glenz.

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Es ist eine Zwickmühle, in der sich die katholische Kirche befindet: Die Schmerzensgeld-Klage eines Missbrauchsbetroffenen gegen das Erzbistum Köln könnte Vorbildcharakter bekommen und somit viele weitere Klagen gegen Bistümer oder auch Bischöfe nach sich ziehen. Wie also mit solchen Fällen umgehen? Kardinal Rainer Maria Woelki hatte sich am Montag entschieden, auf die sogenannte Einrede der Verjährung zu verzichten. Es ist insofern eine verständliche Entscheidung, als dass hier ausschließlich die Betroffenenperspektive eingenommen wird und zugleich die ohnehin krisengeschüttelte Erzdiözese keine weitere schlechte Presse riskiert.

Allerdings gilt es zu bedenken: In dem konkreten Fall geht es um insgesamt 805.000 Euro, die der Kläger verlangt. Selbst für das wohlhabende Erzbistum Köln eine stattliche Summe, wenngleich zu stemmen. Was passiert nun aber, wenn sich eine deutlich ärmere Diözese – etwa ein Diasporabistum in Ostdeutschland – einer ähnlich hohen Schmerzensgeld-Forderung gegenübersieht? Die Antwort ist klar: Das könnte den Bankrott bedeuten.

Beim ersten Verhandlungstag am Dienstag wurde nun ein Vergleich im Kölner Fall vorgeschlagen – mit einem unteren sechsstelligen Betrag, wobei der Vorsitzende Richter jedoch höhere Zahlungen nicht ausschloss. Für arme Bistümer wäre das noch immer sehr viel Geld. Stimmt die Erzdiözese nun einem Vergleich zu, so ließe sich zumindest ein Urteil – und damit ein Präzedenzfall – umgehen. Andererseits schließt auch dies ein ähnliches Vorgehen weiterer Missbrauchsbetroffener nicht aus.

Das Erzbistum Köln hatte bei seinem Verjährungsverzicht zugleich betont, dass es nur für den aktuellen Fall gelte, man sich künftig also durchaus auf eine Verjährung berufen könnte. Eine solche Einzelfallentscheidung liegt auch auf der Linie der Deutschen Bischofskonferenz. Das Dilemma besteht weiter: Will die Kirche glaubhaft Missbrauchsbetroffene entschädigen, so kommt das Pochen auf Verjährung immer einer moralischen Bankrotterklärung gleich – selbst wenn die Existenz einer Diözese auf dem Spiel steht. Und noch eins ist klar: Sollte in mehr als einem Fall Missbrauchsbetroffenen deutlich höhere Summen zugesprochen werden, als es aktuell durch die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen geschieht, gehört das System noch einmal auf den Prüfstand.

Von Tobias Glenz

Der Autor

Tobias Glenz ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.