Aufbahrung im Petersdom: Pracht, Macht und Kontinuität
Seit Montag liegt der verstorbene Papa Emeritus, Benedikt XVI., flankiert von der Schweizergarde in der Vierung des Petersdoms. Mehr als 50.000 Menschen zogen in den ersten Stunden an seinem Leichnam vorbei, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Er trägt ein rotes Messgewand und eine weiße Mitra. Auf den ersten Blick erinnert die Szenerie an die Aufbahrung seines Vorgängers Johannes Paul II. Doch der zweite Blick zeigt: Es gibt Unterschiede.
War im Vorfeld spekuliert worden, wie die vatikanischen Gottesdienstspezialisten die Inszenierung der Totenliturgie eines Emeritus von der eines im Amt verstorbenen Papstes unterscheiden wollen, lässt die Aufbahrung nun erste Hinweise zu. So trägt Benedikt XVI. weder das Päpsten und Erzbischöfen vorbehaltene Pallium, noch liegt die Ferula (der Kreuzstab der Päpste) neben ihm. Statt der päpstlichen roten Schuhe trägt Benedikt XVI. schwarze. Wie das ausbleibende Sterbe-Geläut von St. Peter nach dem Tod des Emeritus zeigen solche Feinheiten, wie die vatikanischen Verantwortungsträger symbolische Akzente setzen wollen. Doch folgt die Inszenierung auch alten Traditionen.
Päpstliche Macht und Pracht werden immer wieder inszeniert
"Hier wird die Kontinuität des Papstamtes dargestellt", sagt Ina Wunn. Sie ist Religionswissenschaftlerin und lehrt derzeit an der Universität Hannover. Am Körper des toten Papstes werde die Macht und Stellung der Päpste veranschaulicht. Diese päpstliche Macht und Pracht wird aus Anlass von Bestattungen immer wieder inszeniert", sagt Wunn. "Das Geheimnis der enormen Bedeutung der Päpste ist, dass sie zwar diese machtvolle Tradition haben, aber heute auf ihre politische Macht komplett verzichten." Die Aufbahrung des toten Papstes inszeniere jedoch Kontinuität mit dieser alten Zeit. "Die Kirche will mit der Aufbahrung ihres toten Oberhauptes verdeutlichen: Der verstorbene Papst ist einer, der in einer langen Reihe von Päpsten, das heißt einer in der langen Reihe der Stellvertreter Petri, steht", erklärt Wunn. Das sei eine unglaublich kostbare und wertvolle Sache, betont die Religionswissenschaftlerin. Die Kirche könne so ihre eigene Legitimation veranschaulichen: "Ich wüsste jetzt nicht, welche andere Religion so etwas bieten könnte."
Medium dieser Botschaft ist der Körper des Papstes. Mit dem Nebeneinander von regierendem Papst und Papa Emeritus habe diese Symbolik jedoch etwas von ihrer Kraft verloren, räumt die Religionswissenschaftlerin ein. "Nun geht es darum auszudrücken, dass hier jemand bestattet wird, der die Würde des Papstes zwar verkörpert, aber eben nicht mehr die dazugehörige Macht hatte", sagt Wunn. Letztlich sei das Papsttum ein Wahlkönigtum: "Es ist nun eben so, dass ein abgedankter König zu Grabe getragen wird."
So befremdlich die Aufbahrung auf viele wirkt: Auch sie ist kein päpstliches Privileg. Die Präparierung von Verstorbenen ist ein jahrtausendealter Brauch. Bekannt sind die Mumifizierungspraktiken der Ägypter. Sie konservierten ihre Toten aus religiösen Gründen. "Die alten Ägypter glaubten an ein Weiterleben nach dem Tod. Der Verlust des irdischen Leibes hätte das Ende des jenseitigen Lebens bedeutet. Deswegen mussten die Ägypter ihre Toten vor dem Verfall schützen", erklärt Wunn die Anfänge der Präparation. Auch im Christentum spielt der Körper eine wichtige Rolle. "Auch zu biblischer Zeit hat man sich um die Toten gekümmert. Die biblischen Geschichten erzählen von Balsamierungen der Toten.". Das habe ebenfalls mit den Jenseitsvorstellungen zu tun. Mit Blick auf die Auferstehung sei jedoch weniger die Unversehrtheit des Leibes als dessen Vollständigkeit wichtig, betont Wunn.
Wie so eine Präparation heute aussehen kann, sieht man in Rom. Viele der offen aufgebahrten Seligen und Heiligen sind mit einer Wachs- oder Metall-Maske überzogen. Ein gutes Beispiel ist Johannes XXIII. Ihn holte man nach seiner Seligsprechung 2000 aus den vatikanischen Grotten in die Basilika. Dort liegt er nun in einem Glassarg – Gesicht und Hände sind mit Wachs nachmodelliert, sodass er auch gut 60 Jahre nach seinem Tod unverwest erscheint. "Die Inszenierung der Unversehrtheit von Körpern entspricht dem Gedanken der Vollkommenheit von Heiligen", sagt Wunn. "Wenn also ein Verstorbener diesen Verwesungssprozess nicht durchmacht, muss etwas Besonderes mit diesem Verstorbenen gewesen sein." Der Gedanke dahinter: "Dieser Mensch hat auf Erden Vorzügliches geleistet hat und sich damit ungemein der Gnade Gottes erfreut, dass er eben auch all diese körperlichen Prozesse, die das irdische Leben so banal und hässlich machen, nicht durchmachen muss." Die Inszenierung durch die Wachsmaske solle sagen: Heilige behalten ihre Schönheit bis zum Tag der Auferstehung.
Die Herzensgruft der Päpste
Bevor moderne medizinische Methoden der Konservierung in den Vatikan Einzug gehalten hatten, bediente man sich bei den Versuchen, die päpstlichen Leichname haltbar zu machen, altüberlieferter Techniken, mit denen die Ägypter schon ihre Pharaonen konserviert hatten. "Nachdem man den Verstorbenen die leicht verweslichen inneren Organe entnommen hatte, balsamierte man den Körper mit Essigsäure, mancherlei Kräutertinkturen und Harzen, bevor er aufgebahrt und dann in der Krypta zur letzten Ruhe gebettet wurde", erklärt Wunn. Die päpstlichen Organe erwartete ein anderes Schicksal: "Sie wurden in der Kirche Tre Fontane, früher St. Vinzenz und Anastasius, am römischen Trevibrunnen aufbewahrt, wo sie bis heute als Reliquien verehrt werden." Erst unter Pius X. habe man die Organentnahme abgeschafft, so dass der Wunsch vieler polnischer Katholiken, das Herz des in Polen als Karol Wojtyla geborenen Johannes Paul II. in Krakau beisetzen zu dürfen, unerfüllt blieb.
Beim vatikanischen Trauerzeremoniell könne auch einiges schief gehen, wie Rene Schlott berichtet. Er hat zum Papstod geforscht und sich mit der Balsamierung Pius XII. beschäftigt. Beim Tod Pius XII. habe man sich gegen die moderne Einbalsamierungsmethoden entschieden und versucht, den Papst mit Kräutern und ätherischen Ölen für die Bestattung vorzubereiten. "Weil diese Mischung über mehrere Stunden einwirken musste, wurde der Papst zeitweise in Klarsichtfolie eingewickelt." Diese Einbalsamierungsmethode habe sich jedoch als kompletter Fehlschlag erwiesen.. "Wegen des entsetzlichen Verwesungsgeruches fielen einige Wachen am aufgebahrten Leichnam in Ohnmacht und mussten in immer kürzeren Abständen ausgetauscht werden." Im Petersdom wurde Pius XII. dann auf einem meterhohen Podest aufgebahrt, damit die Gläubigen die Verfärbungen von Gesicht und Händen nicht aus der Nähe sehen konnten.